Was ist die Ratspräsidentschaft?
Das EU-Land, das die Ratspräsidentschaft innehat, ist Vorsitzender des Rats der Europäischen Union. Die Präsidentschaft dauert sechs Monate, dann geht sie an den nächsten der 27 Mitgliedstaaten über. Was die Reihenfolge betrifft, hat sich der Rat zuvor in einem Beschluss geeinigt. Am 1. Juli 2020 hat Deutschland den Vorsitz von Kroatien übernommen, am 1. Januar 2021 wird Portugal übernehmen. Weil sechs Monate in Politik-Maßstäben (und vor allem: in EU-Politik-Maßstäben) gemessen sehr kurz sind, stimmen die drei Länder, die die Ratspräsidentschaft hintereinander innehaben, ihre Programme ab – Deutschland also mit Portugal und Slowenien, das im Juli 2021 den Vorsitz übernehmen wird. So ist die Chance, dass Ziele erreicht werden, höher. Beschlüsse im Rat müssen in der Regel – bei rund 80 Prozent der EU-Rechtsvorschriften – mit einer qualifizierten Mehrheit angenommen werden, das heißt, dass ihnen 55 Prozent der Länder, die zugleich mindestens 65 Prozent der EU-Bevölkerung repräsentieren, zustimmen müssen. Große Länder wie Deutschland haben da natürlich mehr Gewicht als kleine, weil sie mehr Menschen repräsentieren. Es gibt aber auch Sachgebiete, in denen der Rat mit einfacher Mehrheit (14 Mitgliedstaaten stimmen mit Ja) oder einstimmig beschließt.
Kritiker*innen werfen der EU vor, undurchsichtig, bestechlich oder nicht repräsentativ zu sein. Was ist da dran?
Während der EU-Ratspräsidentschaft leitet der oder die jeweilige Vertreter*in dieses Landes die Sitzungen: Wenn nun also Bundesumweltministerin Svenja Schulze an der Sitzung des Rats für Umwelt teilnimmt, übernimmt sie auch dessen Leitung. Eine Ausnahme bildet der Rat für Auswärtige Angelegenheiten, der in der Regel von dem oder der Hohe*n Vertreter*in der Union für Außen- und Sicherheitspolitik, oder kürzer: von dem oder der Außenbeauftragten der EU, geleitet wird. Aktuell ist das der Spanier Josep Borrell. Weitere Aufgaben der Ratspräsidentschaft sind die Leitung und Moderation der Ratssitzungen, an der wiederum verschiedene Arbeitsgruppen und Ausschüsse beteiligt sind, sowie die Vertretung der Mitgliedstaaten gegenüber den anderen EU-Institutionen, vor allem gegenüber Kommission und Parlament
Achtung, noch mal Verwechslungsgefahr: Die EU-Ratspräsidentschaft ist nicht dasselbe wie die Präsidentschaft des Europäischen Rats. Der oder die Präsident*in des Europäischen Rats leitet das Gremium der Staats- und Regierungschef*innen und wird von diesem für zweieinhalb Jahre gewählt. Aktueller Amtsinhaber ist der Belgier Charles Michel, der zum Beispiel dafür zuständig ist, Sondergipfel einzuberufen – wie auch den am 17. und 18. Juli, bei dem über den Aufbauplan zur Bewältigung der Covid-19-Krise und einen neuen langfristigen EU-Haushalt diskutiert wurde.
Was hat sich Deutschland für die Ratspräsidentschaft vorgenommen?
Die Länder beginnen mit der Planung des Präsidentschaftsprogramms lange im Voraus – und Deutschland musste, ähnlich wie Kroatien, wegen des Coronavirus ziemlich spontan umplanen. Die Bewältigung der Covid-19-Pandemie steht nun ganz oben auf der Tagesordnung.
Bereits im Mai hatten Bundeskanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron einen Wiederaufbaufonds vorgeschlagen, um vor allem den besonders vom Virus betroffenen Ländern zu helfen. Das Konzept der EU-Kommission für diesen Fonds umfasst 750 Milliarden Euro. Noch steht nicht fest, wie genau das Geld verteilt werden soll und wie viel davon als Zuschuss ausgegeben wird, der – anders als ein Kredit – nicht zurückgezahlt werden muss. Hier einen Kompromiss zu finden, dem alle Länder zustimmen, ist das wichtigste Ziel der deutschen Ratspräsidentschaft.
In ihrer Regierungserklärung und einer Rede im Europaparlament am 8. Juli hat die Kanzlerin weitere Prioritäten genannt: den Klimaschutz und den „European Green Deal“, die Digitalisierung, Europas Verantwortung in der Welt und die Verbesserung der Beziehungen zu den USA, China und Großbritannien, das am 1. Februar aus der EU ausgeschieden ist, sowie das gemeinsame Vorgehen gegen antidemokratische Strömungen innerhalb der EU.
Und was soll dieses Logo darstellen?
Als Merkel am 8. Juli mit einer Rede im Europäischen Parlament das Programm für die Ratspräsidentschaft vorstellte, betonte sie den hohen Wert der Grundrechte und des europäischen Zusammenhalts in der Krise. Nach ihrem Auftritt trug sie, wie es aktuell auch im Plenarsaal Vorschrift ist, eine Mund-Nasen-Maske, auf die das Logo der deutschen Ratspräsidentschaft gedruckt war. Es erinnert an eine etwas krumm geratene Acht und stellt ein Möbiusband dar, eine geometrische Figur, die nur eine einzige Seite hat, obwohl es auf den ersten Blick nicht so aussieht. Das soll die Einigkeit und Verbundenheit der EU-Staaten symbolisieren. Schon seit den Achtzigerjahren gestalten die Staaten ein Logo für ihre jeweilige Ratspräsidentschaft, wobei schon sehr unterschiedliche Grafiken herausgekommen sind.
Titelbild links: Mund-Nasen Schutz mit Logo der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020, Foto: picture alliance/dpa/AFP Pool | Tobias Schwarz. Rechts: Europäisches Parlament in Brüssel, Foto: Thierry Monasse/Getty Images