1993: Der (nicht so) grüne Punkt
Als deutscher Bundesumweltminister hatte Klaus Töpfer (CDU) eine scheinbar gute Idee: Um die immer größeren Mengen an Verpackungsmüll einzudämmen, sollten Läden verpflichtet werden, Verpackungen von Waschmaschinen bis hin zu leeren Zahnpastatuben zurückzunehmen. Der Handel würde dann keine übermäßig verpackte Ware mehr einkaufen, so seine Überlegung. Mehrweg und einfach zu recycelnde Materialien könnten sich durchsetzen.
Seit Einführung des grünen Punkts werden 17 Prozent mehr Verpackungsmüll produziert
Hersteller und Handel hatten jedoch einen eigenen Plan: die Verantwortung anderen zu überlassen. Denn für den Verpackungsmüll war nun eine neu geschaffene Industrie zuständig, mit einem lukrativen Geschäftsfeld – finanziert durch die Kund*innen. Gelbe Tonnen wurden aufgestellt; ab 1993 zeigte der grüne Punkt auf Produkten den Verbraucher*innen an, was hineingehört und recycelt werden kann. Seit Verabschiedung seines Gesetzes ist die Gesamtmenge an Verpackungsmüll um knapp 17 Prozent gestiegen. Töpfers Plan ging also nicht ganz auf. Aber immerhin hatte er das Müllproblem auf die große politische Bühne geholt.
2003: Ein verwirrendes Pfandsystem
Anfang der 1990er-Jahre lag der Mehrweganteil bei Dosen- und Plastikflaschen bei 72 Prozent, danach ging es abwärts. Immer mehr Menschen kauften ihre Getränke in Einwegbehältern und warfen sie nach dem Austrinken in den Müll. 2003 führte daher der damalige Bundesumweltminister Jürgen Trittin (Bündnis 90/Die Grünen) ein 25-Cent-Pfand auf Getränkedosen und Einweg-Plastikflaschen ein. Seine Annahme: Wenn die Leute an der Supermarktkasse für Einweg deutlich mehr zahlen müssen als für Mehrweg, würden sie sich für letzteres entscheiden. Doch einige Verbraucher*innen schien das zu verwirren. Viele dachten, Pfand stehe für Mehrweg – und wussten nicht, dass die Plastikflaschen und -dosen, für die sie 25 Cent Pfand bekamen, nicht wiederverwendet werden. Viele griffen lieber zur Plastik- als zur Glasflasche. Der Mehrweganteil von 64 Prozent im Jahr 2001 sank weiter bis auf heute 42 Prozent. Seit Anfang 2019 sind nun deutlichere Hinweise auf den Flaschen vorgeschrieben.
2014: Smarte Mülltonnen in Ljubljana
Ljubljana, Sloweniens Hauptstadt, hatte zu Beginn des Jahrtausends ein Problem: Die Bewohner*innen produzierten eine Menge Müll, und der landete zum größten Teil auf Müllkippen. Recycling? Nein danke. Seitdem hat Ljubljana eine Kehrtwende angestoßen. Die Stadt stellte Container für Papier, Glas, Plastik, Bio- und Restmüll bereit, im Zentrum installierte sie unterirdische Sammelbehälter, die mit oberirdischen Mülleimern verbunden sind. 2014 verkündete Ljubljana dann, die erste Zero-Waste-Hauptstadt der EU werden zu wollen. Die Bürger*innen sollen nicht nur dazu gebracht werden, ihren Müll zu trennen, sondern dazu, ihn gar nicht erst zu produzieren. Wöchentlich werden zum Thema Müllvermeidung Kurse angeboten. Das städtische Abfallunternehmen betreibt einen Unverpacktladen und Verkaufsautomaten für alltägliche Lebensmittel.
Wer zu viel Restmüll einwirft, muss Gebühren zahlen
Eine Besonderheit: Mülltonnen für Restmüll lassen sich nur mit einer personalisierten Chipkarte öffnen. Wer zu viel Restmüll hineinwirft, muss Extragebühren zahlen. Die Strategie scheint zu funktionieren: Die Recyclingquote ist von knapp 30 Prozent (2008) auf heute 68 Prozent gestiegen, jede*r Bürger*in verursacht weniger als 150 Kilogramm Restmüll. Zum Vergleich: In Berlin sind es derzeit 225 Kilogramm.
2016: Strafe für Lebensmittelverschwendung
Supermärkten mit mehr als 400 Quadratmeter Verkaufsfläche drohen in Frankreich mehrere Tausend Euro Strafe, wenn sie Essbares wegschmeißen. Seit 2016 sind sie verpflichtet, ihre überschüssigen Lebensmittel, sofern sie nicht anderweitig weiterverarbeitet werden können, an soziale Einrichtungen wie die Tafel weiterzugeben – eine soziale Methode der Müllvermeidung. Auch die Supermärkte profitieren, weil sie einen Großteil des Warenwerts steuerlich absetzen können.
In Deutschland sieht es anders aus: Hier landen jährlich zwölf Millionen Tonnen Essen im Müll. Ein Teil davon sind Lebensmittel, die Supermärkte in die Tonne entsorgen – weil zum Beispiel das Haltbarkeitsdatum demnächst erreicht oder überschritten ist. Wer die weggeworfenen Packungen aus einem verschlossenen Container mitnimmt, macht sich des Diebstahls strafbar – und, je nach Containerstandort, auch des Hausfriedensbruchs. So wie die beiden Studentinnen Caro und Franzi, die vor kurzem vor Gericht standen und in zwei Instanzen verurteilt wurden. Nun klagen sie vor dem Bundesverfassungsgericht. Außerdem haben sie eine Onlinepetition gestartet, in der sie fordern, dass die deutsche Rechtslage der französischen angeglichen wird.
2021: Absolutes Plastiktütenverbot
Preis einer Plastiktüte? 34.000 Euro
Ruanda hat die Produktion sowie den Gebrauch, Verkauf und Import von Plastiktüten bereits 2008 untersagt. In Kenia wurde 2017 ein Verbot mit besonders rigiden Strafen eingeführt: Geldbußen von bis zu 34.000 Euro oder Haftstrafen von bis zu vier Jahren drohen bei Missachtung. 26 afrikanische Länder haben vergleichbare Verbote bereits umgesetzt.
Und wie sieht es in der EU aus? Sie verbannt zehn Einweg-Plastikprodukte (darunter Strohhalme, Einmalgeschirr, Wattestäbchen) ab 2021 aus den europäischen Supermarktregalen. Deutschland möchte noch einen Schritt weiter gehen und Plastiktüten komplett verbieten – bis auf die besonders dünnen Einweg-Plastiktüten. Der Gesetzentwurf wurde bereits vom Kabinett beschlossen und muss nun von Bundestag und Bundesrat verabschiedet werden. Seit 2016 haben sich viele Händler*innen freiwillig dazu verpflichtet, Plastiktüten nur gegen Bezahlung herauszugeben. Der Verbrauch ist seither um 64 Prozent zurückgegangen.
Titelbild: Norman Konrad/laif