In „U.N.I.T.Y.“ rappte Queen Latifa schon 1993 darüber, dass sie sich aktiv gegen Sexismus wehrt. Fast 30 Jahre später spielt Sexismus immer noch eine tragende Rolle, auch im Hip-Hop. Etwa wenn ein Rapper wie Yung Hurn verkündet, Frauen „wie ein Pony“ zu reiten – oder sie auffordert, sich das Sperma aus dem Gesicht zu wischen. Wie nehmen Frauen aus der Hip-Hop-Szene solche Tracks wahr?
Melbeatz: „Ich bin pro Mensch und finde das feministischer als Feministin zu sein.“
Wenn Yung Hurn rappt, wie er einer Frau ins Gesicht wichst, nehme ich an, dass das ein Ausschnitt aus seinem Leben ist. Da muss jeder für sich entscheiden, ob er das hören möchte oder nicht. Ich persönlich habe mit Sexismus im Hip-Hop wenig Erfahrungen gemacht. Producerinnen nehmen Rapper anders wahr, da sie im Vergleich zu Rapperinnen keine direkten Rivalen sind. Gegenüber denen sind die schon ein bisschen gemeiner und selektiver.
Heute gibt es mehr Mädels im Hip-Hop, obwohl es immer noch nur wenige probieren. Frauen, die es nicht schaffen, haben es meist gar nicht erst probiert, glaube ich. Dadurch, dass es mehr Männer gibt, wird eine härtere Tonart angeschlagen. Da musst du gucken, wie stark du bist. Nach Interviews sagen andere Frauen über mich, dass sie es krass finden, dass ich nicht pro Frauen bin. Aber ich bin pro Mensch und finde das feministischer, als Feministin zu sein. Anscheinend ecke ich damit an.
Melbeatz ist wohl die bekannteste Produzentin im deutschen Hip-Hop. Sie produzierte u.a. für Eko Fresh und Kool Savas, auf ihrem Debütalbum rappte Kanye West.
Josi Miller: „Bei ,Ponny‘ fehlt jede Doppeldeutigkeit. So was unterstütze ich nicht.“
Bei Texten schaue ich, welche Lebensrealität der Rapper hat, und wäge dann von Fall zu Fall ab. Als ich „Ponny“ gehört habe, dachte ich, dass der Song einfach super platt ist. Da fehlt jede Doppeldeutigkeit. So was unterstütze ich nicht. Normalerweise mag ich Yung Hurns minimalistisches, dadaistisches Kunstbild – sowohl musikalisch als auch textlich. Aber das ist Sexismus. Die Art und Weise, wie er es dargestellt hat, kommt aus einer sehr dominanten Position heraus.
Ich würde schon sagen, dass ich oft Opfer von Sexismus in der Branche war. Da sind viele kleine Geschichten, von Bookern, die einen anmachen oder im Preis drücken wollen, oder Clubbesitzern, die mich in den Arm nehmen, obwohl sie mich nicht kennen. Das klingt kleinlich, aber für mich hat sich das angefühlt, als würde mir derjenige zeigen, dass er gerade die Macht hat. Ich versuche, weibliche Künstler zu unterstützen, ohne dabei auf Krampf eine Quote zu erfüllen. Ich buche sie, weil ich toll finde, wie sie auflegen. Wenn ein Typ denselben Stil hätte, würde ich wahrscheinlich auch ihn engagieren. Ich finde es gut, dass über Sexismus im Hip-Hop gesprochen wird. Durch die Aufmerksamkeit wird für das Thema sensibilisiert.
Wenn Josi Miller nicht gerade auflegt, moderiert sie mit Helen Fares den Podcast „Deine Homegirls“.
Achtung: Der Song ist nicht nur ziemlich deppert – wenn du ihn abspielst, kann Youtube dich auch tracken
Leila Akinyi: „Es sollten mehr Frauen in die Musikindustrie einsteigen.“
In meiner Musik versuche ich ohne Schimpfwörter auszukommen. Die finde ich inzwischen langweilig, weil jeder Rapper sie benutzt. Man kann sich auch anders artikulieren.
Bei einem Auftritt in Leipzig vor drei Jahren waren meine Crew und ich die einzigen Frauen bei einer Veranstaltung. Die war bereits komplett nach hinten geschoben, alles war im Verzug. Wir sind als dritter Act aufgetreten und haben, weil wir später angefangen haben, auch später aufgehört. Die Gruppe nach uns hat sich darüber aufgeregt, ist zu meinem DJ gegangen und hat sie aufgefordert, die Musik auszumachen. Schlussendlich haben die uns sogar den Stecker gezogen. Ich gehe davon aus, dass die sich das nur getraut haben, weil wir Frauen sind. Den Künstlern davor ist das nicht passiert.
Aber ich glaube, es wird besser, wenn wir Frauen weitermachen und für uns einstehen. Es sollten einfach mehr Frauen in die Musikindustrie einsteigen. Das heißt im Management und in der Produktion, dann kann man auch mehr Frauen unterstützen. Vielleicht sollte es ein reines Frauenlabel geben.
„Wer hat Angst vor der schwarzen Frau?“ In ihrem ersten Song „Afro Spartana“ rappte Leila Akinyi 2016 selbstbewusst darüber, schwarz zu sein und löste damit Diskussionen aus.
Antifuchs: „,Lutsch meinen Schwanz, Digga.‘ Auch als Frau kann ich das sagen.“
Ich unterscheide mittlerweile stark zwischen Sexismus und sexualisierten Texten. Viele sexualisierte Texte werden meiner Meinung nach zu schnell in die Sexismus-Schublade gesteckt. Da werden Textzeilen aus dem Kontext gerissen und als schlecht dargestellt. Jeder Mensch hat doch die Entscheidungsmacht, sich angesprochen zu fühlen oder nicht. Ich vergleiche das gerne mit der Zeit, als ich als junger Fuchs auf Kool Savas' Konzerte gegangen bin und dort „Lutsch meinen Schwanz“ mitgeschrien habe. Ich habe mich als Frau in dem Moment nicht angegriffen gefühlt, sondern empowert, habe links und rechts zu den Typen geguckt und gesagt: „Lutsch meinen Schwanz, Digga“. Auch als Frau kann ich das sagen. Das ist für mich Kunstfreiheit, die ich für mich interpretiere.
Als ich angefangen habe Musik zu machen, kamen viele Männer, aber auch Frauen, auf mich zu und fingen an mit: „Mach doch mal nettere Musik. Das steht dir doch als Mädchen gar nicht.“ Das finde ich sexistisch: mir als Frau zu sagen, wie ich zu sein habe. Wollen diese Leute mir absprechen, dass ich eine Frau bin, nur weil ich auf der Bühne rappe wie ein Typ? Hätten wir vor 15 Jahren schon darüber gesprochen, dann hätten wir jetzt mehr Frauen im Deutschrap. Aber die Diskussion kommt jetzt ins Rollen. Wenn wir nicht mehr darüber reden müssen, sondern einfach da sind und machen, dann haben wir es geschafft.
Antifuchs ist seit 15 Jahren hip-hop-bekannt: für derbe Texte und ihre Fuchsmaske.