Mit dem Lasso gegen Fake News

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Mit dem Lasso gegen Fake News

Normalerweise bekämpfen Superhelden einzelne Schurken, nicht strukturelle Probleme wie Armut, Sexismus oder den Klimawandel. Unser Heroen-Experte hat Ausnahmen gefunden

  • 5 Min.
Superheldinnen

Wonder Woman vs. Krieg

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Wonder Woman (© DC comics)
(© DC comics)

Diana Prince, besser bekannt als Wonder Woman, kämpft seit den 1940er-Jahren gegen deutsche Soldaten; in den Comics im Zweiten, im späteren Film im Ersten Weltkrieg. Als Tochter der Amazonenkönigin Hippolyta wächst sie auf der sogenannten Paradiesinsel auf, abgeschirmt vom Rest der Welt und inmitten von Kriegerinnen, denen sie nacheifert. Als sie den US-Soldaten Steve Trevor vor dem Ertrinken rettet, erfährt sie zum ersten Mal von den chaotischen Zuständen in der (wie es in den Comics heißt) „Welt der Männer“. Wonder Woman beschließt, ihre isolierte Heimat zu verlassen und einzugreifen.

Der Wonder-Woman-Kosmos bedient sich immer wieder in der griechisch-römischen Mythologie. Das gibt den Autor*innen die Möglichkeit, den Krieg zu personifizieren. Der griechische Kriegsgott Ares ist ein gutes Beispiel dafür, wie gesamtgesellschaftliche Probleme in Superheld*innen-Geschichten oft behandelt werden: Eine einzelne mystische Figur steht für Konflikte und Kriege zwischen Nationen, die Millionen Menschen das Leben kosten.

In den Comics trifft Wonder Woman oft auf den Gott des Krieges; mal unter seinem griechischen Namen Ares, mal unter dem römischen Mars. Mitte der 80er-Jahre, kurz vor dem Ende des Kalten Kriegs, bringt sie ihn in „Wonder Woman“ von George Perez und Len Wein beispielsweise davon ab, einen dritten Weltkrieg zwischen den USA und Russland zu provozieren. In einem eComic von 2015 wiederum schickt Ares den Duke of Deception nach Europa, um die Nationalsozialist*innen im Zweiten Weltkrieg zu unterstützen: Der Duke kann tote Soldaten wiederauferstehen lassen und schlägt so fast die Alliierten an der Normandieküste. Doch Wonder Woman hat eine Waffe gegen ihn: das „Lasso of Truth“. Wer mit ihm in Berührung kommt, sieht die Wahrheit. Unter Einsatz des Lassos lernt der Duke, dass sein Bruder nicht wie angenommen von den Briten ermordet wurde, sondern noch lebt, – und wendet sich gegen den Kriegsgott Ares.

Mehr zu aktuellen Kriegen, Gewaltkonflikten und Lösungsansätzen lest ihr auf bpb.de.

Aquaman vs. Klimawandel & Umweltverschmutzung

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Aquaman (© DC comics)
(© DC comics)

Im Comicuniversum sind gleich zwei Figuren als Aquaman bekannt: Arthur Curry, Sohn eines Menschen und der Königin des Unterwasserstaats Atlantis, kann sowohl über als auch unter Wasser atmen; Jackson Hyde, Sohn von Currys Gegenspieler Black Mantis, freundet sich mit Arthur an und übernimmt später seine Rolle als Aquaman.

In den 60er-Jahren dominierte der Zustand des Eriesees die US-amerikanischen Nachrichten. Durch Industrie- und Haushaltsabwässer stieg der Phosphatgehalt im See, wodurch massenhaft Algen wuchsen. Die blockten weitgehend das Sonnenlicht ab, das für die Sauerstoffproduktion tiefer liegender Pflanzen notwendig war. Der fallende Sauerstoffgehalt und Chemikalien im See führten zu einem solchen Massensterben von Fischen, dass der Eriesee den Beinamen „Totes Meer von Amerika“ bekam.

Die Situation löste eine Umweltbewegung aus – und fand Eingang in die Comicwelt. In „Aquaman #56“ von 1971 thematisieren Steve Skeates und Jim Aparo den Anteil, den der Mensch an der Umweltkrise hält: Um die Kriminalität in den Griff zu kriegen, lässt die Polizei von Detroit einen Satelliten bauen, der die Stadt nachts mit Licht bestrahlt. Nur wachsen dadurch die Algen im angrenzenden Eriesee so schnell, dass Arthur Atlantis bedroht sieht und den Satelliten schließlich zerstören muss. Im jüngst erschienenen „Superman: Son of Kal-El #7“ kämpft der zweite Aquaman, Jackson Hyde, gegen ein Unterwassermonster. Nur stellt sich schnell heraus, dass das Wesen im Grunde friedfertig ist und wegen des mangelnden Sauerstoffgehalts im See zum Auftauchen gezwungen war. Schlussendlich arbeitet Aquaman mit anderen Superhelden zusammen, um das Monster behutsam wieder ins Wasser zu führen.

Mehr zu Klimawandel und Umweltschutz lest ihr auf bpb.de.

 

Captain Carter vs. Sexismus

Dass aus Margaret „Peggy“ Carter einmal Captain Carter würde, war in den frühen Comics der Reihe nicht zu ahnen. Für Jahrzehnte spielte sie eine Nebenrolle, bei ihrem ersten Auftritt („Tales of Suspense #75“, 1966) gaben ihr Autor Stan Lee und Illustrator Jack Kirby nicht mal einen Namen. Carter trat nur als „Love Interest“ von Steve Rogers aka Captain America auf.

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 Captain Carter (© Marvel)
(© Marvel)

Bis zur Marvel-Serie „What If“ von 2021 hat sich viel getan: Die heutige Captain Carter stammt aus einem Paralleluniversum, in dem das held*innenmachende Superserum nicht – wie in Film und Comics – Steve Rogers verabreicht wird, sondern ihr. Aus Captain America wurde in diesem Universum Captain Carter, aus Superheld Superheldin.

Die Feinde bleiben fast dieselben: Wie Rogers bekämpft Carter im Zweiten Weltkrieg die Nationalsozialisten, muss sich währenddessen aber auch der sexistischen Vorurteile ihrer Kollegen erwehren. „Frauen sind keine Soldaten“, kontert ein Vorgesetzter in einer Folge von „What If“, als ihn Carter bittet, am Krieg teilnehmen zu dürfen. Einer ihrer Gegenspieler nennt sie später „Fräulein“ und wird augenblicklich mit einem Schlag niedergestreckt. Die Superheldin demonstriert, wie viel schwerer es Frauen oft allein aufgrund ihres Geschlechts haben – und wie man sich mit Durchsetzungsvermögen und Kompetenz trotzdem behauptet. Seit Ende März 2022 hat Captain Carter eine eigene Comicreihe.

Mehr zum Thema Sexismus lest ihr auf bpb.de.

Batman vs. Armut

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Batman (© DC comics)
(© DC comics)

Bruce Wayne aka Batman ist ein ambivalenter Charakter. Je nach Autor*in schwankt die Figur zwischen Held und Antiheld. Früh verliert Bruce seine Eltern bei einem Raubüberfall; ein Trauma, das ihn sein Leben lang begleitet und dazu führt, dass er sich nachts im schwarzen Kostüm aufmacht, Verbrechen zu verhindern. Trotz schrecklicher Erfahrungen in jungen Jahren ist er in anderen Bereichen privilegiert: Dank des Milliardenerbes seiner Eltern kann Bruce ein Leben ohne stumpf machenden Bürojob führen und Gadgets produzieren, mit denen er Kriminelle jagt.

Sein Wohlstand bringt Bruce aber auch in Widersprüche: In seiner Heimatstadt, dem fiktiven Gotham City, herrschen Massenarmut und Obdachlosigkeit. Die Comics zeigen Bruce als Philanthropen, der für wohltätige Zwecke spendet und Stiftungen gründet; im jüngsten Film „The Batman“ (2022) deckt er die systematische Korruption in Gotham auf. Dafür muss Bruce aber auch in der Familiengeschichte der Waynes wühlen. Denn er selbst ist Teil eines Systems, das ihm allein aufgrund seiner Geburt in die Familie Wayne ein beträchtliches Vermögen zusichert, während es anderen nicht das Notwendigste vergönnt.

Die Frage, ob sich Batman tatsächlich für Besitzlose interessiert oder einfach Freude daran hat, Verbrecher*innen zu verdreschen, wird in den Filmen und Comics aufgeworfen. In „Batman: Reptilian“ von Garth Ennis und Liam Sharp (2021) wirft sein Butler Alfred Pennyworth Bruce vor, nicht genug für die Bewohner*innen von Gotham getan zu haben. Als Bruce auf die Stiftungen hinweist, schmunzelt Alfred spöttisch.

Mehr zu Armut und sozialem Schutz lest und seht ihr auf bpb.de.

Black Panther vs. Rassismus & Kolonialismus

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Black Panther (© Marvel)
(© Marvel)

Black Panther, bürgerlich T’Challa Udaku, hat gewisse Ähnlichkeiten mit Wonder Woman. Wie die Amazone wächst auch er in einem fiktiven, weltabgewandten Land auf: dem afrofuturistischen Staat Wakanda.

Die Nation ist reich an Vibranium. Eine frühere Regierung ging davon aus, dass westliche Staaten versuchen würden, sich den wertvollen Rohstoff gewaltsam zu holen – und versteckte deshalb das ganze Land. Durch seine Abgeschiedenheit und die Vibraniumvorkommen entwickelt sich Wakanda zu einem Staat, der anderen Ländern weit voraus ist.

Schon das Setting der Black-Panther-Geschichten übt Kolonialismuskritik: Das Beispiel Wakanda widerspricht der rassistischen Annahme, bestimmte Staaten seien aufgrund ihrer Kultur zu Industrie- oder Entwicklungsländern geworden. Gerade weil Wakanda nicht von (angeblich) zivilisierten christlichen Staaten kolonialisiert wurde, lebt seine Bevölkerung in Frieden und kann sich kulturell und technologisch rasant entwickeln.

Auch die Filmadaption „Black Panther“ von 2018 arbeitet sich am Thema Kolonialismus ab. Als T’Challa Udaku am Ende des Filmes entscheidet, Wakanda nicht länger geheim zu halten und der UN Entwicklungshilfe anzubieten, reagiert man dort gekränkt. „Was hat eine Nation von Bauern der Welt zu bieten?“, sagt einer der UN-Vertreter. Woraufhin im Hintergrund heroische Musik anklingt und die Kamera an sichtlich belustigte Führungskräfte aus Wakanda heranzoomt.

Mehr zu Kolonialismus und seiner Aufarbeitung lest ihr auf bpb.de.

Jonas Lübkert schreibt – unter anderem einen Newsletter über Superheld*innen-Gossip und Comics

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.