Paul Schlüter, 20, ist Mitglied bei der Linken. Er arbeitet als Kaufmann für Büromanagement 

Ich komme aus einer unpolitischen Familie im Berliner Bezirk Alt-Pankow. Meine Eltern wundern sich wohl bis heute, dass ich politisch so aktiv bin. Meine Mutter geht erst wählen, seitdem ich bei der Linken aktiv bin. Eingetreten bin ich in die Partei, als ich 16 geworden bin.

Ich war immer schon jemand, der ungern Dinge mit sich machen lässt, sondern lieber Verantwortung übernimmt, sich mit anderen zusammentut, um etwas zu erreichen und mitzugestalten. So bin ich in der siebten Klasse zum Klassensprecher gewählt worden und war bis zur zehnten Pressesprecher vom Landesschülerausschuss.

„Ich habe schnell begriffen, dass es mir wichtig ist, Benachteiligte zu unterstützen“

Als Schülersprecher habe ich schnell gemerkt, dass man an seine Grenzen stößt. Zwar mussten uns Politiker anhören, wenn es um Lehrer als Quereinsteiger ging, um Lehrermangel oder um die Sanierung von unseren maroden Schulgebäuden, aber das hieß nicht, dass unsere Meinung einen Einfluss auf Entscheidungen hatte. Dass ich als Schüler in dieser Hinsicht nicht ernst genommen wurde, hat mich sehr gestört.

So etwas kann ja auch Politikverdrossenheit auslösen, wenn man im jungen Alter merkt, dass man in einem Gremium sitzt, das Beteiligung suggerieren soll, aber letzten Endes keinen interessiert. Bei mir aber stachelte diese Erfahrung meinen Ehrgeiz an. Also bin ich in die Politik.

Warum ich zu den Linken gegangen bin? Im Landesschülerausschuss hatte ich sehr viel mit Bildungspolitikern unterschiedlicher Parteien zu tun – und da habe ich schnell begriffen, dass es mir wichtig ist, Benachteiligte zu unterstützen und dass manche Menschen eben nicht verloren gegeben werden müssen, was bei leistungsorientierten Parteien wie der CDU oder der FDP anders gesehen wird. Unser Berliner Landesverband hat außerdem echt coole Leute wie Stefan Liebich oder Regina Kittler, mit denen ich schon als Schüler zu tun hatte und mit denen ich mich von Anfang an gut verstanden habe.

„Kinderarmut ist ein sehr aktuelles Thema, das mich umtreibt. Von den Kindern hängt die Zukunft unserer Gesellschaft ab“

Seit vergangenem Oktober bin ich in der Bezirksverordnetenversammlung von Pankow, wo ich kinder- und jugendpolitischer Sprecher bin. Für dieses Thema brenne ich, da von den Kindern die Zukunft unserer Gesellschaft abhängt. Kinderarmut ist ein sehr aktuelles Thema, das mich umtreibt, weil es mir nicht in den Kopf will, dass ein reiches Land wie Deutschland Kinder hat, die ohne die Leistungen des Bildungspaketes nicht an Schulausflügen teilnehmen können, weil die Eltern arm sind.

Natürlich könnten sich noch mehr junge Leute politisch engagieren. Aber ich habe zumindest bei der Linken den Eindruck, dass es dort viele in meinem Alter gibt, weil ihnen das Soziale wichtig ist, weil sie sich für Queer- oder Netzpolitik interessieren. Die SPD hat sich seit der Agenda 2010 und ihren Regierungsbeteiligungen in den Großen Koalitionen stark von ihrer sozialen Politik entfernt. Überhaupt passiert mir zu wenig in Deutschland. Frau Merkel trägt international sicher nicht zu einer Eskalation bei, was gut ist. Andererseits fängt sie gerade innenpolitisch vieles wie eine Mauer ab. Die Linke zu wählen bedeutet deswegen auch, dass Bewegung kommt in Themen wie Rüstungsexporte, dem Hinterherhinken bei der Digitalisierung, der Drogenpolitik, dem bedingungslosen Grundeinkommen oder einer echten Sozialpolitik. Die Linke setzt auch ein Zeichen gegen Irre wie Erdoğan oder Trump, die zu Krisen beitragen, anstatt sie zu lösen. Die Linke steht für mich symbolisch für eine friedlichere und sozialere Welt, was aktuell sehr wichtig ist. Denn gerade in Ostdeutschland haben viele Angst vor dem Ungewissen, was sich leider auch in der Unterstützung der AfD ausdrückt. Umso wichtiger ist es, soziale Angebote zu machen, die Angst lindern können. Unsere Gesellschaft sollte künftig – das ist mein Traum – ohne rechte Ideologien auskommen, es darf keine Altersarmut geben, und Kinder – egal ob sie in Berlin oder in München geboren sind – müssen die gleichen Chancen haben.

„Der Nachwuchs sorgt dafür, dass die Partei moderner wird“

Natürlich haben wir auch Politikerinnen wie Sahra Wagenknecht, die in mancher Hinsicht extreme Standpunkte vertritt. Aber solche Meinungsleuchttürme gibt es in jeder Partei. Uns wird ja häufig vorgeworfen, dass wir als SED-Nachfolgepartei noch nicht unsere Geschichte aufgearbeitet haben.

 

Aber der Nachwuchs sorgt dafür, dass die Partei moderner und unideologischer in ihrem Denken wird. Und die Linke hat auch in Landesregierungen schon bewiesen, dass sie regierungsfähig ist. Warum also nicht auch auf Bundesebene? Das wird vielleicht noch nicht bei der nächsten Wahl passieren. In Zukunft aber werden wir eine Regierung mitbilden. Da bin ich mir sicher.

Weil 42 Protokolle – so viele Parteien nehmen an der Bundestagswahl am 24.9. teil – ein bisschen viel wären, haben wir uns auf jene sieben Parteien beschränkt, die laut Umfragen eine realistische Chance auf den Einzug in den Bundestag haben.

Illustration: Daavid Mörtl