Es ist ein trauriger Rekord: In Kapstadt gibt in absoluten Zahlen gemessen die meisten Morde der Welt. Über 3.000 Mordopfer waren es etwa im Jahr 2019. Ein Großteil der Gewalt entlädt sich in den sogenannten Townships, isolierten Slums, deren Bewohner mit Arbeitslosigkeit, Armut und schlechter Infrastruktur zu kämpfen haben. Hier leben vor allem schwarze Menschen und Personen, die der südafrikanische Staat einst unter dem Begriff „Cape Coloreds“ zusammenfasste – eine ethnische Gruppe mit asiatischen, europäischen und afrikanischen Vorfahren.
Die Isolation der Schwarzen und „Cape Coloreds“ und ihre prekäre Lebenssituation sind ein Erbe der Apartheid – ein bis in die frühen 1990er-Jahre aktives System, das die Herrschaft weißer Südafrikaner rechtlich absicherte und alle anderen Gruppen benachteiligte. Zwar ist die rassische Segregation seit 1994 offiziell abgeschafft, tatsächlich lebt aber ein großer Teil der weißen und nichtweißen Menschen in Kapstadt weiterhin geografisch und sozial voneinander getrennt.
Militärische Disziplin gegen toxische Männlichkeit?
Wie überall auf der Welt sind es in erster Linie Männer, die gewalttätig werden. Die staatliche „Chrysalis Academy“ möchte diesen Verhaltensmustern, die häufig von Generation zu Generation weitergegeben werden, etwas entgegensetzen: Seit dem Jahr 2000 absolvieren hier 18- bis 25-jährige Freiwillige aus der Region Western Cape eine militärisch anmutende dreimonatige Ausbildung, die aus ihnen bessere Väter, Brüder und Partner machen soll. Pro Jahr absolvieren drei Klassen die Kurse, darunter mittlerweile auch eine Frauenklasse.
Nun kann man fragen, ob knallharte Disziplin wohl das richtige Mittel ist, um toxischer Männlichkeit entgegenzuwirken. Aus Sicht der „Chrysalis Academy“ schon: Die Selbstdisziplin soll demnach als mentaler Rahmen für tiefergehende Arbeit an emotionaler Intelligenz und Verletzlichkeit dienen. Sensibilität soll hier also zu eigentlicher Stärke umgedeutet werden.
Der italienische Fotograf Alessandro Iovino hat die Klasse „19 Charlie“ Anfang 2020 drei Monate lang begleitet.