Am Anfang, wenn Paare frischverliebt sind, reden sie über alles Mögliche, aber nicht über Geld. Eine Rolle spielt es trotzdem: Zum Beispiel, wenn in der Pizzeria die Rechnung kommt, man an der Kinokasse steht oder sich für einen Ausflug ein Auto leiht.
Vincent (30) hat seine Freundin Theresa (27) vor vier Jahren beim Unisport in einem Salsakurs kennengelernt. Inzwischen bekommen sie ihr zweites Kind. Vincent ist gerade der Hauptverdiener. Als Apotheker beim Krankenkassenverband bekommt er um die 5.000 Euro brutto im Monat, viel mehr als Theresa, die noch ihre Masterarbeit schreibt und an der Uni einen Job hat. Früher war es mal umgekehrt. „Als wir beide noch studiert haben, hatte Theresa immer mehr Geld“, sagt Vincent, weil sie an der Uni und im Supermarkt gejobbt habe.
Eine klare Regelung, wie sie ihr Geld aufteilen, gibt es nicht. Auch kein separates Konto. „Das war schon immer eher intuitiv bei uns“, sagt Vincent. Gerade zahlt er die Miete der gemeinsamen Wohnung und Theresa den größeren Teil der Lebensmittel.
So läuft es bei vielen Paaren. Mal zahlt der eine, mal die andere. Zuerst geht es nur um kleinere Summen, doch mit der ersten gemeinsamen Wohnung kommen Miete, Möbel und Nebenkosten hinzu. Und das zu einem Zeitpunkt, wo die meisten nicht einmal voneinander wissen, wie viel sie verdienen. In vielen Beziehungen ist Geld immer noch ein Tabuthema. Oftmals fällt es Paaren leichter, über Sex zu sprechen als über Finanzielles.
Dabei ist Reden ein guter Anfang: Schon die Rechnung im Restaurant oder die Frage, wer für die Verhütung zahlt, sei ein erster Belastungstest, sagt die Soziologin und Finanzexpertin Birgit Happel. So würden erste Weichen gestellt, wie fair und wie offen mit Geld in der Beziehung umgegangen wird. Bei der ersten gemeinsamen Wohnung machen dann die meisten halbe-halbe, sagt Happel. Gerecht muss das nicht sein. Zum Beispiel arbeiten Frauen häufiger in Berufen, die schlechter bezahlt werden als etwa die männerdominierten Berufe – zum Beispiel in der Kita, im Krankenhaus oder in sozialen Berufen. Und dann bleiben noch die 18 Prozent des Gender-Pay-Gaps: So viel weniger verdienen Frauen in Deutschland durchschnittlich als Männer. Je größer die Gehaltsunterschiede, desto wichtiger sei es, das Fifty-fifty-Modell infrage zu stellen, sagt Happel. „Für viele Frauen ist der Anteil an den gemeinsamen Kosten daher die weitaus größere Belastung.“ Ihnen bliebe weniger eigenes Geld für Hobbys oder zum Sparen.
„Zu entscheiden, sich solidarisch um die gemeinsamen Ausgaben zu kümmern, hat viel mit Vertrauen und Zuneigung zu tun“, sagt die Wiener Ökonomin Katharina Mader und empfiehlt das Drei-Konten-Modell. Jeder hat ein eigenes Konto, auf ein weiteres haben beide Zugriff. Denn nicht alles ist beiden gleich wichtig: Der eine möchte vielleicht auf eine Fortbildung sparen, die andere auf ein teures Fahrrad oder ein Zeitungsabo.
Das Fifty-fifty-Modell klingt fairer als es ist
Bella (26) und Josi (32) haben das dritte Konto, seit sie in eine gemeinsame Wohnung gezogen sind. Damals studierte Bella noch – der Anteil, den sie auf das gemeinsame Konto überwies, war deswegen geringer als Josis Anteil, die als Förderschullehrerin mit 4.600 Euro brutto schon mehr verdiente. Mittlerweile haben die beiden geheiratet, und Bella hat seit Kurzem einen Job im Immobilienbereich der Deutschen Bahn. Nun verdient sie etwa 3.300 Euro brutto. Beide wollen deswegen jetzt etwa gleich viel auf das Konto einzahlen. „Es ist schon schwer, in einer Beziehung einen gerechten Umgang mit Geld zu finden“, sagt Bella. Bevor sie zusammengezogen sind, hatten sie eine Fernbeziehung. „Da kam es vor, dass diejenige, die mehr gereist ist, das Gefühl hatte, mehr ausgeben zu müssen. Deswegen haben wir früh angefangen, über Geld in unserer Beziehung zu sprechen.“
Das Fifty-fifty-Modell sei nur dann fair, wenn beide ähnlich verdienten, sagt Katharina Mader. Paare, die sehr unterschiedlich verdienen, sollten ihr zufolge den jeweiligen Anteil an die Einkommenshöhe anpassen: Wer mehr verdient, zahlt prozentual auch mehr ein. Es gibt auch andere Modelle, etwa eines, bei dem beide Einkommen auf ein Gemeinschaftskonto fließen, von dem alle Fixkosten beglichen werden. Zur freien Verfügung gibt es dann für beide eine Art Taschengeld. Wenn einer mal arbeitslos ist oder Stunden reduziert, fällt dieses Taschengeld geringer aus, aber beide bekommen den gleichen Betrag.
Der wohl markanteste und gleichzeitig auch wirtschaftlich stärkste Einschnitt in einer Beziehung kann ein erstes Kind sein. Schauspielerin Stefanie (43) dachte vor fünf Jahren, die Gesellschaft sei längst weiter.
„Aber als Schwangere wirst du bei uns im Schauspiel wie eine Aussätzige behandelt.“ In der ersten Schwangerschaft sei sie kaum mehr besetzt worden. „Sogar die Rolle einer Schwangeren haben sie mit einer Nichtschwangeren mit Kissen vorm Bauch besetzt“, sagt Stefanie. Als sie ihre erste Tochter noch gestillt hat, wollten manche Regisseure kein Baby am Set; trotz des mitreisenden Babysitters.
Frauen nehmen 15 Monate Elternzeit, Männer nur vier
Stefanie führt seit acht Jahren eine Fernbeziehung, ihr Freund spielt in Norwegen in einer bekannten Rockband. Abgestimmt auf ihre Drehtage und seine Konzerte versuchen sie, die Hälfte der Zeit zu viert zu verbringen. Den größten Teil der Care-Arbeit stemmt Stefanie – „auch wenn wir zu viert sind“.
Tatsächlich übernehmen Frauen mit durchschnittlich 15 Monaten deutlich mehr Elternzeit als Männer, die laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2021 im Schnitt nur vier Monate beantragt haben. Und während 66 Prozent der erwerbstätigen Mütter in Teilzeit arbeiten, reduzieren nur sieben Prozent der Väter ihre Arbeitszeit.
Dieses Ungleichgewicht sei auch strukturell bedingt und könne langfristig nur politisch behoben werden, sagt die Soziologin Birgit Happel. Der größte Fehlanreiz sei nach wie vor das Ehegattensplitting. Verkürzt gesagt haben Paare, die heiraten, Steuervorteile. Zum einen dadurch, dass sie zusammen veranlagt und für eine gemeinsame Steuererklärung alle Verdienste in einen Topf geworfen werden. Zum anderen kann die Person, die mehr verdient, gering besteuert und das zweite Einkommen, das als Zuverdienst angesehen wird, höher besteuert werden. Dadurch haben Ehepaare Vorteile, wenn eine Person deutlich mehr verdient als die andere. Gerade für Menschen, die nicht so viel verdienen und gleichzeitig noch viel Zeit mit den Kindern verbringen wollen, ist es lukrativer, nur mit einem Minijob wieder einzusteigen – und das sind meistens Frauen.
Die Ökonomin Katharina Mader sieht außerdem die zwei „Partnermonate“ beim Elterngeld, die immer mehr Väter nehmen, kritisch. „Eigentlich dürfte der volle Betrag nur ausgezahlt werden, wenn Männer genauso lange zu Hause bleiben“, fordert sie. Mader forscht, wie unbezahlte Arbeit volkswirtschaftlich sichtbarer sein kann. „Jegliche Erwerbsarbeit wäre ja ohne unbezahlte oder bezahlte Care-Arbeit nicht möglich.“
Die Überzeugung, dass Kinderbetreuung und Haushalt genauso anspruchsvoll sind wie die Arbeit mit Kunden, am Schreibtisch oder in Maschinenhallen, setzt sich immer weiter durch. Auch das Problembewusstsein dafür, dass sich Care-Arbeit bei aller Wertschätzung immer noch schlecht auf die Rente und finanzielle Unabhängigkeit auswirkt. Und dann gibt es noch Konzepte wie „Mental Load“, wo man auch die geistige Orga-Arbeit einbezieht, sei es das Schreiben von Einkaufslisten oder Koordinieren von Terminplänen. Ideen für mehr Gerechtigkeit gibt es viele: So könnte die Care-Arbeit eines Partners mit dem Mindestlohn oder auch dem Stundenlohn für ausgebildete Erzieher*innen bezahlt werden.
Beim zweiten Kind will Vincent auch sechs Monate in Elternzeit gehen, damit Theresa sich nach dem Master um ihren Berufseinstieg kümmern kann. Aber sich gegenseitig fürs Füttern, Wickeln und Spielen zu bezahlen, das will Vincent nicht. „Das würde sich für uns irgendwie schräg anfühlen.“
Illustrationen: @momlife_comics (IG)/Mary Catherine Starr