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Spiel mir das Loot vom Tod

Spielerischer Umgang mit dem Sterben? Diese sechs Games thematisieren Abschied und Trauer

  • 5 Min.
Last Day of June

Sterben und Tod sind in Videospielen allgegenwärtig. Oft ist das Spielziel, Gegner:innen zu töten und einen Endboss ein für alle Mal zu besiegen. Gelingt das nicht, erscheint häufig ein schwarzer Bildschirm mit den Worten „Game over“ – du bist gestorben“, der Spieldurchlauf ist vorbei. Was Sterben, Trauern oder Erinnern aber tatsächlich für Menschen bedeutet, dazu haben die meisten Games wenig zu sagen. Wir stellen sechs vor, bei denen das anders ist.

„Spiritfarer“ – Fürsorge abseits der Kernfamilie 

„Spiritfarer“ wird als „gemütliches Managementspiel über das Sterben“ beschrieben. Du spielst hier Stella, deren Aufgabe es ist, mit ihrem Schiff – aktuell 14 – Gefährt:innen von unterschiedlichen Inseln abzuholen und sie auf ihren Tod vorzubereiten. Du umsorgst sie, baust ihnen Kabinen auf deinem Schiff, besorgst ihre Lieblingsspeisen und lernst sie kennen, bis ihre Reise zu Ende ist. Die komplexen Charaktere kommen dir dabei sehr nah: Sei es Summer, die ihren Garten liebt und sich nach ihrer Partnerin sehnt, oder Alice, die es bedauert, nicht mehr Abenteuer erlebt zu haben, zeitweise Unterstützung beim Gehen benötigt und erste Zeichen von Demenz zeigt. Durch die bunte Gemeinschaft an Passagieren zeigt „Spiritfarer“, wie Fürsorge und Sterbebegleitung abseits der Kernfamilie aussehen können. Dabei wird deutlich, dass Pflegetätigkeiten zugleich bereichernd und anstrengend sein können und wie schwierig, schön und schmerzhaft Abschiede sind. 

Spiritfarer von Thunder Lotus Game (2020, für PC, Mac, Linux, Nintendo Switch, PlayStation 4, Xbox One, 24,99 €) 

„Hades“ – Niemand entkommt dem Tod 

In „Hades“ schlüpfst du in die Rolle des griechischen Gottes Zagreus, der hier als Sohn des Unterweltgottes Hades daherkommt (die antiken Erzählungen sind sich da nicht ganz einig, oft wird er auch als Zeus’ Sohn dargestellt). Dein Ziel: aus genau dieser Unterwelt an die Erdoberfläche zu fliehen. Dabei ist „Hades“ ein sogenanntes Roguelike-Spiel, das heißt, nach jedem Durchlauf ändert sich der Weg durch die Unterwelt, und jeder Tod – denn selbst wenn du die Erdoberfläche erreichst, stirbt Zagreus nach kurzer Zeit – bedeutet, dass du zurück in die Eingangshalle zur Unterwelt kommst. Hier triffst du auf unterschiedlichste Figuren der griechischen Mythologie, mit denen du freundschaftliche und romantische Beziehungen eingehen kannst. Das Besondere an „Hades“ ist, dass Zagreus’ Tod im Spiel nicht bestraft wird, sondern im Gegenteil notwendig ist, um in der Geschichte und im Spiel voranzukommen. Klar, sterben heißt für den rastlosen Zagreus etwas anderes als für uns Nichtgött:innen. Aber dadurch, dass die Spielmechanik die Unausweichlichkeit des Todes permanent thematisiert, regt sie – in Kombination mit den oftmals philosophischen Gesprächen am Eingang zur Unterwelt – dazu an, genauer darüber nachzudenken, was Sterblichkeit für uns Menschen eigentlich bedeutet. 

Hades von Supergiant Games (2018/2020, für PC, Mac, Linux, Nintendo Switch, PlayStation 4/5, Xbox One/X/S, 24,99 €) 

„Felix The Reaper“ – Tanzen bis zum Tod 

In „Felix The Reaper“ begleitest du Felix, der als personifizierter Tod an das spätmittelalterliche Motiv des Totentanzes angelehnt ist. Zusammen mit diesem fröhlich groovenden Sensenmann musst du in verschiedenen Puzzles den Tod von Menschen herbeiführen, ohne sie eigenhändig zu töten. Felix arrangiert mit deiner Hilfe fallende Gegenstände und bringt schützende Fässer aus der Schusslinie, um dafür zu sorgen, dass dieser „Unfall“ auch wirklich stattfindet. Du schaltest also nicht einfach Gegner:innen aus, sondern musst Puzzles lösen, die zum Tod einer Figur führen. Je mehr Rätsel du löst, desto voller wird die Sammlung an historischen Informationen zu Todesdarstellungen, die du im Menü aufrufen kannst. Es mag zuerst irritieren, wie gut gelaunt Felix mit seinen Kopfhörern auf den Ohren durch die Level tänzelt. Aber genau darum ging es den Macher:innen des Spiels, die sich einen humorvolleren Umgang mit dem Thema wünschen. So wollen sie gegen die Sprachlosigkeit angehen, die Erfahrungen mit dem Tod oft mit sich bringen. Und das gelingt ihnen: Auch wenn das Thema schmerzhaft bleibt, eröffnet „Felix The Reaper“ einen spielerischen Raum, in dem der Tod für ein paar Takte tanzen kann.

Felix The Reaper von Kong Orange (2019, für PC, Mac, Linux, Nintendo Switch, PlayStation 4, Xbox One, 14,99 €)

„Last Day of June“ – Im Gedankenkarussell

In dem Indie-Game „Last Day of June“ geht es um Schuldgefühle, Erinnerungen und die Frage, wie die sich mit der Zeit verändern. Als Carl verbringst du einen romantischen Sommerabend am See mit June, deiner großen Liebe. Dann steigt ihr ins Auto, es passiert ein Unfall, den nur Carl überlebt, und nichts ist wie zuvor. Zusammen mit Carl gehst du seine schmerzhaften Erinnerungen immer wieder durch und versuchst, die Geschehnisse so zu verändern, dass June überlebt. Doch so verzweifelt Carl auch nach einer „Lösung“ in seinem Was-wäre-wenn-Gedankenkarussell sucht, er findet keine, egal aus wie vielen Perspektiven er den letzten Tag Junes noch mal durchspielt. Auch wenn in den cartoonartigen 3-D-Animationen, die an impressionistische Gemälde erinnern, immer etwas Hoffnung mitschwingt: Ein Happy End im klassischen Sinne ist in „Last Day of June“ nicht in Sicht. Dafür aber ein Lernprozess, an dessen Ende so etwas wie Akzeptanz steht.

Last Day of June von Ovosonico (2017, für PC, Nintendo Switch, PlayStation 4, 19,99 €)

„Rime“ – Auf der Suche nach der Trauer

Auch „Rime“ setzt sich mit dem Verlust einer nahestehenden Person auseinander. In diesem „Adventure Game“ findest du dich auf einer steinigen Insel wieder, die voll von Rätseln ist. Deine Erkundungstour kommt ohne Dialoge aus, aber du findest früh einen kleinen Fuchs, der dir den Weg weist und auf der verwirrenden Insel eine Orientierung bietet. Mit der Zeit realisierst du als Spieler:in, dass deine Figur auf der Suche nach einem Angehörigen ist, den sie nicht wiederfinden wird. Die Kapitel des Spiels heißen Verleugnung, Wut, Verhandlung, Depression und Akzeptanz ­– genau wie die fünf Phasen der Trauer, wie Sterbeforscherin Elisabeth Kübler-Ross sie beschrieben hat. Der Fuchs leistet dabei eine Art Begleitung durch die sich verändernden Landschaften: Zu Beginn noch hell und offen, wird es bald immer dunkler, und geisterhafte Wesen versperren dir den Weg. Und so wie der Fuchs dich daran vorbeiführt und nicht von deiner Seite weicht, wird klar: Wer trauert, braucht Zeit und Unterstützung – sei es von Freund:innen, Verwandten oder Therapeut:innen.

Rime von Tequila Works (2017, für PC, Nintendo Switch, PlayStation 4, Xbox One, 19,99 €)

„What Remains of Edith Finch“ – Wie wir erinnern 

„What Remains of Edith Finch“ stellt die Frage, was von uns bleibt, wenn wir nicht mehr am Leben sind. In diesem Walking-Simulator, also einem Spiel, bei dem du deine Umgebung durch Spazieren entdeckst, lernst du mehrere Generationen der verstorbenen Familie Finch kennen. Die zuletzt gestorbene Edith Finch hat dir ein Buch hinterlassen. Mit seiner Hilfe erkundest du das alte Familienanwesen, das voller Geheimnisse und verdrängter Erinnerungen steckt. Das ist nicht immer einfach, denn Ediths Mutter hatte einst alle Zimmer der verstorbenen Familienmitglieder verschlossen, um Edith und ihre Brüder vor dem vermeintlichen „Familien-Fluch“ zu beschützen, der alle Finchs irgendwann sterben lässt. Während du dich durch diese komplizierten Familiendynamiken bewegst, ist oft nicht ganz klar, was wirklich passiert ist, und die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen. „What Remains of Edith Finch“ zeigt dabei, dass das Erinnern ganz und gar nicht einfach ist, dass es oft mehr als einen richtigen Blickwinkel gibt und dass alles, was am Ende sicher bleibt, diese mal traurigen, mal schönen, mal kuriosen Geschichten sind. 

What Remains of Edith Finch von Giant Sparrow (2017, für PC, Nintendo Switch, PlayStation 4, Xbox One, 19,99 €) 

Titelbild: Ovosonico / 505 Games



 

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