Angefangen hat alles in der Küche. Zuerst habe ich die Spülbürste ausgetauscht: das übliche Plastikmodell gegen die hölzerne Variante mit austauschbarem Bürstenkopf. Es folgte ein wiederverwendbarer Kaffeefilter aus Stoff und biologisch abbaubare Mülltüten. Meine Klamotten kaufte ich in diversen Secondhandshops und auf Vintage-Onlineplattformen, stets dem Öko-Mantra „Qualität statt Quantität“ folgend.
Auf dem Girokonto liegt mein Geld doch auch gut, oder? Was Banken mit unserem Geld machen, ist schwer herauszufinden
Noch heute, ein paar Jahre später, habe ich vieles davon beibehalten. Einzig die biologisch abbaubaren Mülltüten mussten aufgrund des Risikos, dass sie noch im Mülleimer ihren Zersetzungsvorgang beginnen und mich damit in den Wahnsinn treiben, wieder weichen.
Hinzu kam der Beschluss, nur noch einmal im Jahr zu fliegen – wenn überhaupt. Ich mache all dies aus Überzeugung, doch darum soll es hier nicht gehen. Vielmehr um die Sache, um die ich mich lang gedrückt hatte: die Sache mit meinem Geld. Denn der Großteil meines Geldes liegt auf Konten bei der Bank.
Jeden Monat investiere ich einen bestimmten Betrag und lege ihn in Exchange Traded Funds (kurz: ETFs) an. Die Fonds bilden Indizes nach, indem sie Wertpapiere aller Unternehmen, die in dem jeweiligen Index enthalten sind, kaufen. Es gibt zum Beispiel ETFs, die den Deutschen Aktienindex (DAX) nachbilden. Deren Wert entwickelt sich genauso wie der DAX. Der Vorteil solcher ETFs ist, dass sie nicht aktiv von jemandem gemanagt werden müssen und deshalb weniger Kosten anfallen. Sie eignen sich zum „passiven“ Investieren, etwa wenn man wenig Zeit hat, aber trotzdem Geld anlegen möchte – so wie ich für meine Altersvorsorge. Für mich war wichtig, dabei auf Nachhaltigkeit zu achten: Ich wollte mit meinem Geld keine Unternehmen unterstützen, die beispielsweise mit fossilen Brennstoffen und Ausbeutung von Arbeitnehmerinnen ihr Geld verdienen, während ich davon profitiere.
So ergaben sich zwei Punkte auf meiner zugegeben kurzen To-do-Liste. Erstens: der Wechsel zu einer nachhaltigen Bank. Zweitens: das Ergrünen meines Portfolios – oder schlicht gesagt: eine nachhaltige Umschichtung meiner Geldanlagen, denn nichts anderes listet ein Portfolio auf. Zunächst widmete ich mich dem Bankwechsel, dann war mein Portfolio dran.
„ETF“ und „SRI“ und „ESG“ – ohje, ohje
Glücklicherweise hatte ich bereits ein Depot, also einen digitalen Lagerort für meine Geldanlagen, über das ich seit einigen Monaten fleißig in meinen ETF-Sparplan investierte. Wie beim Bankwechsel musste ich auch hier ins laufende Geschehen eingreifen – und dachte, mit ein bisschen Orientierung und Empfehlung funktioniert das schon.
Finanzbloggerinnen im Internet empfehlen, einen Blick auf die Kriterien und Anlagekonzepte der ETFs zu werfen. Dabei helfen können zwei Abkürzungen, auf die man bei der Onlinesuche nach nachhaltigen Investments schnell trifft: „SRI“ und „ESG“. Beide stehen allgemein für nachhaltiges Investieren, wobei SRI für „Socially Responsible Investment“ steht, während ESG Umwelt (Environmental), Soziales (Social) und Unternehmensführung (Governance) bedeutet.
Doch das Problem ist, dass es keine einheitlichen Vorgaben für SRI, ESG und die Frage, was eigentlich als nachhaltig gilt, gibt. Im Fall von „grünen“ ETFs scheiden bei der Zusammenstellung manchmal nur die offensichtlich kontroversen Unternehmen aus, wie zum Beispiel jene aus der Waffenindustrie. Was aber etwa die CO2-Emissionen von Unternehmen angeht und wie viel sie für den Klimaschutz tun, wird nicht immer einbezogen oder überhaupt bewertet. Oft werden auch diejenigen, die zwar für sich stehend schlecht, aber immer noch als beste ihrer Branche abschneiden, aufgenommen. Das nennt sich „Best-in-Class“-Prinzip. So schaffen es dann auch Konzerne aus der Öl- und Kohleindustrie in einen als „nachhaltig“ gekennzeichneten ETF. Einige Expertinnen werfen den Anbieterinnen solch nachhaltiger ETFs daher Greenwashing vor.
Wie grün ist grün genug?
Ob ein ETF unter „SRI“- oder „ESG“-Kriterien zusammengestellt wurde, verrät sein Name. Neben dem Anbieter werden darin auch der Name des Index, den der ETF nachbildet, sowie einige regulatorische Merkmale erwähnt. Auch die Abkürzungen „ESG“ oder „SRI“ werden in den Namen aufgenommen. Aber einfach nur auf ESG und SRI in Namen eines ETF zu achten, das funktioniert eben nicht.
Mein Portfolio sollte so grün und nachhaltig wie möglich sein. Kein einfaches Vorhaben, denn dafür musste ich auch die Unternehmens- und Nachhaltigkeitsberichte der einzelnen Unternehmen eines ETFs anschauen und begriff: Ich musste mir selbst erst mal klar werden, was „grün und nachhaltig“ für mich eigentlich bedeutet – und wo ich Abstriche machen will. Ich will keine Kinderarbeit, Verstöße gegen die Menschenrechte und Waffen unterstützen, sondern Klimaschutz, faire Arbeitsbedingungen und ethische Forschungsprinzipien. Doch ich hatte mich so sehr darauf versteift, „grün“ investieren zu wollen, dass es mich schließlich über Monate daran hinderte, überhaupt auch nur ein bisschen nachhaltiger anzulegen. Stattdessen hielt ich alles, was ich las, für nicht nachhaltig genug, um meine Geldanlagen in konventionellen ETFs endlich umzuschichten.
Schließlich schrieb ich eine Liste mit Kriterien, die mir persönlich am wichtigsten waren. Nicht mehr zu investieren war und ist für mich keine Option. Stattdessen las ich den Test der Stiftung Warentest zu nachhaltigen Fonds und verglich auf mehreren Websites, unter anderem „JustETF“, „Forum Nachhaltige Geldanlagen“ und „Faire Fonds“, die Infos und Bewertungen meiner Favoriten-ETFs. Demnach bestand mein Favorit zu 4,73 Prozent aus kontroversen Unternehmen, wobei das vor allem den Bereich Klimaschutz betraf. Also doch noch ein bisschen Zahnschmerzen, aber für mich persönlich aushaltbar. Und so schichtete ich endlich um.
Ich. Kann. Nicht. Mehr.
Mein neues Portfolio ist immer noch nicht maximal grün, aber hoffentlich ein wenig nachhaltiger als früher. Hätte ich noch mehr Zeit investieren müssen? Vermutlich. Hätte ich die Muße dazu gehabt? Eher nicht. Nach wochenlanger Recherche bin ich überzeugt, dass es für die meisten Verbraucherinnen sehr schwer sein dürfte, ohne Hilfe wirklich nachhaltig anzulegen.
Helfen kann da nur eine verbindliche Definition, was „nachhaltig“ bedeutet. Und es müssten Indizes geschaffen werden, die nach eindeutigen Kriterien auswählen, welche Firmen nachhaltig genug sind, um sie einzuschließen, und unabhängige Kontrollen und Kontrollinstanzen, um deren Einhaltung zu garantieren. Die Firmen, die in solchen Indizes berücksichtigt werden, müssen außerdem ein gewisses Gewicht an der Börse haben. Und damit sich ein Investment in einen ETF auf Basis eines solches Index auch lohnt, sollten eben viele verschiedene Unternehmen aus verschiedenen Branchen im Index dabei sein. Die Fondsgesellschaften, in deren ETFs man investiert, können außerdem einen Einfluss auf die Unternehmen im ETF haben. Sie besuchen zum Beispiel deren Hauptversammlungen und könnten dort in Abstimmungen Einfluss ausüben, um die Firmen nachhaltiger zu machen.
Trotzdem hat die Auseinandersetzung mit dem Thema mein Bewusstsein gestärkt, auf Nachhaltigkeit und ethisches Verhalten zu achten. Und auch wenn mein Portfolio längst nicht so kraftvoll dunkelgrün ist, wie ich es gerne hätte, so ist ein bisschen Nachhaltigkeit besser als gar keine.
Illustration: Frank Höhne