Thema – Klimawandel

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Der Sache auf den Meeresgrund gehen

Im Golf von Genua liegt „Nemo’s Garden“: neun Unterwasser-Gewächshäuser. Der Fotograf Giacomo d’Orlando ist abgetaucht

  • 6 Min.
Nemos Garden

Manchmal sieht die Gegenwart ziemlich nach Science-Fiction aus. Wie versunkene Ufos steht „Nemo’s Garden“ im Golf von Genua, direkt vor der Küste Italiens: In neun Unterwassergewächshäusern – Biosphären genannt – mit je 2.000 Litern Fassungsvermögen wird Gemüse angebaut. Und vielleicht sind die Glaskugeln ja wirklich die Zukunft – der Landwirtschaft und der Ernährung der Menschheit.

Die Idee zur Anlage kam Sergio Gamberini im Jahr 2012. Damals überlegte er, wie er seinen Beruf (Tauchausrüstungsgewerbe) und seine Leidenschaft (Gärtnern) verbinden könnte. In einer deutlich kleineren Biosphäre pflanzte er Basilikum für Pesto Genovese, die Spezialität der Region. Mit dem Basilikum wuchs auch die Idee dahinter. Die Biosphären sind mit den Jahren zahlreicher, größer und widerstandsfähiger geworden, ein ganzes Team arbeitet unter Wasser und in einem Labor am Finetuning für den Unterwasseranbau.

Nemos Garten
Gabriele Cucchia, einer der Ingenieure des Projekts, bereitet sich auf den Tauchgang vor. Mit den Werkzeugen will er neue Biosphären auf dem Meeresboden verankern.

Nemos Garten
Im Labor von „Nemo’s Garden“ kontrolliert Mitgründer Luca Gamberini den Aufbau einer Biosphäre. Durch die Spirale gelangen Wasser und Nährstoffe in den Boden für die Setzlinge.

Nemos Garten
Taucher sind nicht die einzigen Besucher. Die Struktur der Kapseln kann Seelebewesen wie Oktopussen, Seepferden oder Krebsen ein Unterschlupf sein. Seit der Errichtung ist die Fischpopulation in der Umgebung des Gartens gewachsen.

„Nemo’s Garden“ ist nicht nur Spielerei. Die Frage, wie und wo wir in Zukunft unsere Nahrung anbauen, ist für die Menschheit eine entscheidende. Aktuell werden rund 70 Prozent des weltweiten Trinkwasserbedarfs für die Landwirtschaft benötigt, in manchen Ländern sind es sogar 90 Prozent. Durch den Klimawandel nehmen Dürreperioden zu, daneben wächst mit der Weltbevölkerung aber auch der Nahrungsmittelbedarf. Und viele Landstriche und Böden – Tendenz steigend – sind nicht für den Anbau von Pflanzen geeignet. Der Ozean könnte eine Antwort sein.

Zumal das Unterwasserfarming einige Vorteile hat: Die Biosphären sind unten geöffnet, so kann das Meerwasser kondensieren und als Süßwasser die Pflanzen versorgen. Außerdem bleibt die Temperatur im Meer ziemlich konstant, und es gibt dort keine Insekten oder Pilze, die eine Ernte schädigen können. Was umgekehrt bedeutet, dass auf Pflanzenschutzmittel verzichtet werden kann.

Nemos Garden
Im Labor wird getestet, ob die Pflanzen – hier auf dem Foto Beifuß und Salbei – unter Wasser gedeihen. Die roten und blauen LEDs imitieren das Lichtspektrum in den Biosphären.

Nemos Garden
Der Biologe Emilio Mancuso hält einen der mit Kokosnussfasern gefüllten Trichter, in denen die Pflanzen wachsen. Jede Biosphäre hat Platz für rund 120 solcher Gefäße.

Nemos Garden
Die kleine Stadt Noli liegt westlich von Genua an der Ligurischen See. 40 Meter vor der Küste liegen die Unterwassergewächshäuser.

Nemos Garden
Luca Gamberini erntet Basilikum. Nachdem er sie vorsichtig aus den Pflanztrichtern genommen hat, verstaut er die Pflanzen in einer luftdichten Box und bringt sie an die Oberfläche.

Nemos Garden
Diese Technik steckt in jeder Biosphäre: Der Ventilator sorgt für Luftzirkulation, die kleine Box überwacht den Sauerstoff- und Kohlendioxidgehalt der Luft, Temperatur und Luftfeuchtigkeit.

Mehr als 40 verschiedene Pflanzen hat Gamberinis Team inzwischen angebaut, darunter Salate, Tomaten, Zucchini, Erbsen, Himbeeren, diverse Kräuter, Aloe vera und Blumen. Forschungen haben ergeben: Der Anteil ätherischer Öle und Antioxidantien in diesen Unterwasserpflanzen ist höher als normal. Die Anbaumethode könnte deshalb auch für die Herstellung von Medikamenten infrage kommen.

Ob „Nemo’s Garden“ mit der aufwendigen Bewirtschaftung durch Taucher_innen wirklich die Landwirtschaft der Zukunft ist, sei dahingestellt. Noch wird die Ernte nicht verkauft. Viel wichtiger sind aber die Erkenntnisse, die hier vor der italienischen Riviera gewonnen werden. Sie könnten den Weg für größere, einfacher zu betreibende Unterwasserfarmen in anderen Teilen der Welt bereiten. Hier wird Grundlagenforschung betrieben. Meeresgrundlagenforschung, um genau zu sein.

Nemos Garden
Luisa Pistelli, Biologieprofessorin an der Universität von Pisa, analysiert die Ernte. Das Projekt arbeitet auch mit der Universität von Genua zusammen.

Nemos Garden
Der „Tree of Life“ ist das Zentrum des Gartens. Er schützt die Kabel, die mit den einzelnen Biosphären verbunden sind.

Nemos Garden
Ernte gut, alles gut: Das Team feiert, nicht fehlen darf natürlich das Basilikum, mit dem alles begann.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.