Mein westafrikanisches Heimatland ist sehr anfällig für die Folgen des Klimawandels, wirtschaftlich und gesellschaftlich. Rund die Hälfte der Bevölkerung ist direkt oder indirekt in der Landwirtschaft tätig. Doch die globale Erwärmung macht den Menschen auf dem Lande sehr zu schaffen. Außergewöhnlich starke Regenfälle, zunehmende Dürren und Überflutungen lassen die Landwirtschaft zu einer unsicheren Einkommensquelle werden. Viele Landarbeiter übernehmen gefährliche Jobs in illegalen Bergwerken, die ihrerseits schwere Umweltschäden verursachen. Immer mehr junge Menschen wandern in die Städte ab, wodurch die Infrastruktur dort bis zum Äußersten belastet wird – während auf dem Land die Bevölkerung immer älter wird.
Diese Situation – ich denke, da sind wir uns einig – ist ungerecht
Ökonomisch führt uns das in einen Teufelskreis: Die Einbußen in der Landwirtschaft müssen durch Lebensmittelimporte kompensiert werden. Geld, das die ghanaische Wirtschaft dringend bräuchte, fließt ab – zum großen Teil ausgerechnet in jene Industrieländer, die der Welt dieses Klimaproblem eingebrockt haben.
Ghana muss die ökonomischen, sozialen und ökologischen Kosten für etwas tragen, das es gar nicht selbst verursacht hat. Diese Situation – ich denke, da sind wir uns einig – ist ungerecht.
Geht es um den Klimawandel, dann wird meines Erachtens zu selten über Klimagerechtigkeit gesprochen. Auf globaler Ebene gibt es dramatische Appelle und hochtrabende Ziele, die dann aber oft nicht erfüllt werden. Es stimmt ja, wir müssen die Welt retten und den Klimawandel begrenzen. Aber dabei sollten wir die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass die Erderwärmung manche Menschen auf diesem Planeten härter trifft als andere – zumeist in den sogenannten Entwicklungs- und Schwellenländern. Länder wie Ghana, die nicht schon vor vielen Jahrzehnten durch den Ausstoß von Unmengen CO₂ zu Wirtschaftsmächten geworden sind. Diese Staaten des globalen Südens, die kaum etwas zum Klimawandel beigetragen haben, müssen nun umso härter mit seinen Folgen kämpfen. Weil ihnen das nötige Geld, die Technologie und die Infrastruktur fehlen.
Industrienationen müssen die Kosten ihres Tuns tragen
Deshalb denke ich, dass die internationalen Klimarettungspläne einer gründlichen Überarbeitung bedürfen – anhand des Verursacherprinzips: Die Industrienationen müssen die Kosten ihres Tuns tragen, und dabei sollten auch ihre historischen Emissionen berücksichtigt werden. Mit Forderungen an die Länder des globalen Südens sollte man sich hingegen erst mal zurückhalten. Das legen schon die Größenverhältnisse nahe: Ghanas CO₂-Fußabdruck ist unbedeutend im globalen Vergleich. Selbst wenn wir unseren Ausstoß von Treibhausgasen verzehnfachen würden, käme es noch nicht zu einer spürbaren Erhöhung des Gesamtausstoßes der Welt.
Dafür hätte ein Anstieg unserer Emissionen erhebliche Vorteile. Vorteile, die indirekt auch der Welt zugutekämen: Wir würden dadurch die wirtschaftliche Stärke erlangen, die wir benötigen, um die anstehenden Herausforderungen meistern zu können. Zum Beispiel Zuwanderer aus anderen afrikanischen Ländern wie Mali aufzunehmen, die ihre Heimat in Zukunft vermutlich verlassen werden, weil sie noch härter als wir vom Klimawandel betroffen sind. Ebenso dringlich: unserer Bevölkerung eine bessere Bildung ermöglichen – Voraussetzung dafür, dass sie ihr Umweltbewusstsein weiterentwickelt.
Unser Konsum wird meines Erachtens nie die Zerstörungskraft erreichen wie der, den die Menschen in den alten Industriestaaten jahrzehntelang praktiziert haben
Stattdessen werden wir oft ermahnt, wir dürften jetzt nicht die Ressourcen verschlingenden Konsumgewohnheiten des Westens übernehmen. Sicher haben viele Ghanaer einen ähnlich großen Appetit auf Konsum wie die Menschen im Westen. Wer es sich leisten kann, importiert schon heute Autos, Konsumgüter und den ganzen Lifestyle von dort. Aber unser Konsum wird meines Erachtens nie die Zerstörungskraft erreichen wie der, den die Menschen in den alten Industriestaaten jahrzehntelang praktiziert haben. So viel Schwung wird unsere wirtschaftliche Entwicklung gar nicht aufnehmen. Und sie wird mit viel moderneren Technologien vonstattengehen.
Ein Auto hat heute nicht mehr den gleichen Verbrauch wie vor 40 Jahren. Vielleicht werden wir ja sogar selbst einmal neue grüne Technologien entwickeln können. Aber dafür müssen wir wirtschaftlich erst mal auf die Beine kommen. Wenn man uns jetzt direkt erhebliche CO₂-Restriktionen auferlegt, wird uns das nicht gelingen.
Manchmal wirken die Forderungen der Industrienationen an uns wie eine Ablenkungstaktik. Anstatt erst mal ihre eigenen Klimaziele zu erfüllen, haben sie uns in Klimaverträge eingebunden, die unsere langfristigen Industrialisierungspläne behindern. Und warum unterzeichnen wir? Wir haben keine andere Wahl. Denn kurzfristig benötigen wir immer noch ihre Entwicklungshilfezahlungen. Das alles ist für mich das exakte Gegenteil von Klimagerechtigkeit.
Ich denke, ich spreche für viele Entwicklungsländer, wenn ich sage: Uns sollten flexiblere Regeln zugesprochen werden, bis wir ein gewisses Entwicklungsniveau erreicht haben. Derweil sollten die aktuellen Chef-Weltverpester ihren Worten Taten folgen lassen. Sie haben die Stärke, wirklich etwas zu ändern, sich von den fossilen Energien zu verabschieden und ihren Ausstoß erheblich zu drosseln. Und sie sollten die Länder des globalen Südens dabei unterstützen, mit den Folgen des Klimawandels zurechtzukommen.
Das ist nicht zu viel verlangt, das ist nicht mal radikal – es ist einfach, logisch und vor allem: fair!
Erst dann kann die Debatte über Klimagerechtigkeit eine aufrichtige sein. Und: Wie sollen wir die nötige Zuversicht entwickeln, irgendwann einmal mit grünen Technologien unsere Wirtschaft prosperieren zu lassen, wenn sogar diejenigen, die in relativem Wohlstand leben, nicht bereit sind zu ernsthaften Zusagen und Veränderungen?