Am 21. Juni postete Jacinda Ardern die mit Spannung erwartete Nachricht auf Instagram: „Willkommen in unserem Dorf, Kleines.“ Dazu ein Foto von Ardern, ihrem Lebenspartner Clarke Gayford und Töchterchen Neve. So weit, so gewöhnlich für eine Geburtsankündigung. Aber: Jacinda Ardern ist nicht irgendwer, sie ist die neuseeländische Premierministerin – und nach der ehemaligen pakistanischen Premierministerin Benazir Bhutto erst die zweite Regierungschefin weltweit, die im Amt ein Kind bekommen hat.
Als Ardern im Januar 2018 verkündete, sie erwarte ein Kind – drei Monate nach ihrer Vereidigung als Premierministerin –, brach eine Baby-Manie aus. Die Medien sprachen vom „Royal Baby“ und analysierten, welche Vorteile das bei den nächsten Wahlen für Arderns Labour Party haben könnte.
Ardern, mit 37 Jahren international die jüngste Regierungschefin, wurde auch als Idol hochgejubelt. Danach gefragt, wie sie es geschafft habe, eine Regierung zu bilden, während sie mit Morgenübelkeit kämpfte, antwortete Ardern: „Ich bin nur schwanger, nicht unfähig.“ Und: „Ich bin nicht die erste Frau, die arbeitet und ein Baby hat.“
Wenn Männer im Amt Vater werden, wird ihre Kompetenz nicht infrage gestellt
Das Beispiel Jacinda Ardern und die überwiegend positiven, aber auch kritischen Reaktionen auf ihre Schwangerschaft zeigen einerseits, dass die gesellschaftlichen Diskussionen um Gleichberechtigung weit gekommen sind. Aber sie zeigen andererseits auch, dass gerade Frauen in Spitzenpositionen immer wieder zu beweisen scheinen müssen, dass sie es können, obwohl sie Frau sind. Auch weil im Jahr 2018 die Verantwortung für die Kinder von vielen noch oft bei den Müttern gesehen wird. Bei Männern im Allgemeinen und männlichen Regierungschefs im Besonderen scheint die Kompetenz hingegen nicht so oft infrage gestellt zu werden: Bei Tony Blair spekulierte 2000 niemand, ob die Geburt seines vierten Kindes sich negativ auf seinen Job auswirken könne, und auch Justin Trudeau musste keine Fragen beantworten, ob sein 2014 geborener Sohn ein Hindernis im Wahlkampf darstellen würde.
Dass es bei ihr als Frau darum gehen würde zu beweisen, dass sie ihren Pflichten auch mit Kind nachkommen kann, hat Jacinda Ardern vorhergesehen – schließlich wurde sie im Wahlkampf öffentlich nach ihren Babyplänen gefragt. Ihre Lösung: Bevor sie ihre Schwangerschaft offiziell machte, legte sie sich einen genauen Plan zurecht. Sie wollte, so Ardern, dass die Menschen wissen, „dass ich diesen Job sehr ernst nehme“.
Die Politikerin solle mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen, finden Kritiker
Der Plan sah so aus: Ardern arbeitete bis kurz vor der Geburt, übergab die Staatsgeschäfte dann an den stellvertretenden Premierminister Winston Peters und verabschiedete sich für sechs Wochen in den Mutterschaftsurlaub. Sie blieb weiterhin erreichbar und in Kontakt mit Peters sowie dem Kabinett – sie sei schließlich nicht „tot“, stellte Ardern klar. Nach ihrer Rückkehr an den Kabinettstisch wird ihr Partner Clarke Gayford Elternzeit nehmen. Während die einen die Rollenaufteilung zwischen Ardern und Gayford inspirierend und modern finden, bemängeln andere, die Politikerin solle doch mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen.
Und Ardern? Die zieht ihr Ding durch. Vor kurzem begrüßte sie per Videobotschaft vom heimischen Sofa aus die Einführung familienpolitischer Reformen durch ihre Regierung. Baby Neve hielt sie dabei im Arm.
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