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„Wie ein Exit-Game“

Kann Matheunterricht auch Spaß machen? Ein Interview mit der YouTube-Nachhilfelehrerin Susanne Scherer

MathemaTrick

fluter: Susanne, du bist eigentlich gelernte Mediengestalterin. Wie kommst du denn zur Mathematik?

Vor meiner Ausbildung zur Mediengestalterin habe ich einen Mathematik- Bachelor gemacht. Ich war bereits in der Schule sehr gut in Mathe, weil ich mich mit der Struktur und den Regeln wohlgefühlt habe. Außerdem hatte ich in der Oberstufe das Glück, einen richtig guten Mathelehrer zu haben. Nach der Stunde gab es immer eine schriftliche Zusammenfassung des Gelernten, damit man währenddessen nicht mitschreiben musste. So konnte ich mich auf den Stoff konzentrieren.

Wie ließe sich denn Mathe lebensnäher vermitteln?

Eine Möglichkeit wäre, Leute vom Fach in die Schule einzuladen. Input aus der Realität würde den Schülern zeigen, wofür sie Mathe später brauchen. Ich könnte mir zum Beispiel einen Vortrag von einem Steuerberater gut vorstellen, das kommt in der Schule zu kurz.

Das ist ja auch eine häufige Kritik am Matheunterricht. Statt sich lebensnah mit der Steuererklärung auseinanderzusetzen, muss man zum Beispiel Vektoren lernen. Braucht man das später im Leben überhaupt noch mal?

Kann schon sein. Tatsächlich hat mich neulich eine Freundin angerufen, die sich von mir die Vektorenrechnung erklären ließ. Sie brauchte diese für eine Arbeit in Psychologie. In einem Kommentar unter meinem Video stand mal: „Von allem, was man lernt, braucht man irgendwann nur noch 20 Prozent. Aber man weiß jetzt nicht, welche 20 Prozent.“

„Leute können sich unter einer ,Hochzahl‛ mehr vorstellen als unter einem Exponenten. Mir ist es wichtig, dass ich mit meiner Sprache niemanden abschrecke“

Welche Rückmeldungen bekommst du, was Schülerinnen und Schüler am Matheunterricht in der Schule stört?

Meist liegt das Problem gar nicht am Thema, sondern an den Grundlagen. Die wenigsten können zum Beispiel so etwas wie ein halb plus ein Drittel im Kopf rechnen. Oft erzählen mir die Leute, dass die Lehrer die Basics nicht noch einmal erklären. Lehrkräfte sollten jedoch nicht voraussetzen, dass jemand das Wissen aus der fünften Klasse in der zehnten Klasse noch beherrscht. Das geht einfach verloren, und das ist normal.

Siehst du darin auch einen Grund, warum so viele Angst vor Mathe haben?

Wer Mathe gut kann, gilt als intelligent. Ist das nicht der Fall, wird man schnell als dumm abgestempelt. Ich glaube, das hemmt viele, Fragen zu stellen. Gleichzeitig ist Mathe ein abstraktes Fach, das oft wenig mit unserem Alltag zu tun hat. Viele fragen sich: „Wozu soll ich das machen?“ Sie fühlen sich gefangen in diesem System und müssen da irgendwie durch. Besonders fehlt vielen der Bezug zur Realität im Matheunterricht.

Was versuchst du, in deinen Videos besser zu machen?

Ich versuche, alles sehr ausführlich Schritt für Schritt zu erklären. Außerdem spreche ich langsam, damit alle mitkommen. Einer hat einmal geschrieben: „Du erklärst es so, als wäre man ein bisschen dumm, aber das ist perfekt.“ Die Wortwahl, die ich benutze, ist nicht besonders wissenschaftlich, denn Leute können sich unter einer „Hochzahl“ viel mehr vorstellen als unter einem Exponenten. Mir ist es wichtig, dass ich mit meiner Sprache niemanden abschrecke. Ich merke auch, dass Matherätsel vielen Spaß machen. Sie können knobeln, lernen nebenbei noch viel Mathematik und merken es gar nicht. Es ist wie ein Exit-Game, bei dem man den Satz des Pythagoras braucht oder Primzahlen wissen muss.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.