Algen sind echt vielseitig: Sie reinigen Meere, Flüsse und Seen. Sie nehmen Stickstoff und Phosphat im Wasser auf und wandeln nebenbei große Mengen Kohlenstoffdioxid in Sauerstoff um. Sie enthalten Mineralien, Proteine, gesunde Fettsäuren und Vitamine, und im Sushirestaurant halten sie Reis und rohen Fisch zusammen. Als ob das alles nicht genug wäre, können die rund 80.000 bisher bekannten Algenarten noch deutlich mehr.
Kleine grüne Zellfabriken
Sogenannte Mikroalgen gehören zu den vielleicht größten Hoffnungsträgern auf der Suche nach nachhaltigen Rohstoffen. Sie könnten die Pharma-, Kosmetik-, Treibstoff- und Plastikindustrie revolutionieren. Die „kleinen grünen Zellfabriken“, wie sie Prof. Dr. Olaf Kruse vom Center for Biotechnology an der Universität Bielefeld nennt, haben aber nichts mit den Algen zu tun, die wir vom Urlaub am Meer kennen. Sie sind einzellige Organismen, die man nur unter dem Mikroskop erkennen kann.
Kruse und sein Team wollen herausfinden, wie man diese Mikroalgen für medizinische und kosmetische Zwecke nutzbar machen kann. „Wir bringen den Algen bei, das Enzym herzustellen, das wir für bestimmte Medikamente brauchen.“ Das Prinzip sei ähnlich wie bei den neuen mRNA-Impfstoffen: „Wir klauen die genetische Information bei einer Pflanze, die das Enzym herstellen kann, und setzen sie in die Alge.“ Produkte, die man so herstellen könnte, seien zum Beispiel Blutdrucksenker oder Medikamente zur Krebsbekämpfung. Für die Kosmetik ist es Kruse und seinem Team bereits gelungen, die Mikroalgen dazu zu bringen, einen Patschuliduftstoff herzustellen, der sonst nur aus dem Öl der namengebenden indischen Pflanze kommt.
Die Mikroalge braucht nicht viel
Wie die sichtbaren Makroalgen können auch die Mikroalgen Fotosynthese betreiben. Das macht die Produktion so nachhaltig. „Sie brauchen Licht, Kohlenstoffdioxid, Wasser und einige wenige Mineralien“, sagt Kruse. Selbst Treibstoffe kann man mit den Mikroalgen herstellen. Doch das ist leider nicht ganz günstig, weshalb sich die deutsche Automobilindustrie von der Idee wieder verabschiedet habe, so Kruse. In Japan – zum Beispiel bei Mazda – laufen Forschungen an einem nachhaltigen Mikroalgenkraftstoff aber noch.
Um die Mikroalgen gibt es aktuell noch einen anderen Hype. Als Pulver in Smoothies oder Kapseln versprechen Nahrungsergänzungsmittel ein jugendliches Aussehen, tolle Abwehrkräfte und sogar ein geringeres Krebsrisiko. Die Wirksamkeit dieser Mittelchen ist aber wissenschaftlich nicht hinreichend belegt. Vielversprechender könnte dieses Anwendungsgebiet sein: An der Universität Tübingen erforscht der 32-jährige Moritz Koch eine Art von Mikroalgen, aus der man abbaubares Bioplastik gewinnen kann. Damit das Plastik in brauchbaren Mengen produziert werden könnte, bräuchte es aber riesige Anlagen, in denen die Mikroalgen unter besten Bedingungen ihre Arbeit machen können. „Wir haben nur gezeigt, wozu die Mikroalgen imstande sind“, sagt Koch, „es ist noch keine Plastiktüte vom Band gegangen.“ Aber Plastiktüten will man ja eh nicht mehr.