Triumphmusik dröhnt aus den Lautsprechern, Stroboskope blitzen, Lega-Nord-Fahnen werden geschwenkt, von der Balustrade im Saal hängen Banner: „Prima gli italiani“ – Zuerst die Italiener. Dort könnte heute genauso „Zuerst die Deutschen“, „Zuerst die Franzosen“ oder „Zuerst die Briten“ stehen: Die Nachwuchsorganisation der rechtspopulistischen Lega Nord hat ihre politischen Verbündeten eingeladen.
Zusammen wollen sie hier in Rom die „Wiedergeburt der europäischen Jugend“ feiern. Sie treffen sich Ende März in einem Hotel nahe dem italienischen Innenministerium, dem Sitz des Lega-Nord-Chefs und italienischen Innenministers Matteo Salvini. Auch er, der sich immer mehr zum Vorbild für viele europäische Rechtspopulisten entwickelt, wird zur Veranstaltung erwartet.
Oft beschworen: Identität, Wurzeln und Souveränität
„Unser Europa ist Tausende Jahre alt. Deren Europa gibt es erst seit 60 Jahren“, sagt Davide Quadri, Sprecher der Nachwuchsorganisation der Lega Nord, und stellt sich damit gegen das Europabild der Europäischen Union. In seiner Eröffnungsrede spricht er von Identität, Wurzeln und Souveränität. Quadri möchte neu definieren, was es heißt, Europäer zu sein. Dafür brauche es keine Europäische Union und keine „antidemokratische europäische Elite“. Quadri plädiert für starke Nationalstaaten, die unabhängig voneinander handeln.
Ein Song von AC/DC wird gespielt. Gäste der europäischen „Schwesterparteien“ betreten die Bühne. Von Rassemblement National (Frankreich), UKIP (Großbritannien), Vlaams Belang (Belgien), Junge Alternative (Deutschland) und FPÖ (Österreich) sind insgesamt etwa 30 Delegierte erschienen. Das Publikum, überwiegend junge Männer in weißem Hemd und blauem Sakko, klatscht höflich. Eigentlich waren auch polnische und russische Gäste angekündigt, doch sie hatten kurzfristig abgesagt. Als Andrea Crippa zum Mikrofon schreitet, tobt die Menge, empfängt ihn mit Standing Ovations. Crippa ist der Hauptdarsteller dieser Veranstaltung. Er war Salvinis Assistent, als dieser noch EU-Abgeordneter war, wurde dann ins italienische Parlament gewählt und hat seit vier Jahren den Vorsitz der Lega Giovani inne. Während seiner Amtszeit sei die Mitgliederzahl von 1.000 auf 20.000 gestiegen, berichtet Crippa.
Da stehen die führenden Köpfe rechtspopulistischer europäischer Parteien vereint auf der Bühne. Ist das kein Widerspruch – dass gerade diejenigen, die sich einer nationalistischen Rhetorik bedienen, sich zusammentun? Welches Ziel verfolgen sie?
In ihren Reden kündigen sie an, gegen den „linken Meinungsmainstream“ vorgehen und dem „Europa der Technokraten und Banken“ trotzen zu wollen. Damian Lohr, Vorsitzender der Jungen Alternative, beschimpft einzelne Politiker*innen als „Hexe“ oder „Vergewaltiger Europas“. Das kommt im Saal gut an. Besonders laut wird es, als Lohr von der „dekadenten Elite“ spricht, die sich in einem Glaspalast in Brüssel, fernab vom Volk, verbarrikadiert habe. Es ist Populismus in Reinkultur: „wir“ gegen „die“. Wer zum „Wir“ gehören und für das „Wir“ sprechen darf, wird eng definiert. Die Reden dominiert ein bleischweres „Dagegensein“: gegen Multikulturalismus, gegen LGBT, gegen Sozialismus, gegen Migration.
Einige der Nachwuchspolitiker klingen so, als hätten sie die „Gladiatorenschule für kulturelle Kämpfer“ bereits besucht
Die jungen Redner versichern sich mehrmals, darauf hinzuwirken, dass ihre Parteien in Brüssel eine gemeinsame Fraktion bilden werden. Solche realpolitischen Töne werden nur selten angestimmt. Immigration sei die große Herausforderung seiner Generation, sagt der Franzose Bardella, Le Pens EU-Spitzenkandidat für den Rassemblement National. Er spricht vom „Überleben seines Volkes“. Diese Angst vereint die rechten Nationalisten. Angeblich sei das eigene Volk – imaginiert als weiß und schon immer im eigenen Land verwurzelt – durch Migration und Zuzug von Nichteuropäern bedroht. Bardellas Statement erinnert an die rassistische Ideologie des „großen Austauschs“, die der französische Philosoph und Politiker Renaud Camus aufgestellt hat. Viele europäische Nationalisten beziehen sich auf seine Schriften, die Kennzeichen von Verschwörungstheorien aufweisen.
Einige der Nachwuchspolitiker klingen, als hätten sie die „Gladiatorenschule für kulturelle Kämpfer“ bereits besucht. Im Kloster Trisulti nahe Rom, wo sich das „Institut für Menschwürde“ (DHI) eingemietet hat, sollen rechtspopulistische Kader ausgebildet werden. Unter anderem mit Steve Bannon, dem ehemaligen Chefstrategen von Donald Trump, als ständigem Dozenten. Mehr als 200 Nachwuchspolitiker können in den alten Mauern zusammen lernen und, eigenen Aussagen nach, die Übernahme Europas vorbereiten. Sie möchten einen „populistischen Nationalismus“ fördern. Dazu gehört für sie der Kampf gegen Immigration, gegen „die Eliten“ und gegen den Islam – was nicht selten bedeutet: gegen muslimische Menschen.
Mehr als die Ankündigung dieses Ausbildungsprogamms gibt es bisher nicht. Journalisten stehen aber schon jetzt für Interviews aus dem alten Kloster Schlange. Homestorys von dort finden sich in vielen europäischen Zeitungen. Und so wird einmal mehr klar: Den Umgang mit den Medien beherrschen die rechten Populisten sehr gut.
Auch die Veranstaltung in Rom ist vor allem ein medienwirksamer Auftakt der heißen Wahlkampfphase, aber weniger eines europäischen Wahlkampfs. Die Lega Nord dominiert das dreistündige Treffen. Die Fahnen der italienischen Rechtspopulisten wehen auf den Fotos dieses Nachmittags. Sie sollen die sozialen Medien fluten. Als Lega-Nord-Star Crippa am Ende zum gemeinsamen Selfie lädt, bildet sich eine lange Schlange; obwohl viele der Wartenden wahrscheinlich auf ein Bild mit Innenminister Salvini gehofft hatten. Doch der ist zur „Wiedergeburt der europäischen Jugend“ nicht erschienen.
Übersetzung: Niklas Prenzel