„Man kann nicht in die Zukunft schauen, aber man kann den Grund für etwas Zukünftiges legen – denn Zukunft kann man bauen.“ Das hat Antoine de Saint- Exupéry mal gesagt. Der Autor der Märchengeschichte vom „Kleinen Prinzen“ ist Namenspate für einen Bahnhof in Lyon, der ebenso visionär erscheint wie dessen Zitat: Wie ein gigantisches Stachelschwein aus Stahl und Glas legt sich der „Gare de Lyon-Saint-Exupéry TGV“ über die Gleise im Osten der französischen Metropole.
Das wirklich Abgefahrene an dem Bahnhof ist aber gar nicht so sehr die moderne Architektur, sondern die Tatsache, wie schnell man von hier aus in Paris ist: Nicht einmal zwei Stunden braucht der Schnellzug TGV für die rund 480 Kilometer lange Strecke. Zum Vergleich: Ein ICE benötigt für die annähernd gleiche Distanz von Berlin nach Dortmund 3 Stunden und 20 Minuten. In dieser Zeit düst man locker von Paris bis ans Mittelmeer. Und mit 574,8 Stundenkilometern bei einer Testfahrt hält der französische Staatskonzern SNCF seit zehn Jahren auf der Schiene den Weltrekord.
Frankreich hat zwei Gesichter: das traditionelle und das moderne wie das gigantische Stachelschwein in Lyon. Lange bevor die ersten deutschen Städte sich getraut haben, richtige Fahrradverleihsysteme einzuführen, radelten die Bewohner von Rennes und Orléans schon mit Leihrädern durch die Straßen. Heute gibt es in Dutzenden französischen Städten solche Systeme. Auch bei der Wiederbelebung von Straßenbahnen preschte Frankreich vor – und heute gleiten die Trams hier teils ohne sichtbare Stromleitungen durch die Stadt.
Die Umwelt ist im Land des Atomstroms (siehe Artikel "Strahlkraft" im Heft Seite 46) sowieso zum großen Thema geworden. So gilt seit 2015 ein Gesetz zum „Energiewandel und für ein grünes Wachstum“, das den Ausbau von erneuerbaren Energien ankurbeln und den Energieverbrauch bis 2050 trotz wachsender Bevölkerung gegenüber 2012 um die Hälfte senken soll. Im wahrsten Sinne des Wortes erfahrbar werden Frankreichs Ambitionen auf dem Gebiet der erneuerbaren Energien auf einer Straße in der Normandie: Auf einem Kilometer Länge wurde dort letztes Jahr die erste Solarstraße der Welt in Betrieb genommen. Statt auf Asphalt fahren die Autos auf besonders stabilen, 15 x 15 cm großen Fotovoltaik-Modulen. 20 Quadratmeter sollen ausreichen, um einen Haushalt mit Strom zu versorgen.
Und seit Kurzem gilt Frankreich auch als Vorreiter im Kampf gegen Plastikmüll; nach dem Verbot von dünnen Plastiktüten im Jahr 2016 soll es ab 2020 auch kein Einwegplastikgeschirr mehr geben, schreiben französische Medien. Wirtschaftlich könnte sich Frankreichs Kurs auszahlen. Zwar sind es dort wie auch hier vor allem Autos und Maschinen, die exportiert werden – und Flugzeuge. Doch stehen gerade in den ehemaligen Kolonien auch Frankreichs Züge und Straßenbahnen hoch im Kurs. So werden in Algerien derzeit überall Tramnetze nach französischem Vorbild gebaut. Und in Marokko ist SNCF am Bau eines Netzes für Hochgeschwindigkeitszüge beteiligt. TGV-Züge sollen ab 2018 mit bis zu 320 km/h von Tanger in Richtung Casablanca brausen.
Während Deutschland berühmt ist für sein Autobahnnetz, auf dem man richtig rasen kann, setzen die Franzosen vermehrt auf die Schiene. Oder um bei Saint-Exupéry zu bleiben: Zukunft bauen beide – nur eben eine andere.