fluter: Du bist jetzt also reich. Wie fühlt sich das an?
Felix: Das ist bislang noch total abstrakt für mich. Ich denke über mein Erbe so gut wie nicht nach. Im Moment bin ich froh, wenn ich meinen Job und meine Dissertation unter einen Hut bekomme.
fluter: Wie kam das denn eigentlich, dass du geerbt hast, obwohl dein Vater noch lebt?
Eines Tages kam mein Vater auf mich zu, sagte, wir müssten jetzt mal demnächst gemeinsam zum Notar gehen und ein paar Dinge regeln. Es war ihm wichtig, dass es noch Ende des gleichen Jahres passierte. Ich habe gefragt, warum, und er erzählte, dass es vielleicht bald eine höhere Erbschaftssteuer gibt. Das war schon ein bisschen bizarr.
fluter: Habt ihr den Staat betrogen?
Meines Wissens nicht. Mein Vater ist grundsätzlich ein ehrlicher Geschäftsmann. Es war vielleicht moralisch nicht einwandfrei, aber legal.
fluter: Findest du das eigentlich gerecht? Dein Vater hat dadurch ja Steuern gespart …
Ich sehe das insgesamt kritisch. Ich bin eigentlich für eine höhere Erbschaftssteuer. Ich glaube, dass die soziale Ungleichheit in Deutschland zunimmt und Erbschaften das Problem verschärfen. Mir wäre ein System lieber, in dem es nicht mehr so einfach möglich ist, seinen Reichtum weiterzugeben. Ich weiß, dass das widersprüchlich klingt, aber es wäre mir gleichzeitig schwergefallen, meinem Vater zu sagen: Ich will das nicht, weil ich das nicht richtig finde. Ich habe mich seinem Wunsch einfach gefügt.
fluter: Bist du auf dein Erbe vorbereitet worden?
Nein, wir haben über so was nie in der Familie gesprochen. Mir war natürlich schon bewusst, dass ich Einzelkind bin und mein Vater es mit seiner Firma zu einem gewissen Vermögen gebracht hat.
fluter: Was genau hast du denn da erhalten?
Vor ein paar Jahren habe ich schon mal eine Eigentumswohnung von meinem Vater geschenkt bekommen. Und dann wurden mir seine Anteile an der Firma überschrieben, die er in den 1970er-Jahren gegründet hat. Es ist ein mittelständisches Unternehmen, das im Bereich Corporate Design tätig ist.
fluter: Was ist die Firma denn wert?
Ganz ehrlich: Ich kann es nicht genau sagen. Sie hat um die 100 Mitarbeiter und macht rund 50 Millionen Euro Umsatz im Jahr. Aber mit den genauen Zahlen und dem operativen Geschäft habe ich nichts zu tun.
fluter: Eigentlich könntest du doch jetzt auch für den Rest deines Lebens Urlaub machen. Du müsstest doch nicht mehr arbeiten, oder?
Rein theoretisch müsste ich für meinen Lebensunterhalt nicht mehr arbeiten. Aber das will ich gar nicht. Außerdem würde es mir mein Vater nicht verzeihen. Mein Erbe ist mit allen erdenklichen Klauseln abgesichert. Es gibt zum Beispiel den Fall des „groben Undanks“. Das bedeutet, dass mir mein Erbe schlimmstenfalls wieder weggenommen werden kann: Sollte ich meinen Vater beleidigen oder hintergehen, dann ist es potenziell wieder weg. Faul werden, die Firmenanteile verkaufen und das Geld verprassen sollte ich also lieber nicht.
fluter: Hast du dir in deinem Leben noch nie Sorgen um Geld gemacht?
Sorgen im existenziellen Sinne nicht. Aber eins muss ich klarstellen: Ich bin niemand, der mit dem goldenen Löffel im Mund aufgewachsen ist. Es ist immer klar gewesen, dass ich eine Ausbildung mache und danach arbeite. Ich sollte und wollte mir mein Leben selber finanzieren. Aber klar, ich würde wahrscheinlich lügen, wenn ich sagen würde, dass mich das finanzielle Polster meiner Eltern in meinen Entscheidungen nicht beeinflusst hat.
fluter: Was denkst du, wenn du Leute triffst, die schlechtere Startbedingungen hatten als du?
Ich habe immer Respekt vor ihnen gehabt. Ich bin Geisteswissenschaftler und nicht davon ausgegangen, dass mich mein Studium in eine lukrative Position befördert. Wahrscheinlich hat es mich in meiner Studienwahl schon beeinflusst, dass ich wusste, ich lande am Ende nicht auf der Straße. Ich fand es immer mutig, wenn meine Kollegen und Kommilitonen den gleichen Weg ohne so eine Absicherung gegangen sind.
fluter: Hast du denn eine Idee, was du später mit dem ganzen Geld machen willst?
Nicht wirklich. Das fühlt sich eher wie ein Notausgang an. Wenn’s mal mit der eigenen Karriere nicht mehr laufen sollte, kann ich mir anschauen, was das für Möglichkeiten eröffnet. Etwas Gemeinnütziges zu machen ist natürlich immer ein schöner Gedanke. Ich könnte ja ein Stiftung gründen, die Geisteswissenschaftler in der Endphase ihrer Doktorarbeit unterstützt. So etwas bräuchte ich nämlich im Moment.
*Name geändert
Erbschaft und Steuern
Auch Erbschaften sorgen dafür, dass sich Reichtum innerhalb unserer Gesellschaft fortpflanzt. Laut Schätzungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung könnten zwischen 2012 und 2027 bis zu 400 Milliarden Euro pro Jahr verschenkt und vererbt werden. Der Staat verlangt davon auch einen Anteil. Wie hoch die Erbschaftssteuer ist und ob sie überhaupt erhoben wird, hängt erst mal davon ab, wer etwas in welcher Höhe erbt und was genau geerbt wird. Kinder, Ehepartner, eingetragene Lebenspartner und Enkel eines verstorbenen Menschen zahlen zum Beispiel weniger Steuern als Nichten, Neffen und Geschwister. Oft wird überhaupt keine Steuer erhoben, weil es Freibeträge gibt: Kinder dürfen 400.000 Euro erhalten, ohne etwas abgeben zu müssen, Ehepartner 500.000. Wer zu Lebzeiten etwas an seine Verwandten verschenkt, kann ebenfalls von Freibeträgen profitieren. Liegt der Wert dessen, was ein Kind von seinen Eltern – über den Freibetrag hinausgehend – erbt, bei beispielsweise 70.000 Euro, zahlt es darauf sieben Prozent Steuern. Bei 26 Millionen sind 27 Prozent fällig – theoretisch zumindest. Es gibt nämlich zudem zahlreiche Ausnahmen und Sonderregeln. Umstritten ist etwa das Thema Familienunternehmen: Erben von Firmen, die viele Millionen wert sind, zahlen wenig Steuern, wenn sie das Unternehmen fortführen und somit Arbeitsplätze erhalten. Im Jahr 2016 wurden in Deutschland 43,6 Milliarden Euro vererbt. Die darauf gezahlte Erbschaftssteuer betrug 5,7 Milliarden.
Titelbild: Martin Parr/Magnum Photos/Agentur Focus