Daryna Sydorenko (15) † 13. März 2022
Daryna wohnte mit ihrer Familie in Derhatschi, einer Kleinstadt in der Nähe von Charkiw. Dort ging sie auch zur Schule, in die 9. Klasse. An einem Sonntagabend gegen 22:30 Uhr, als die Familie zu Hause war, begann plötzlich der Beschuss. „Wir hatten keine Zeit mehr, in den Keller zu rennen“, erinnert sich Darynas Mutter. Daher suchten sie Schutz an einer tragenden Wand. Eine Granate schlug ganz in der Nähe ein, die zweite traf das Nachbarhaus. Daryna rannte in ein anderes Zimmer, um Sachen für ihre neunjährigen Zwillingsbrüder zu holen. In dem Moment schlug eine weitere Granate ein. Die Decke brach über Daryna zusammen und begrub sie unter sich. „Daryna spielte gern Gitarre“, sagt ihre Mutter. „Sie war ein künstlerisches, charismatisches Mädchen.“
Oleksij Masurenko (31) † 18. August 2022
Vor zehn Jahren lernten sich Oleksij und Irina kennen, und schon kurz darauf begannen sie, in seinem Heimatort ein Haus zu bauen. Eltern, Freunde, Irina – sie alle packten gemeinsam an. Oleksij Masurenko war Schlossermeister und brauchte keine anderen Handwerker. Anfang 2021 zogen sie schließlich ein. Im selben Jahr kam ihr zweiter Sohn zur Welt. Als der Krieg ausbrach, meldete sich Oleksij Masurenko zum Militär und bat darum, an die Front geschickt zu werden. Seiner Familie sagte er, er sei einberufen worden. Am 14. August, fünf Tage nach ihrem 8. Hochzeitstag, wurde Oleksij Masurenko bei einem Kampfeinsatz verletzt und in ein Krankenhaus in Kyjiw eingeliefert, wo er starb. „Ich fühle, du bist hier, mit mir, nur in einer anderen Ebene“, sagt Irina.
Oleksij Kaluschin (29) † 6. März 2022
Oleksij Kaluschin war mit seiner Frau und seiner Tochter in die Wohnung seiner Schwiegereltern bei Irpin geflohen. Doch auch dort wurde es schnell gefährlich. Seine Schwiegermutter erinnert sich, wie ein russischer Schützenpanzer zunächst das Tor zum Hof aufbrach. Dann seien die Bewohner aus den Häusern geholt worden, sie mussten ihre Handys abgeben, ihre SIM-Karten wurden kaputt gemacht. Bei den Nachbarn war dieses laute Knacken und Schleifen zu hören. Oleksij Kaluschin beschloss, nachzusehen. Sein Schwiegervater folgte ihm. Als sie 15 Minuten weg waren, rannte seine Schwiegermutter auf den Hof. Dort entdeckte sie nur zwei Blutlachen in der Nähe des Tors. Die Leichen von Oleksij Kaluschin und seinem Schwiegervater wurden erst einen Monat später gefunden, nach der Befreiung von Irpin. Ihre Körper waren mit Draht gefesselt.
Ksenija Hryzyna (29) † 11. September 2022
Weil Ksenija Hryzyna so sehr Süßes liebte, wurde sie nach der Schule Konditorin. Sie lebte in Lwiw im Westen der Ukraine, nur wenige Kilometer von der polnischen Grenze entfernt. Hier kam auch ihr Sohn zur Welt. Im Jahr 2021 ließ sich Ksenija Hryzyna beim Militär zur Sanitäterin ausbilden. Dann kam der russische Überfall, und Ksenija Hryzyna ging an die Front nach Luhansk. Dort starb sie, während sie versuchte, einen Soldaten zu bergen. Am Tag der Beerdigung sagte ihre Freundin: „Du bist unser Stern, hell und ewig lächelnd, fröhliche Ksenija. Du bist gegangen, und wir glauben nicht, dass es wirklich so ist.“ Als Ksenija Hryzyna starb, war ihr Sohn vier Jahre alt.
Wladyslawa „Aida“ Tschernych (28)
† 28. Dezember 2022
Aida Tschernych studierte Medizin. Als der Krieg begann, war sie gerade im Postgraduiertenkurs, sogar mit einem eigenen Forschungsprojekt. Doch dann beschloss sie, ihr Studium ruhen zu lassen und sich freiwillig beim Militär als Sanitäterin zu melden. Später arbeitete sie zusätzlich in der Luftaufklärung und warnte vor angreifenden Drohnen. „Immer fokussiert, selbstbewusst und von der Richtigkeit der Sache überzeugt, humorvoll und gebildet“, so beschreibt sie ihr Kommandant. Am 28. Dezember starb Aida Tschernych während eines Kampfeinsatzes in der Nähe von Bachmut in der Region Donezk. Erst wenige Wochen vor ihrem Tod hatte sie einem schwer verwundeten Soldaten das Leben gerettet.
Switlana Potapowa (64) † 13. Juli 2022
Den größten Teil ihres Lebens verbrachte Switlana Potapowa in Nowoseliwka, einem kleinen Dorf im Süden der Ukraine. Dort kümmerte sie sich unter anderem um die Kälber auf einem Bauernhof. Und wenn sie mal eine freie Minute fand, dann liebte sie es, zu lesen. „Mutter war ein toller Mensch. Sie versuchte immer, in allem die Erste zu ein. Ich vermisse sie sehr“, sagt ihre Tochter. Am 13. Juli wollte Switlana Potapowa nur kurz bei ihrer Patentochter vorbeischauen, um ihr Telefon aufzuladen und zu plaudern. Sie ging gerade über den Hof, als eine Granate einschlug. Sie und drei weitere Menschen starben. „Switlana schwieg nicht, wenn sie sah, dass etwas nicht stimmte. Sie hatte ein hitziges Temperament. Und sie war gerecht“, sagt ihre Patentochter.
Oleksij Nykyforow (32) † 4. März 2022
Oleksij Nykyforow mochte Musik, er tanzte gut und ging gern auf Reisen. Er liebte auch Tiere, besonders Katzen. Über die wusste er fast alles, erinnert sich seine Tante. Oleksij Nykyforow arbeitete als IT-Spezialist in Butscha. Hier war er geboren, hier war er zur Schule gegangen, seine Ehefrau besuchte einst dieselbe Klasse wie er. Am Tag seines Todes war er noch bis 14 Uhr online. Bis zum Schluss arbeitete er in seiner Wohnung. Dort wurde er auch tot aufgefunden; gestorben an den Folgen eines direkten Treffers durch ein Projektil, das ihn durchdrang. „In diesem Augenblick wurden Träume, Wünsche, Hoffnungen und Erwartungen zerstört“, sagt seine Tante. Wenige Schritte von Oleksij Nykyforow entfernt lag seine Katze. Sie war im Rauch erstickt.
Fotos: victims.memorial – auf der Webseite finden sich weitere Nachrufe auf ukrainische Kriegsopfer