Es müssen nicht immer die eigenen Freunde sein, die einem helfen – manchmal tun es auch die der Eltern. Als Robert Rubin seinen Traum von einem Studium in Harvard schwinden sah, weil seine Highschool-Noten zwar ganz gut, für die Elite-Uni aber nicht gut genug waren, trat sein Vater auf den Plan. Rubin senior war Anwalt und mit einem anderen Anwalt befreundet, der wiederum den Dekan der Wirtschaftswissenschaften kannte. So nahm Robert Rubins Karriere ihren Lauf.
Wer wen kennt, wer wo studiert, wer anschließend in welche Position wechselt, das ist in Politik und Wirtschaft manchmal entscheidender als das, was man kann. In Frankreich etwa kommt ein Großteil des politischen Personals von den sogenannten Grandes écoles, in den USA wiederum von den Eliteuniversitäten wie Harvard, Yale oder Stanford. Sie ebnen den Weg nach oben, auf dem man immer wieder auf andere ehemalige Absolventen trifft, die einem gern beim Aufstieg helfen. In Robert Rubins Fall führten ihn seine Kontakte an die Spitze der Wall Street und sogar ins Weiße Haus.
Die wichtigste Zutat für die Karriere des Robert Rubin: Vitamin B
Nicht nur die richtige Uni, auch das richtige Netzwerk kann in den USA entscheidend sein. In Bruderschaften, den sogenannten Fraternities, wird die Männerbündelei bei gemeinsamen Trinkgelagen zum wichtigen Teil des Studentenlebens. Besonders exklusiv sind die sogenannten Ehrengesellschaften, die ihre Mitglieder streng nach Leistung und Noten auswählen. Rubin trat schon früh der ältesten Studentenverbindung der USA, „Phi Beta Kappa“, bei, zu deren ehemaligen Mitgliedern allein 17 US-Präsidenten zählen.
Durch die guten Beziehungen seines Vaters bekam der damals 28-jährige Rubin 1966 nach dem Studium einen Job bei der Investmentbank Goldman Sachs, doch er spürte schnell, dass ihm die Arbeit dort nicht den Einfluss brachte, den er sich erhoffte. Wichtiger als die Finanzbranche waren damals noch andere gesellschaftliche Bereiche – etwa das Kulturleben rund um den Broadway und die Politik.
Zugang verschaffte sich Rubin über seine Frau Judy: Er begleitete sie regelmäßig zu Theater- und Ballettaufführungen und kam bei VIP-Partys mit den Chefs der wichtigsten Institutionen ins Gespräch. Einer von ihnen war ein alter Studienfreund, Sherwin Goldman, der Rubin bald in das Gremium des American Ballet Theatre berief. „Die externen Engagements halfen auch meiner Karriere bei Goldman Sachs, da ich gestandene Menschen traf, die wiederum Kunden oder potenzielle Kunden unserer Kanzlei waren“, gab Rubin später in seiner Biografie zu.
„Rubin hat seine Karriere damit zugebracht, seine eigenen Interessen und die der Wall Street mit denen der USA zu harmonisieren“
Der Weg in die Politik wiederum war eine Geldfrage. Als ihn die Demokratische Partei fragte, ob er ein Spendendinner für den Wahlkampf organisieren könne, rief er einen alten Familienfreund in Miami an, der durch Goldman Sachs zu Reichtum gekommen war. Der Mann und seine Geschäftspartner stellten 40.000 US-Dollar für die Veranstaltung bereit, bei der schließlich mehr als eine Million gesammelt wurde. Rubin hatte seine Nützlichkeit für die Politik unter Beweis gestellt, fortan meldeten sich die Demokraten bei ihm, wenn sie die Unterstützung der Wall Street brauchten. Zwei Präsidentschaftskampagnen unterstützte Rubin finanziell, mittlerweile besaß er auch selbst genug Geld. Als Chef von Goldman Sachs wurde er zum vielfachen Millionär.
Als Bill Clinton 1992 mit Hilfe der Wall Street US-Präsident geworden war, machte er Rubin zu seinem obersten Wirtschaftsberater, der Clinton entsprechend beeinflusste. Der Präsident, der als Mann der Mittelklasse angetreten war, entwickelte sich zu einem Befürworter wirtschaftsliberaler Maßnahmen. So unterzeichnete er in seiner zweiten Amtszeit, in der Rubin zum Finanzminister aufstieg, ein Gesetz zur Abschaffung des sogenannten Glass-Steagall Act, der Banken vorschrieb, das Geschäft mit Privatkunden und das Investmentbanking strikt zu trennen – um beim teilweise gefährlichen Spekulieren an der Börse nicht das Geld der normalen Sparer zu riskieren. Diesen Schritt führten viele später als einen wichtigen Grund für die Finanzkrise an, weil die Banker weitgehend ohne Regulierung mit Milliarden jonglierten und ihre Geldhäuser in den Ruin trieben. Aber Mitte der 1990er-Jahre war die Welt an der Wall Street noch in Ordnung. Man verdiente obszön viel Geld, und Rubin widmete sich einem neuen Zirkel, in dem die Zukunft geplant wurde. Jeden Donnerstag traf er sich zu einem vertraulichen Frühstück mit Lawrence Summers, der später mit seiner Hilfe Präsident von Harvard werden sollte, und Alan Greenspan, der später Präsident der US-Notenbank wurde. Diverse Posten wurden unter Freunden aufgeteilt: 1999 übernahm Summers Rubins Posten als Finanzminister, 2002 wurde Rubins alter Goldman-Buddy Stephen Friedman oberster Wirtschaftsberater des neuen Präsidenten George W. Bush.
Während viele in der Finanzkrise arm wurden, belief sich Rubins Vermögen auf 126 Millionen Dollar
Rubin selbst wechselte 1999 erneut die Seiten. Er verließ die Regierung und stieg bei der Citigroup-Bank ein. Als die zehn Jahre später kurz vor dem Zusammenbruch stand, fügte es sich günstig, dass mit Hank Paulson ein ehemaliger Goldman-Kollege das Finanzministerium leitete. Die Regierung rettete Citigroup – und Rubin rettete sich selbst. Während viele US-Amerikaner in der Finanzkrise ihren Besitz verloren, belief sich sein Vermögen auf 126 Millionen Dollar.
„Rubin hatte seine gesamte Karriere damit zugebracht, seine eigenen Interessen und die der Wall Street mit denen des Landes zu harmonisieren“, schreibt der Reporter George Packer in seinem Buch „Die Abwicklung“.
Nach dem Ausbruch der Finanzkrise 2008 tauchte Rubin erst einmal ab. Später, vor einem Untersuchungsausschuss zur Finanzkrise, hörte er sich an wie jemand, der nicht sein gesamtes Leben an den wichtigsten Entscheidungen seines Landes beteiligt war. Den Sturm, der ganze Banken hinwegfegte und Millionen Menschen in tiefe Armut stürzte, so ließ er die überraschten Ausschussmitglieder wissen, habe selbst er nicht voraussehen können. Und all seine Freunde anscheinend auch nicht.
Titelbild: The Sydney Morning Herald/Fairfax Media/Getty Images