Behörden sehen auf diesen Fotos Risiken. Medizinische: Bei Teenagerschwangerschaften sind Frühgeburten und Komplikationen wahrscheinlicher. Und soziale: Wenn Mädchen ein Kind zur Welt bringen, müssen sie öfter die Schule oder ihren Job aufgeben.
Christian Rodríguez sieht auf seinen Fotos etwas anderes. Er sieht junge Frauen, die vielleicht ungewollt schwanger geworden sind – aber sehr bewusst Mütter werden. Über fünf Jahre hinweg hat der Fotograf Teenagergeburten in Mexiko, Brasilien und Uruguay begleitet. Die Fotos in diesem Beitrag stammen aus Montevideo, der uruguayischen Hauptstadt. Als Rodríguez seine Fotos gemacht hat, war jede vierte Schwangere auf der Geburtsstation des Krankenhauses Pereira Rossell jünger als 19.
„Teen Mom“ ist Rodríguez’ persönlichste Arbeit. Seine Mutter war 17, als sie von einem Urlaubsflirt schwanger wurde. Der Vater, ebenfalls 17, verließ sie noch vor Rodríguez’ Geburt. Er wuchs bei seinen Großeltern auf und hat heute wieder Kontakt zu seinem Vater.
Auf Rodríguez’ Fotos wird geschwitzt, gepresst, geklammert, geweint und geschrien. Sie zeigen junge Mütter ganz anders als das Nachmittagsfernsehen, in dem Teenager überschminkt, arm und rauchend Kinderwagen durch den Block zerren, damit sich die Zuschauer besser fühlen können. Und Rodríguez kontrastiert die Fotos aus dem Kreißsaal mit Aufnahmen, die ruhiger, aber nicht weniger kraftvoll sind: Jeweils am Tag nach der Geburt kehrte er zurück, um ein Porträt mit Kind zu machen. Ihm ist wichtig, die Mädchen als Mütter zu zeigen. Denn oft würde ihr Umfeld ihnen gar nicht zutrauen, einem Kind ein stabiles Zuhause bieten zu können. Die Mädchen würden eher beschuldigt als unterstützt, sagt Rodríguez.
Dabei berichtet das Krankenhauspersonal, dass die Frauen als Mütter in ihren Vierteln oft besser angesehen sind als vorher. Schuldzuweisungen und Stereotype verhindern nicht, dass Teenager ungeschützt Sex haben (das können Sexualaufklärung und erschwingliche Verhütungsmittel). Sie verhindern, dass die Mädchen und ihre Familien sich die Hilfe suchen, die sie brauchen.
Die Zahl der Teenagerschwangerschaften sinkt
Teenagerschwangerschaften werden weltweit gezählt. Die Zahlen gehen weit auseinander, aber seit zwei Jahrzehnten zeichnet sich weltweit ein Trend ab: Teenagermütter werden weniger, auch in Uruguay und Deutschland. 2022 kamen hierzulande im Durchschnitt auf 1.000 Frauen zwischen 15 und 19 Jahren sechs Geburten – die Zahl hat sich im Vergleich zum Jahr 2000 mehr als halbiert.
Gesundheitsorganisationen befürchten in allen Ländern hohe Dunkelziffern. Denn die Zahlen zeigen nur, wie viele schwangere Teenagerinnen ihr Kind tatsächlich zur Welt bringen; nicht, wie viele Schwangerschaften – legal oder illegal – abgebrochen werden.
Dieser Beitrag ist im fluter Nr. 89 „Liebe“ erschienen. Das ganze Heft findet ihr hier.