Brennende Autos und brennende Wälder haben in Schweden in den vergangenen Wochen viel Platz in den Medien eingenommen – und könnten den Ausgang der Wahl am 9. September beeinflussen. „Die Waldbrände zeigen den Schweden, dass der Klimawandel real ist. Sie geben den Grünen einen Schub“, urteilt Gunnhildur Magnusdottir, Politikwissenschaftlerin an der Uni Malmö. „Von den Unruhen profitieren hingegen die Schwedendemokraten.“
In den letzten vier Jahren hat sich der SD-Stimmenanteil verdoppelt
Aktuellen Umfragen zufolge haben die rechtspopulistischen Schwedendemokraten (SD) gute Aussichten, mit rund 20 Prozent der Stimmen hinter den Sozialdemokraten (25 Prozent) erstmals zweitstärkste Kraft zu werden. „Zusammen mit den Moderaten und Christdemokraten könnten wir eine Art konservativen Block bilden“, so SD-Parteichef Jimmie Åkesson. Die konservativen Moderaten können sich eine Zusammenarbeit vorstellen. Für sie ist es die einzige Chance, um an die Macht zu kommen und die derzeitige rot-grüne Minderheitsregierung abzulösen.
Die Schwedendemokraten entstammen der gewaltbereiten Naziszene der 1980er-Jahre. Anders als die rechtspopulistischen Parteien in Dänemark und Norwegen haben sie ihre Wurzeln nicht im ultraliberalen Kampf gegen den nordeuropäischen Steuerstaat. Mit dem heutigen Vorsitzenden Jimmie Åkesson hat sich die Partei gewandelt und ist mehrheitsfähiger geworden. Die SD versuchen auf Distanz zur Neonaziorganisation „Nordische Widerstandsbewegung“ (Nordiska motståndsrörelsen, NMR) zu gehen. Die Verbindungen bestehen jedoch fort. Immer wieder wird aufgedeckt, dass SD-Mitglieder die NMR unterstützen oder auf deren Webseiten schreiben – ein NMR-Mitglied sitzt sogar für die SD in einem Kommunalparlament.
Landesweit hat sich in den letzten vier Jahren der SD-Stimmenanteil beinahe verdoppelt. Ihnen laufen Wähler von Sozialdemokraten und konservativen Moderaten zu, die einer aktuellen Umfrage zufolge mit den SD ungefähr gleichauf liegen. Laut einer Untersuchung des Stockholmer Instituts für Zukunftsstudien liegt das daran, dass eine diffuse Zukunftsangst herrscht und die Schwedendemokraten Probleme mit der Integration von Einwanderern offener ansprechen. Zugleich bestärkt die Partei den Eindruck, dass in Schweden vieles nicht funktioniert. Aus diesem Grund wenden sich viele Wähler von den traditionellen Parteien ab. Dabei geht es, bezogen auf Wachstum, Einkommen und Arbeitslosigkeit, nicht nur dem Land und den Leuten generell gut, sondern auch den SD-Wählern, so die Studie.
In diesem Sommer brannten in Göteborg und Stockholm mehrere Dutzend Autos, angezündet von Jugendlichen. Die Bilder in den Medien schockierten, die Vorfälle dominierten die Schlagzeilen. Ähnliche Bilder gab es auch in den letzten Sommern immer wieder. Anfang 2017 hatte sogar US-Präsident Trump vor „schwedischen Zuständen“ gewarnt. Damals bezog er sich auf das Video „Stockholm Syndrom“, ein Bericht des Senders Fox News mit vielen Falschinformationen. Darin hieß es, es gebe in Schweden No-go-Areas sowie Horden krimineller Einwanderer, die Städte und Musikfestivals unsicher machen würden. „Es stimmt nicht, dass wir uns in gewisse Gebiete nicht trauen“, so der Polizeiinspektor Tomas Aggebrandt aus Malmö. Vor zehn Jahren habe es mal eine Phase gegeben, wo stets zwei Polizeiwagen an bestimmten Orten aufgetaucht seien, die Rede von aktuellen No-go-Zonen für die Polizei sei aber nicht korrekt. Wem solche Diskussionen Aufwind geben? Den Schwedendemokraten.
Das Copyright auf Rechtspopulismus haben trotzdem die SD
Viele Medien und Politiker der etablierten Parteien haben sich lange geweigert zu diskutieren, ob die Integration von Einwanderern in Gesellschaft und Arbeitsmarkt gut genug funktioniert. Im Verhältnis zur Einwohnerzahl (10 Millionen) hat Schweden in der Hochphase der sogenannten Flüchtlingskrise europaweit die meisten Flüchtlinge aufgenommen. Allein 2015 waren es 162.000. Der konservative Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt hatte 2014 angekündigt, eine große Menge Flüchtlinge willkommen heißen zu wollen.
Diese offene Politik ist seit ein paar Jahren vorbei. Seitdem wird das Thema „Integration“ in der schwedischen Politik viel diskutiert. Und die SD sind oft Wortführer: Fluchtgründe werden von ihnen angezweifelt, im Extremfall pauschal abgetan. „Niemand von denen, die hierherkommen, ist vor Krieg geflohen“, so der SD-Lokalpolitiker Kurt Olsson im schwedischen Fernsehen. Und er fügt hinzu: „In Syrien gibt es keinen Krieg.“
Die SD wollen kaum noch Asylbewerber aufnehmen und fordern einen Austritt aus der EU. Vor allem ihre Vorschläge zur Asylpolitik fallen derzeit auf fruchtbaren Boden. Die SD sind so erfolgreich, dass die Konservativen und Sozialdemokraten sich den Positionen der SD immer mehr annähern. „Die ahmen nur nach, die Schwedendemokraten haben aber sozusagen das Copyright auf das Programm“, so Anders Hellström, Politikwissenschaftler an der Uni Malmö. Allerdings ist für die Mehrheit der Bevölkerung das Thema Integration gar nicht das Wichtigste. Am meisten beschäftigt sie eine andere Frage: die Gesundheitspolitik.
Weitere Fragen zur Politik in Schweden beantwortet unser FAQ „Schweden vor der Wahl“
Fotos: Espen Rasmussen/Panos