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Der Kuss

Lina (16), Vanessa (15) und das Liebesleben ihrer Generation, Teil 2: Die Pandemie hat für Lücken gesorgt – die bei einem Videoabend geschlossen werden

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Der Kuss

An diesem Wochenende geht wieder einiges bei Lina und Vanessa: Am Freitag der 16. Geburtstag einer Freundin, am Samstag eine andere Party. Anton ist da, Matteo auch. Sie sind alle befreundet, treffen sich unter der Woche fast jeden Abend. Aber Partys sind noch mal ein anderes Level.

Haarmaske, Gesichtsmaske, Körperpeeling, großes Fertigmachen für den Abend. Dann TikToks von sich machen. „Ich fühle mich durch die Videos noch mal mehr confident“, sagt Vanessa. Lina nickt.

Beziehungen, ob freundschaftlich oder romantisch, sind wie ein Gerüst. An ihm entlang testen sich die Jugendlichen aus, verhandeln miteinander, finden Sicherheit und lernen, Unsicherheit auszuhalten. Sie machen sich gegenseitig zum Wichtigsten. Denn sie ahnen, ohne es schon zu wissen: Diese Zeit kommt nicht zurück, aber bleibt für immer.

Corona-Aussetzer in Sachen Liebe

„Unsere Generation hat durch Corona einen Aussetzer in Sachen Liebe.“ Die Schulcrushes, das vorsichtige Herantasten, das Flirty-Sein: All die kleinen Vorstufen fehlen. „Entweder die Jungs wollen gleich mit dir zusammenkommen und lieben dich von null auf hundert über alles“, sagt Vanessa. „Oder sie verarschen dich einfach nur.“

Mehrere Studien belegen, dass die Einschränkungen in der Coronapandemie Jugendliche mit am stärksten getroffen haben. Eine der größten ist die COPSY-Studie, für die deutschlandweit junge Menschen zu ihrer psychischen Gesundheit und Lebensqualität befragt wurden. Laut ihr fühlten sich Anfang 2022 acht von zehn Kindern und Jugendlichen „ziemlich“ oder „äußerst“ psychisch belastet.

Lina und Vanessa haben in der Pandemie ihre Hobbys aufgegeben, das Tanzen und den Chor. „Nur noch vor der Kamera singen und tanzen hat irgendwann echt keinen Bock mehr gemacht. Ich habe mich zurückgezogen und wollte gar nicht mehr richtig raus“, sagt Vanessa. „Wir haben uns in fiktive Welten geflüchtet“, sagt Lina. In der Schule würde es seit der Pandemie auch eher schlechter laufen. Der Bock auf Singen und Tanzen ist bis heute nicht zurück, der auf Abhängen mit ihren Leuten dafür umso mehr.

Dieser Text ist im fluter Nr. 89 „Liebe“ erschienen

Sobald bei jemandem die Eltern nicht zu Hause sind, wird die Chance genutzt. Diese Woche steht ein gemeinsamer Filmabend an. Ein Horrorfilm.

Vanessa sitzt zwischen Lina und Matteo. Je heftiger der Killerclown wütet, desto näher rückt Vanessa an Matteo heran. „Ich hatte wirklich voll Angst.“ „Ja, ja, ist klar“, sagt Lina. „Ich hätte dich auch in den Arm nehmen können. Saß ja auch neben dir.“

Die Party am Freitag verbringt Lina in Antons Arm. „Die anderen haben sich schon über uns lustig gemacht und immer unsere Köpfe aneinandergedrückt. War uns zu blöd, da rumzumachen.“ Aber die nächste Party lässt ja zum Glück nicht lange auf sich warten.

Matteo macht Anton schon vorab eine Ansage. „Wenn du heute nichts mit Lina hast, bekommst du Schläge.“ Ein Scherz. Und eine Vorlage. Als die anderen auf einmal alle weg sind und nur noch Lina und Anton draußen auf der Bank sitzen. „Anton hat wieder seinen Arm um mich gelegt und gesagt: ‚Schläge von Matteo tun ganz schön weh.‘ Da hab ich es dann einfach gemacht.“

Lina ist glücklich. „Mal gucken, was das Leben jetzt bringt.“ Ein paar Tage später ist klar: nicht immer nur Gutes.

Wie es weitergeht? Das lest ihr in Teil 3.

Illustration: Renke Brandt

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.