Blick in den stillgelegten Schacht Konrad

Endstation Endlager?

Man traut sich kaum zu fragen, aber: Gibt es irgendwann einen Ort, an dem der deutsche Atommüll bleiben kann? Und wenn ja, wo? Die wichtigsten Antworten zur langen Suche nach einem Endlager findet ihr in unserem FAQ

Text: Jonas Mayer
Thema: Klima
4. März 2025

Warum brauchen wir überhaupt ein Endlager für Atommüll?

Sechs Jahrzehnte Atomkraft haben viel radioaktiven Müll zurückgelassen. Dazu gehören zum einen die Brennstäbe aus den Reaktoren, in denen, auch wenn sie bereits abgebrannt sind, noch weiter Uran und Plutonium strahlen. Radioaktive Strahlung ist für Menschen und die Umwelt gefährlich. Sie kann Krebs, Organversagen oder vererbbare Mutationen der DNA auslösen. Zum anderen müssen kontaminierte Bauteile der Reaktoren oder die Schutzkleidung des Personals der Atomkraftwerke, von der ebenfalls radioaktive Strahlung ausgeht, sicher aufbewahrt werden, am besten tief unter der Erde. Momentan liegt der Müll aber in insgesamt rund 1.750 Behältern, den Castoren, die an der Oberfläche in Lagerhallen deponiert sind, den sogenannten Zwischenlagern. Diese befinden sich an 16 verschiedenen Standorten in ganz Deutschland. Die Hallen selbst sind zwar durch Mauern und Gräben geschützt, gelten aber dennoch nicht als dauerhaft sicher.

Welche Anforderungen muss ein Endlager für hochradioaktiven Müll erfüllen?

Gesucht wird ein Ort, an dem der Atommüll für eine Million Jahre sicher ist. Keine Struktur, die wir an der Erdoberfläche bauen, kann das leisten. Stattdessen soll der Müll circa 300 Meter tief in geologischen Formationen gelagert werden. Einige Gesteinsarten wie Steinsalz, Tonstein, kristallines Gestein, Granit oder Gneis gelten als besonders undurchlässig und deshalb als sicher. In das Endlager darf kein Wasser eindringen und keine Radioaktivität austreten. Regionen mit Erdbebengefahr und aktivem Vulkangestein kommen nicht infrage. Das Endlager muss sowohl Naturkatastrophen als auch Kriegen standhalten. Sobald es gebaut, befüllt und verschlossen sein wird, soll der Müll noch für 500 Jahre geborgen werden können. Der Gedanke: Vielleicht finden künftige Generationen bessere Wege, ihn loszuwerden oder unschädlich zu machen. 

Arbeiter in Schacht Konrad

Der Schacht Konrad in Niedersachsen ist ein stillgelegtes Eisenerz-Bergwerk 

Foto: Michael Jungblut/laif

Wie ist der aktuelle Stand? 

Für etwa die Hälfte der geschätzten bald 620.000 Kubikmeter schwach- und mittelradioaktiven Abfälle wird bereits ein Endlager im Schacht Konrad im niedersächsischen Salzgitter gebaut. Für die andere Hälfte ist noch kein Lager gefunden. Völlig offen ist ebenfalls, wo die 27.000 Kubikmeter an besonders gefährlichem hochradioaktivem Müll gelagert werden sollen. Zum Vergleich: Das entspricht dem Volumen von elf olympischen Schwimmbecken. 

Mit dem Standortauswahlgesetz von 2017 hat der Bundestag hierfür eine Suche in drei Phasen festgelegt: In der ersten werden Regionen in Deutschland identifiziert, die sich theoretisch für ein Endlager eignen. 2020 legte die Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE), welche die Suche durchführt, einen ersten Zwischenbericht vor. Darin weist sie 90 sogenannte Teilgebiete aus, die geologisch prinzipiell für ein Endlager infrage kommen. Sie machen 54 Prozent der Fläche Deutschlands aus. Der frühere potenzielle Endlagerstandort Gorleben in Niedersachsen ist nicht dabei. Aktuell steckt das Verfahren noch in der ersten der drei Phasen. Bis Ende 2027 schlägt die BGE Standortregionen vor, die in der zweiten Phase oberirdisch genauer vermessen und erneut eingegrenzt werden sollen. In der dritten Phase werden die Favoriten unterirdisch untersucht. Am Ende geht ein Vorschlag für den sichersten Standort zur Abstimmung an den Bundestag und Bundesrat und wird per Gesetz festgelegt. 

Moment mal, Gorleben? Es gab schon einen Standort für ein Endlager? 

Ja, 1977 legte der damalige niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht einen Salzstock in Gorleben vorläufig als Endlager fest. Ab 1983 wurde der Ort mit Beschluss der Bundesregierung als einziger Standort auf seine Eignung als Atommüll-Endlager untersucht – obwohl Wissenschaftler:innen schon damals forderten, auch anderswo nach einem sicheren Ort für ein Endlager zu suchen. Es folgten jahrzehntelange Proteste durch Umweltschützer:innen und Bürger:innen. Mit dem Atomausstieg vollzog die Bundesregierung 2013 die Kehrtwende – und begann die Suche noch mal ganz von vorn. 2020 wurde Gorleben endgültig ausgeschlossen, es hatte sich durch die Verbindung des Salzstocks zum Grundwasser als zu unsicher erwiesen. 

Arbeiter in weissen Anzügen im Schacht Konrad

Wie aus einem Zufunktsthriller, aber leider noch nicht Realität: Hier sollen irgendwann schwach- und mittelradioaktive Abfälle gelagert werden

Foto: Christian Burkert/laif

Wer redet nun bei der Suche nach einem Endlager mit? 

Aus den Fehlern von Gorleben hat man gelernt: Mit dem Standortauswahlgesetz wurde die neue Suche als demokratischer und wissenschaftlicher Prozess organisiert. Die Regie darüber hat das Bundesamt für die Sicherheit der nuklearen Entsorgung (BASE), eine Unterbehörde des Bundesumweltministeriums (BMUV). Das BASE überwacht, dass die gesetzlichen Vorgaben zum Verfahren von allen Beteiligten beachtet werden. Und es bewertet die Vorschläge und Erkundungsergebnisse der Bundesgesellschaft für Endlagerung (BGE) GmbH, eines eigens für die Endlagersuche gegründeten Unternehmens. Die BGE organisiert darüber hinaus die Beteiligung der Öffentlichkeit. Es gibt zum Beispiel ein Nationales Begleitgremium, bestehend aus 18 Vertreter:innen aus Wissenschaft, Umweltverbänden, Kirche, Politik und per Beteiligungsverfahren ermittelten Bürger:innen. In den untersuchten Regionen richtet das BASE Konferenzen mit Anwohner:innen aus. Sie können die Gutachten der Wissenschaftler:innen und die möglichen Folgen eines Endlagers für ihre Regionen überprüfen lassen, etwa für die Wirtschaft vor Ort oder den Grundstückswert ihrer Häuser. Ein Vetorecht haben Bürger:innen nicht. Die Beteiligung der Bevölkerung in dem ganzen Prozess beschränkt sich vor allem auf Information und das Nachfordern von weiteren Informationen.

Generell gilt, dass die Unterlagen aus dem Suchprozess für alle online einsehbar sind. Ziel ist es, dass das Endlager von der gesamten Gesellschaft getragen wird.

Wer bezahlt das Endlager und die Suche danach?

Zunächst zahlen die Verursachenden des radioaktiven Mülls, also die Betreibenden der ehemaligen Atomkraftwerke. Sie haben rund 24 Milliarden Euro an einen öffentlich-rechtlichen Fonds überwiesen, aus dem die Kosten für die Zwischen- und Endlagerung inklusive der Untersuchungen und Beteiligungsverfahren finanziert werden – allerdings für das ursprüngliche, um Jahrzehnte kürzere Verfahren. Alle Mehrkosten werden aus Steuergeld bezahlt.

Wann wissen wir, wo das Endlager gebaut wird – und wann es fertig ist?

Eigentlich sollte 2031 ein Standort festgelegt sein. Doch nach aktuellem Stand wird es noch mindestens bis 2074 dauern, also 43 Jahre länger. Auch der Bau des Endlagers und die Einlagerung des hochradioaktiven Atommülls werden laut dem BASE Jahrzehnte dauern. Also wohl deutlich bis in die 2100er-Jahre hinein. Kaum jemand, der heute lebt, wird das Endlager noch miterleben. 

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Titelbild: Christian Burkert/laif