„Leiden Sie unter Schuppen, Mam? Haben Sie Haarausfall?“, ruft Sarah Breedlove auf einem Marktplatz und hält eine Dose mit der Aufschrift „Magical Hair Grower“ in die Höhe. „Davon habe ich schon gehört, bringt das was?“, fragt eine Frau. „Es hat mir das Leben gerettet!“, antwortet Sarah und beginnt, ihre Geschichte zu erzählen. Sie versucht, ein Haarwuchsmittel unter die Frauen zu bringen. Denn Breedlove leidet, wie viele andere afroamerikanische Frauen Anfang des 20. Jahrhunderts, an einer Kopfhauterkrankung, die ihre Haare ausfallen lässt. Durch das Mittel wachsen ihre Haare, ihr Selbstbewusstsein und ihre Lebensfreude wieder. Die Frauen auf dem Marktplatz sind begeistert und wollen es ausprobieren.
Es ist der Start einer Erfolgsgeschichte, die sich Hollywood nicht besser hätte ausdenken können. Die neue Netflix-Miniserie: „Self Made: Das Leben der Madam C.J. Walker“ zieht ihre Inspiration aus der Biografie „On Her Own Ground“, die A’Lelia Bundles, Ururenkelin von Madam C.J. Walker, geschrieben hat. Diese wird kurz nach der Emanzipationsproklamation 1862, dem Ende der Sklaverei, als Sarah Breedlove in eine afroamerikanische Familie geboren. Damit ist sie die Erste ihrer Familie, die frei ist. Nach dem Tod ihrer Eltern wird Sarah zunächst Wäscherin, dann Mutter – und schließlich die erste Selfmade-Millionärin der USA.
Warum zeigen Michelle Obama oder Beyoncé nie ihr „echtes“ Haar?
Genug Stoff also, um eine rasante vierteilige Serie daraus zu machen. Sie unterhält, inspiriert, gibt Hoffnung und lässt Tränen fließen. Madam C.J. Walker, so heißt Sarah nach ihrer Hochzeit, wird grandios gespielt von der Oscargewinnerin Octavia Spencer. Sie kämpft sich durch – gegen die Männerwelt des Kapitalismus und ihre Rivalinnen.
Dieser Kampf beginnt beim Bewerbungsgespräch in einem Beautysalon. Doch weil sie nicht dem Schönheitsideal entspricht, bekommt sie den Job nicht. Zu dunkel ihre Hautfarbe, zu kraus ihr Haar. Dieses Problem begegnet schwarzen Frauen auch heute noch. Gerade das Haar ist oft Grund für Diskriminierung – damals wie heute. Auch wenn dies meist subtiler als früher passiert, sind Schönheitsideale immer noch rassistisch. Michelle Obama kennt die Öffentlichkeit nur mit geglätteten Haaren, Beyoncé trägt Perücken, und welche Haarstruktur hat Rihanna überhaupt? Gleichzeitig ist diese Erwartung, der schwarze Frauen oft gerecht werden müssen, wohl der Grund, der Madam C.J. Walkers Beautyimperium erst ermöglicht.
Die vierteilige Serie „Self Made: Das Leben von Madam C.J. Walker“ ist seit 20. März auf Netflix zu sehen
Sie startet nach der Jobabsage ihr eigenes Haarpflege-Geschäft, zuerst im kleinen Stil von Tür zu Tür. Walkers Ehrgeiz ist – auch aus heutiger Sicht – beeindruckend. Laut der Studie „Frauen und Selbstständigkeit“ sagen nur 20 Prozent der in Deutschland lebenden Frauen, dass sie gerne ein Unternehmen gründen würden. Davon glauben wiederum nur zwei Prozent, dass sie ihren Traum verwirklichen könnten.
120 Jahre vorgespult: Wogegen kämpft der Feminismus heute?
Walker ist nicht unterzukriegen. Selbst als ihr Keller ausbrennt, in dem sie ihre Produkte produziert, denkt sie nicht einmal daran aufzuhören. Stattdessen beschließt Madam C.J. Walker, eine Fabrik zu eröffnen: Sie ist eine Stehauffrau, hat bald schon Tausende von Angestellten im ganzen Land und eröffnet in New York mit ihrer Tochter A’Lelia den Schönheitssalon Dark Tower, der später zu einem beliebten Partyort wird.
Die Männerwelt macht es ihr erwartungsgemäß nicht leicht. Auf der Suche nach Investoren belächelt man sie als Frau und spricht anfänglich nur mit ihrem Mann. Mit ihrem steigenden Erfolg verliert sie die Nähe zu ihm. Er geht fremd, wirft ihr vor, dass sie sich nur um Geld kümmere und nicht mehr um ihn. Frauen sollten für ihren Mann da und Mutter sein.
Der Feminismus kämpft 120 Jahre nach Madam C.J. Walker immer noch gegen ähnliche Dynamiken an. Das zeigt die Serie auf eindrucksvolle Weise. „Self Made“ ist grandios und lässt einen wundern, warum man von dieser Frau, die es trotz Marginalisierung an die Spitze der Unternehmenswelt schafft, noch nie gehört hat. Größter Makel? Es sind nur vier Folgen. Perfekt, dass Ururenkelin A’Lelia Bundles gerade an der Biografie ihrer Uroma und Namensvetterin A’Lelia Walker schreibt. Als Unterstützerin der New Yorker Kunst und LGBTQ+-Community legte sie eine große Kunstsammlung an und veranstaltete liberale Partys in ihrem Zuhause. Hoffentlich sieht Netflix in diesem Stoff Potenzial für eine zweite Staffel.
Titelbild: Netflix