Ich bin viel unterwegs in letzter Zeit: Mobilisierungsvorträge. So nenne ich diese Termine vor dem Gipfel. Neulich war ich bei der IG-Metall-Jugend in Osnabrück, ich war in Göttingen, in Köln und in Hannover. Wir verteilen außerdem Flyer an Schulen und Unis. Es sollen möglichst viele junge Menschen zur Großdemo gegen den G20-Gipfel kommen, zu der verschiedene Organisationen aufgerufen haben. Auch die Jugendgruppen haben sich zusammengeschlossen: Studierendenvertreter sind dabei, Antifa-Initiativen, Gewerkschaftsgruppen – ich selbst zum Beispiel komme von der IG-Metall-Jugend.
Neulich hatten wir einen Aktionstag im Gewerkschaftshaus in Hamburg mit Workshops zur Kritik an G20 und zur Geschichte des zivilen Ungehorsams. Und mit einem Bastelworkshop. Es müssen ja die Transparente vorbereitet werden für den Jugendblock auf der Großdemo. Damit haben wir die heiße Phase der Mobilisierung eingeläutet.
„Ich bin nicht einfach für oder gegen G20“
Kritik ist okay, Haltung ist besser - findet Stefanie, 31, die nicht einfach für oder gegen G20 sein will --> Zum Artikel
Der G20-Gipfel wird in letzter Zeit immer wie ein Showdown zwischen Gut und Böse dargestellt, bei dem die autoritären Kräfte auf die liberalen stoßen. Donald Trump, Recep Tayyip Erdoğan oder Wladimir Putin auf der einen Seite – Angela Merkel, Emmanuel Macron oder Justin Trudeau auf der anderen. Aber diese Gegenüberstellung verkürzt das Problem. Die Politik, für die die G20 stehen, hat die autoritären Monster mit hervorgebracht. Der Rechtsruck in vielen Ländern hat schließlich etwas mit der sozialen Situation zu tun. Damit, dass der weltweite Wettbewerb zunimmt und sich die Lage vieler Menschen verschlechtert hat.
Unsere Kritik richtet sich daher nicht nur gegen einzelne autoritäre Staatschefs auf dem Gipfel, sondern gegen den Gipfel selbst. Dieser Gipfel trägt zur Verwaltung eines Wirtschaftssystems bei, das zulasten von Mensch und Natur geht. Hier trifft sich ein Club alter Männer, die Dinge aushandeln, die der Wirtschaft nutzen, aber an den Interessen der meisten Menschen vorbeigehen. Vor allem an den Interessen der jungen Menschen.
Was gerade in der Welt los ist, nimmt krasse Züge an. Im vergangenen Jahr war ich zu einem Austausch in Südamerika, wo ich mich mit anderen Gewerkschaftsjugendlichen getroffen habe. Die Jugendarbeitslosigkeit ist nicht nur in Griechenland oder Spanien hoch, sondern auch dort. Kürzlich gab es in Brasilien einen Generalstreik gegen die Sparpolitik und die Arbeitsmarktreformen der Regierung. Kurz vor dem G20-Gipfel sind die Jugendlichen zum Gegenbesuch in Deutschland. Ich werde ihnen bei der Gelegenheit unsere Protestaktionen vorstellen. Es macht ihnen Mut, dass auch hier in Hamburg Menschen gegen eine neoliberale Politik auf die Straße gehen.
Ich rechne damit, dass die Versammlungsrechte während des Gipfels massiv eingeschränkt werden. Die Behörden lehnen es zum Beispiel ab, dass die Abschlusskundgebung auf dem Heiligengeistfeld stattfindet – mit sehr fadenscheinigen Argumenten, wie ich finde. Für mich setzen die Behörden auch auf einen Konfrontationskurs, wenn sie Protestcamps in den Parks verbieten wollen. Es werden viele Menschen nach Hamburg kommen, die können unmöglich alle in Wohnungen oder Hotels unterkommen. Ich sehe daher keine Alternative zu den Zeltcamps. Im Zweifel werden die Leute einfach wild campen.
Wenn ich träumen dürfte, liefe der Gipfel so ab: Die Stadt ist voller Gegendemonstranten, sodass die Staats- und Regierungschefs zusammenpacken und auf ihre Konferenz verzichten. Weltweit wird stattdessen über den Alternativgipfel berichtet, auf dem NGOs und soziale Bewegungen sich Gedanken machen, wie man Armut und Ungleichheit weltweit bekämpfen kann.
Fotos: Michael Kohls