Es ist nur ein kurzer Post, den der Influencer Joshua Boye-Doe im Mai 2021 auf Twitter absetzt. Darin geht es um die Zukunftsaussichten junger Menschen in Ghana. Hochschulabsolvierende sind dort dazu verpflichtet, nach ihrem Abschluss einen einjährigen Nationaldienst (NSS) zu leisten – und suchen hinterher oftmals vergebens nach einem Job. „After NSS plenty people I know dey house cos dem no get jobs. Why should it be so. Are you educating people to go and sit home?? #FixTheCountry“
Ein Post, der Folgen hat, weil er einem Gefühl Ausdruck verleiht, das die meisten jungen Menschen in Ghana haben. Der Hashtag wird massenhaft geteilt. Viele beklagen sich in ihren Posts über zu wenig Zukunftschancen und die schlechte Politik der Regierung. Die Forderungen der Jugendlichen sind vielfältig: mehr Arbeitsplätze, bessere Bildung, weniger Steuern und Korruption, eine bessere Gesundheitsversorgung, mehr soziale Einrichtungen in den ländlichen Teilen des Landes und nicht zuletzt eine zuverlässige Stromversorgung. Denn nicht selten fällt der Strom sogar in der Hauptstadt Accra für Stunden aus.
Obwohl viele junge Menschen in Ghana einen Hochschulabschluss machen, fällt es ihnen schwer, Arbeit zu finden
Mehr als 70 Prozent der Bevölkerung Ghanas sind jünger als 35 Jahre. Obwohl viele junge Menschen einen Hochschulabschluss machen, fällt es ihnen schwer, Arbeit zu finden. Gerade mal zehn Prozent der Absolventen bekommen innerhalb eines Jahres einen Job, bei vielen dauert es sogar viel länger. Bis dahin leben sie oft bei ihren Eltern, denn die Lebenshaltungskosten in Ghana, vor allem in den Städten, sind hoch.
Kein Wunder, dass aus dem Hashtag #FixTheCountry eine landesweite Protestbewegung wurde. Drei Monate nach Joshua Boye-Does Tweet erreicht der Protest die Straße. Tausende Jugendliche versammeln sich und ziehen durch die Straßen von Accra. Dabei schwenken sie Plakate mit Botschaften wie „Corruption breeds poverty“ und „Fix our education system now“. Die Regierung reagiert mit Unverständnis. Ein Parlamentarier fordert von den Jugendlichen, bei sich selbst anzufangen, und verwendet dazu den Hashtag #fixyourself. Dafür wird er heftig kritisiert und muss seine Aussagen schließlich zurücknehmen. Ein Regierungssprecher schiebt die Schuld an der Situation auf die allgemeine schlechte wirtschaftliche Lage durch Corona. Die Regierung habe bereits ein Programm eingeführt, um die Situation Jugendlicher zu verbessern – wovon allerdings nur wenige profitieren.
Mittlerweile hat #FixTheCountry einen eigenen Twitter-Account und eine Website, auf der sie auch Fan-Artikel verkaufen. Martin Acheampong vom Leibniz-Institut für Globale und Regionale Studien sagt allerdings: „Die Bewegung konnte bisher noch nicht viel verändern. Die Regierung hat zwar einige der Forderungen aufgenommen, die Umsetzung bleibt aber abzuwarten. Gerade deswegen ist das Anliegen der Bewegung immer noch aktuell.“ Vor einigen Wochen forderten die Aktivisten die Absetzung des Vorsitzenden der Wahlkommission und seiner beiden Vertreter – da die Wahlkommission einige Bevölkerungsgruppen von den Parlamentswahlen 2020 ausgeschlossen haben soll.
Umfragen zeigen, dass das Vertrauen in die Demokratie in den letzten Jahren gesunken ist
Eigentlich wird das politische System Ghanas als demokratisch eingestuft. Den Analysen der NGO Freedom House zufolge wird das Land als „frei“ bewertet, womit es im Verhältnis zu anderen afrikanischen Staaten gut abschneidet. Seit 2017 regiert Präsident Akufo-Addo von der liberalkonservativen New Patriotic Party (NPP). Die NPP steht in der Opposition aktuell dem NDC (National Democratic Congress) gegenüber. Seit Mitte der 1990er-Jahre wechselte die Macht häufig zwischen beiden Parteien. Umfragen zeigen aber, dass das Vertrauen in die Demokratie in den letzten Jahren gesunken ist. Schuld daran sind vor allem die Korruption sowie Einschränkungen für Frauen und Mitglieder der LGBTIQ+-Community. Homosexuelle Handlungen unter Männern werden in Ghana sogar mit Gefängnis bestraft.
Acheampong ist sich sicher, dass Social Media auch in Zukunft eine große Bedeutung für die politischen Anliegen der Menschen in Ghana haben werden. Auch in anderen afrikanischen Staaten würden Debatten durch Hashtags in den Sozialen Medien gestartet, wie beispielsweise die #ThisFlag-Kampagne in Simbabwe, der #FeesMustFall-Protest in Südafrika oder #EndSars in Nigeria. 2024 wird es Wahlen in Ghana geben. Eine ehemalige Gruppe der #FixTheCountry-Bewegung wird auch antreten. Dann entscheidet sich die Zukunft von Ghanas Jugend nicht mehr nur im Netz und auf der Straße, sondern auch in der Wahlkabine.