Es ist schon komisch: Da gibt es all diese Hure-Nutte-Bitch-Lieder – und viele singen fröhlich mit, auch Frauen und sogar solche, die sich als feministisch verstehen. Dieses so widersprüchliche Phänomen der Popkultur versucht das Buch „Under My Thumb“ (Repeater Books) zu ergründen, das die englischen Journalistinnen Eli Davies und Rhian E. Jones herausgegeben haben. Den ganzen Zwiespalt packen sie gleich im Untertitel: „Songs that hate woman and the woman who love them“.
In ihrem Buch ringen entsprechend 29 Autorinnen aus Journalismus, Musik, Wissenschaft und Film mit dem Unwohlsein, Songs zu mögen oder mindestens gemocht zu haben, die eigentlich ihren Vorstellungen von Geschlechterrollen fundamental widersprechen – einfach, weil die Texte so ungeniert sexistisch sind. Fünf Beispiele.
Rolling Stones – „Under My Thumb“ (1966)
Im titelgebenden Song des Buches singt Mick Jagger über eine Frau, die „genau das tut, was man ihr befiehlt“. Auch in anderen Stones-Songs wie „Brown Sugar“ dominiert Jagger seine weibliche „Beute“. Obwohl Mick Jagger, genau wie David Bowie, mit seinem androgynen Auftreten gegen traditionelle Geschlechterrollen rebellierte, behandeln viele seiner Songtexte die Frau als Objekt, das dem Mann gehört und ihm jeden Wunsch erfüllt.
Kann man so einen Old-School-Sexismus mit „Andere Zeiten, andere Sitten“ begründen? Manon Steiner und Em Smith sind da zerrissen. Gerade bei Musiklegenden wie Jagger und Bowie sei das letztlich nur schwer zu akzeptieren. Immerhin haben Idole wie sie eine hohe Strahlkraft. Ihre Verehrung lässt sich für Manon Steiner und Em Smith nicht mit moralischen Gewissensbissen vereinbaren.
Nick Cave und Kylie Minogue – „Where the Wild Roses Grow“ (1995)
Gewalt und sogar Mord an Frauen sind keine Seltenheit in Songtexten. Und natürlich nicht nur da. In der Literatur hat das Motiv eine lange Tradition. Nick Cave widmete den „Mörderballaden“ ein ganzes Album.
Kelly Robinson argumentiert in ihrem Text, dass die Gewalt- und Mordgelüste gegenüber Frauen als Thema deshalb so reizvoll sind, weil sie als Verbrechen aus Leidenschaft gelten. Sie spielen mit Sehnsucht und der Fantasie, bis hin zum Tod begehrt zu werden. Eifersucht, Verlangen, Lust, Gewalt – das übt selbst auf manche Frauen eine seltsame Faszination aus.
Erschreckend, meint Kelly Robinson, da Gewalt gegenüber Frauen allgegenwärtig ist und nicht der Vergangenheit angehört, wie es Mörderballaden vielleicht glauben lassen.
Eminem – „Kim“ (2000)
Über die frauenfeindlichen Texte von Eminem allein ließe sich ein ganzes Buch schreiben. „Kim“ ist wahrscheinlich das grausamste Beispiel: Eminem fantasiert, seiner Exfrau die Kehle zu durchtrennen, und lässt sie mit den Worten „Blute, Schlampe, blute“ sterben. Das ist selbst für Hip-Hop-Maßstäbe extrem.
Laura Friesen versucht trotzdem, ihn zu verstehen. Denn egal ob bei Eminem, Jay-Z oder Kanye West: Der männliche Rapper ist stets Underdog und seine Musik ein Ventil für seine Wut auf die Welt. Hinter all der Prahlerei und Aggressivität stecke eine Menge Machtlosigkeit und Verletzbarkeit. Friesen schreibt in ihrem Essay über Kanye West: „Die Außenseiterin in mir mag den Außenseiter in ihm.“ Die Wut des Hip-Hops ist für sie sogar in Ansätzen vergleichbar mit dem Streben nach Emanzipation im Feminismus. Beide kratzen an Machtstrukturen.
Bob Dylan – „Like a Rolling Stone“ (1965)
Eine Frau, früher einmal reich und schön, im freien Fall und ein Mann, der sich mit Schadenfreude an ihrer Misere ergötzt. So kann man dieses Lied und viele andere zusammenfassen. Genau wie bei „Common People“ von Pulp ist die Frau hier eine verwöhnte Göre, die nicht für sich selber sorgen kann.
Rhian E. Jones ist hin und hergerissen: Die Frau im Lied ist eben auch nur eine Frau und steht nicht unbedingt stellvertretend für alle Frauen. Und überhaupt: Muss man nicht zwischen Symbolik und Realität unterscheiden?, fragt sich Jones. Immerhin schlüpfen Musiker in ihren Liedern in eine „Rolle“, die man nicht mit der Privatperson verwechseln darf, schreibt sie. Trotzdem wird von Jones wie auch an anderen Stellen im Buch argumentiert: Theatralische Frauenverachtung bleibt eben Frauenverachtung. Da gibt es halt nichts zu entschuldigen.
Taylor Swift – „Better than Revenge“ (2010)
Nicht nur Männer wettern in ihren Texten gegen Frauen. Taylor Swift präsentiert sich gern als Feministin, aber wie Charlotte Lydia Riley schreibt, ist sie ein problematisches Vorbild für die Frauenbewegung. Denn in vielen ihrer Texte kommen Frauen nicht gut weg, werden auf ihr Äußeres reduziert oder als Konkurrenz dargestellt. Dieser Song ist einer Schauspielerin gewidmet, die sich Taylors Exfreund schnappte und, laut Taylor, „eher für die Dinge bekannt ist, die sie auf der Matratze tut“. Feminismus klingt anders.
Eli Davies, Rhian E. Jones (Hg): „Under My Thump. Songs that hate woman and the woman who love them“, Repeater Books
Titelbild: Terry O'Neill/Hulton Archive/Getty Images