Niemand kann sich seinen Körper aussuchen. Na gut. Man kann sich die Haare färben und glätten, die Haut kann man sich mit Cremes und Peelings aufhellen. Es gibt auch diese bunten Kontaktlinsen, die sich einige Menschen in die Augen packen, damit sie grün oder blau wirken. Für die Außenwelt existiert aber meist nur der eine Körper – so, wie man halt geboren wurde. Man sollte zwar nie zu viel Wert auf das Äußerliche legen, es wäre aber gelogen, zu behaupten, es spiele gar keine Rolle in der Gesellschaft, wie man aussieht.
Manche sehen nur meinen Körper und denken: Der will was klauen
Ich zum Beispiel habe eine hellbraune Hautfarbe, schwarze Haare, dicke Augenbrauen, und als wäre das nicht genug, trage ich noch einen kurzen Bart. Über meinen Körper, also mein Äußerliches, bin ich für viele als sogenannter „nordafrikanisch aussehender Mann“ zu identifizieren. Diese Beobachtung macht mit vielen Menschen in Deutschland und Europa etwas. Sie reagieren auf mich, ohne mich zu kennen. Es reicht meine bloße Anwesenheit. Der Anblick meines Körpers löst in vielen Köpfen einen Alarm aus. Menschen stecken mich in Schubladen, ohne dass ich ein Wort mit ihnen gewechselt habe. Das beginnt damit, dass ich in vielen Gegenden von Berlin von Menschen automatisch auf Englisch oder mit übertriebenen Handzeichen angesprochen werde – denn ein echter Deutscher kann anscheinend nicht so aussehen wie ich. An Bahnhöfen und Flughäfen fischen mich regelmäßig Polizisten aus großen Menschenmengen raus, um mich zusätzlich zu kontrollieren. Mein Körper signalisiert den Beamten anscheinend, dass Gefahr droht. Es passiert mir so häufig und meinen weißen biodeutschen Freunden so gar nicht, dass dies keine Zufälle sein können.
Wenn man in Deutschland blonde Haare hat, weiße Haut, blaue Augen, dann existiert man nicht als Gegenstand im öffentlichen Streit. Ich arbeite seit Jahren als Journalist: Die meiste Zeit davon wurde in Deutschland über Ausländer, Araber, Türken, Muslime, Roma, im Allgemeinen über Nichtweiße diskutiert. In anderen Ländern mit mehrheitlich weißer Bevölkerung sieht es nicht anders aus. Diese Dauerpräsenz in Medien, im Schulunterricht, in ganz alltäglichen Gesprächen überträgt sich auf die Körper der betroffenen nichtweißen Menschen. Das ist ätzend, und es nervt. Ich kann in manchen Geschäften nicht mehr in Ruhe einkaufen, weil mich Sicherheitsbedienstete durch die Regalreihen verfolgen. Sie sehen meinen Körper und denken: Der will was klauen. Wenn ich zufällig einen Kapuzenpulli trage, ist dieses Misstrauen besonders zu spüren.
Das Problem heißt hier unter anderem auch Rassismus
Oft wird mir entgegnet: Jeder Mensch möchte immer das Gegenteil davon haben, was er gerade besitzt. Diese Formel gelte auch für den eigenen Körper. Deswegen gingen auch so viele Weiße ins Solarium. Ich bin aber der Meinung, dass es einen Unterschied macht, ob man sich zwei Minuten auf die Sonnenbank legt oder ätzende Chemikalien auf die eigene Haut schmiert, sich stundenlang darum kümmert, glatte und helle Haare zu haben, oder blaue Kontaktlinsen trägt. Das eine hat vielleicht etwas mit Mode und Eitelkeit zu tun, das andere mit einer strukturellen, historisch gewachsenen Diskriminierung von Minderheiten und benachteiligten Gruppen. Das Problem heißt hier unter anderem auch Rassismus. Ich bin aber der Überzeugung, dass wir uns alle in unseren Körpern besser fühlten, wenn wir offen und ehrlich über die damit verbundenen Privilegien und Diskriminierungen reden würden.Weil sie die vermeintliche Norm des weißen Körpers in der Öffentlichkeit nicht erfüllen, müssen Nichtweiße immer daran denken, dass sie „anders“ sind. Diese, wie ich sie nenne, Hautfarbenskala (weiß = super; schwarz = weniger gut) ist über Jahrhunderte gewachsen und hat sich an unsere Körper angeheftet. Die Sklaverei, der Kolonialismus, die Ausbeutung des globalen Südens und die Arbeitsmigration haben dazu geführt, dass wir Menschen mit bestimmten Körpermerkmalen positive Attribute zusprechen. Als Weißer gilt man als weniger angsteinflößend, zumindest wird man im Supermarkt seltener vom Detektiv verfolgt. Wie unsere Körper gelesen werden, hängt an mehreren Faktoren – zum Beispiel am Geschlecht oder am Habitus, also wie man sich gibt, wie man spricht und welchen „Stallgeruch“ man von der Familie mitbekommen hat. Doch die Hautfarbe und die offensichtliche Herkunft sind Faktoren, die sehr starken Einfluss darauf haben, wie unsere Körper und damit wir als Individuen wahrgenommen, ernst genommen und ob wir unvoreingenommen behandelt werden.
Illustration: Frank Höhne