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„Bumsen statt Bomben“

Sie wollen Liebe statt Krieg, doch müssen sich heute auch kritische Fragen anhören: eine kurze Geschichte der Friedensbewegung

  • 4 Min.
Friedensbewegung

Als John Lennon und Yoko Ono am 25. März 1969 miteinander ins Bett gingen, war das nicht gerade eine intime Angelegenheit. Rund um ihr Hotelbett stand eine Reportertraube mit gezückten Notizblöcken, die Kameras klickten ohne Unterlass. Der Beatle und die japanisch-amerikanische Künstlerin hatten zu einem sogenannten Bed-in geladen: „Wir bleiben im Bett, sieben Tage, von neun Uhr bis neun Uhr, und wir sprechen über den Frieden.“

Das Paar knüpfte in den Kissen unmittelbar an den Hippieslogan „Make Love Not War“ an. Der war in den Jahren zuvor bei Protesten gegen den Vietnamkrieg entstanden und vereinte die Forderung nach freier Liebe jenseits konservativer Moral mit dem Protest gegen den Krieg. Der Claim fand rasch seinen Weg in die Welt, manchmal etwas abgewandelt. In der deutschen Aufführung des Hippiemusicals „Hair“ rief der Hauptdarsteller: „Bumsen statt Bomben.“

In den 1980ern kamen Hunderttausende zu den Demos der deutschen Friedensbewegung

In Deutschland hatte sich als Widerstand gegen die Wiederbewaffnung der noch jungen Bundesrepublik bereits in den 1950er-Jahren eine Friedensbewegung formiert. Als beliebtes Protestmittel etablierten sich später die sogenannten Ostermärsche. Beim ersten in Deutschland zogen 1960 rund 1.000 Demonstrierende zu einem Truppenübungsplatz der NATO im Süden der Lüneburger Heide. Mit den Jahren ging die Initiative vor allem von kirchlichen und gewerkschaftlichen Gruppen aus, die Zahl der Teilnehmenden stieg auf Hunderttausende.

Durch die Studentenbewegung in den Sechzigern kamen zu den Märschen viele andere Protestformen dazu. Beliebt waren Sit-ins, inspiriert von Mahatma Gandhi und der amerikanischen Bürgerrechtsbewegung: Die Demonstrierenden setzten sich einfach auf den Boden oder stellten sich in großen Gruppen zusammen, zum Beispiel, um Straßen oder Eingänge von Gebäuden zu blockieren. Bei Go-ins wiederum wurden Seminare unbeliebter Professoren gesprengt, die anschließenden Spontandiskussionen nannten sie Teach-ins.

In der DDR hatte sich die erste unabhängige Friedensbewegung erst Ende der Siebziger gebildet. Sie hatte es ungleich schwerer als die Pazifisten im Westen, weil die Staatssicherheit sie genau beobachtete. In einem Land, in dem es kaum freie politische Meinungsäußerung gab, waren selbst bauernfreundliche Slogans wie „Schwerter zu Pflugscharen“ suspekt. So nannte sich Anfang der 1980er-Jahre eine der größten Protestbewegungen in der DDR. Ihr Symbol, ein Schmied, der aus einem Schwert einen Pflug macht, war praktisch verboten.

Raketenauto (Foto: Sommer / IMAGO)
Raketen können ganz schön phallisch sein. Wahre Liebe können sie aber nicht ersetzen (Foto: Sommer / IMAGO)

Ihren Höhepunkt erreichten die Friedensbewegungen in den Achtzigern. Als die USA und Russland immer mehr Raketen mit atomaren Sprengköpfen auf ost- und westdeutschem Boden stationierten, wuchs mit der Angst vor einem dritten Weltkrieg auch die Zahl der Demonstrierenden. An verschiedenen Veranstaltungen für den Frieden nahmen 1983 in der BRD 700.000 Menschen teil.

Dieser Text ist im fluter Nr. 89 „Liebe“ erschienen

Nach der Wende wurde der Zulauf zur Friedensbewegung wieder kleiner. Das Ende des Kalten Kriegs und die Annäherung der Supermächte schienen ein Zeitalter der Stabilität und des Friedens in Europa einzuläuten. Diese Hoffnung wurde bereits durch die Kriege im ehemaligen Jugoslawien und im Irak geschmälert und mit Russlands Einmarsch in die Ukraine endgültig zerstört. Putins Angriffskrieg trieb wieder Tausende Friedensaktivisten auf die Straße, die sich kritischen Fragen stellen müssen: Wie soll Frieden geschaffen werden, wenn Putin keinen Zweifel daran lässt, dass er die Ukraine vernichten will? Muss man die Angegriffenen nicht mit Waffen unterstützen, damit sie irgendwann wieder in Frieden leben können? Ähnliche Fragen werden auch im Fall des Einmarsches der israelischen Armee in den Gazastreifen nach den Massakern der Hamas diskutiert.

Nicht nur angesichts solcher Konflikte hat sich der Slogan „Make Love Not War“ abgenutzt: Er ist als Allerweltsphrase längst in der Massenkultur angekommen, grüßt von T-Shirts und Kaffeetassen. Ein anderes Bed-in von Lennon und Yoko Ono wirkt übrigens bis heute nach. Das von Lennon im Schlafanzug komponierte „Give Peace a Chance“ läuft auf jeder Demo der Friedensbewegung.

Titelbild: dpa / Picture Alliance -- Harald Hauswald / OSTKREUZ

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.