Leeres Trinkgeldglas neben einem Stapel Teller

Stimmt so, danke!

Wie blickt man aufs Trinkgeld, wenn man selbst welches bekommt? Sechs Protokolle aus dem Arbeitsalltag: über enttäuschte Erwartungen, monetäre Motivation und praktische Preisgestaltung

Fotos und Protokolle: Hahn + Hartung
25. Februar 2025

Maria hinter den Tresen
Maria, Barista

Viele Menschen wissen, dass Jobs in der Gastronomie meistens schlecht bezahlt sind. Deshalb glaube ich, dass einige auch aus Mitgefühl Trinkgeld geben. Am meisten geben meiner Meinung nach Leute, die selbst mal in der Gastro gearbeitet haben.

In Restaurants oder Bars bekommt man mehr Trinkgeld als im Café. Hier bekommen wir zu zweit vielleicht 20 Euro am Tag – wie viel genau, hängt auch davon ab, ob die Leute ihren Kaffee to go nehmen oder bedient werden. Seitdem die Preise gestiegen sind, ist es jedenfalls noch weniger geworden. 

Was ich nicht gut finde: dass mittlerweile viel bargeldlos bezahlt wird, aber das System noch nicht auf Trinkgeld optimiert ist. Wenn man bei uns mit Karte zahlt, kann man den Preis nicht aufrunden, also geben die Leute weniger Trinkgeld – und dann möchte das Finanzamt auch noch, dass wir Steuern darauf bezahlen.

Wir kriegen hier ungefähr den Mindestlohn. Und dazu gibt es pro Lieferung meistens einen Euro Trinkgeld. Manche geben auch drei oder vier Euro, andere dafür gar nichts. An einem Achtstundentag kommt man im Durchschnitt auf circa 25 Auslieferungen. Aber je mehr Aufträge wir bearbeiten und ausliefern, desto öfter kommt Trinkgeld obendrauf. Das motiviert einen dann schon! 

Wenn ich für eine Lieferung in den fünften Stock laufen muss und dann kein Trinkgeld bekomme, enttäuscht mich das schon ein bisschen. Natürlich ist es keine Pflicht, Trinkgeld zu geben. Aber angesichts der schweren Tasche, die wir auf dem Rücken tragen, sollte unsere Arbeit mehr einbringen als nur den Mindestlohn. Trinkgeld zu bekommen, gibt mir das Gefühl, dass mein Job das wert ist, was er mir abverlangt.

Mehmet
Mehmet, Fahrer für einen Online-Supermarkt

Maurizio
Maurizio, Rikschafahrer

Es sollte keine Pflicht sein, Trinkgeld zu geben. Ich persönlich gebe auch nur etwas, wenn ich zufrieden bin oder eine gute Leistung erhalten habe. Für mich ist Trinkgeld ein Weg zu zeigen, dass jemand einen guten Job gemacht hat.

In den USA sind 20 Prozent Trinkgeld üblich, deshalb bekomme ich von Amerikanern auch in der Regel mehr. Bei Deutschen habe ich den Eindruck, dass Leute aus dem Süden mehr geben als Norddeutsche. Von Italienern – ich bin übrigens selbst Italiener – bekomme ich in der Regel kein oder nur wenig Trinkgeld, von Chinesen beispielsweise auch.

Oft sind die Preise schon so angepasst, dass es fast automatisch eine bestimmte Summe Trinkgeld gibt. Bei uns kostet eine Stunde Rikschafahren zum Beispiel 48 Euro. Da runden die meisten dann einfach auf 50 auf.

Als Floristin an einem Blumenstand arbeite ich direkt vor den Kunden; sie stehen vor mir, warten und können mir zuschauen. Und ich bemühe mich jedes Mal, etwas Schönes und Persönliches zu machen. Der Kunde kauft nicht nur einen Blumenstrauß, er bekommt etwas, in dem mein Herz steckt. 

Aber wir bekommen nicht viel Trinkgeld, nur ein paar Euro am Tag. Da frage ich mich schon, weshalb man in manchen Jobs viel Trinkgeld bekommt und in anderen gar keines. Das ist eine sehr willkürliche und kulturelle Angelegenheit. Ich hoffe, unsere Trinkgeldsituation ändert sich und mehr Leute verstehen, dass wir mehr als nur ein materielles Produkt anbieten – nämlich die Qualität unserer Handarbeit.

Carlota
Carlota, Floristin

Ani
Ani, Rezeptionistin bei einem Friseur

Bei mir war Trinkgeld eigentlich nie vorgesehen. Aber irgendwann hat einer meiner Kollegen gesagt, dass ich hier ja eigentlich alles zusammen halte und die Kunden betreue, und ein Sparschwein für mich gekauft. Ich spare mein Trinkgeld eigentlich fast immer und zähle es deshalb gar nicht. Ich hab da so eine Angst, dass es sonst Unglück bringt.

Generell finde ich das System Trinkgeld gut, weil damit einfach noch mal eine Leistung honoriert wird. Ich habe über 15 Jahre in der Gastro gearbeitet, und da ist es ja so, dass beim Gehalt schon davon ausgegangen wird, dass man Trinkgeld erhält – aber damit kann man jetzt bei der Inflation nicht mehr wirklich rechnen. Bloß: Ohne können viele gar nicht überleben.

Prinzipiell würde ich nicht anders arbeiten, wenn es kein Trinkgeld mehr geben würde. In dem Club, in dem ich an der Bar gearbeitet habe, wollte ich zum Beispiel jeden Gast spüren lassen, dass er mir etwas bedeutet. Deshalb fand ich es unheimlich wichtig, dass man diesen Spirit nicht verliert – gerne Drinks zu machen, Menschen durch die Nacht zu begleiten, auch mal zu sagen: „Hey du hast genug.“ Dass es nicht nur um den Umsatz geht! Und genauso sehe ich das auch hier im Friseursalon. Mir ist es wichtig, für die Leute da zu sein, unabhängig vom Trinkgeld.

Es ist nicht richtig, wenn Trinkgeld das eigentliche Einkommen ergänzen soll, weil es sonst zu niedrig ist. Wenn es aber als eine reine Wertschätzung des Service betrachtet wird, finde ich es gut.

Bei uns hängt es sehr vom Tag, den Gästen und den Uhrzeiten ab, wie viel Trinkgeld wir kriegen. Manchmal kommen wir auf 30, 40 Euro an einem Tag, meistens sind es aber weniger als 10 Euro. In anderen Bereichen bekommt man wahrscheinlich mehr. Am meisten geben Leute, die generell mehr Geld haben. Wer weniger wohlhalbend ist – junge Leute beispielsweise –, hat keine Möglichkeit, viel Trinkgeld zu geben, was ich selbst auch nachvollziehen kann. Meine Freundin und ich geben gerne Trinkgeld, auch wenn wir nicht so viel verdienen.

Ich fände es besser, wenn von vornherein klar festgelegt wäre, wie viel Trinkgeld man bekommt. Dann kann man sich nach einem langen, anstrengenden Tag wenigstens darauf einstellen und freuen. 

Pizza
Stephen, Pizzaiolo