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So ist es, ich zu sein: Paketbote

Alle meckern, wenn er auf der Straße hält, aber keiner bestellt weniger: Lennart* liefert als Teilzeitkraft Pakete in Freiburg aus

Paketbote

„Du bist den ganzen Tag am Ein- und Ausparken, springst in dein Auto rein und 20 Sekunden später wieder raus. Gibst ein Paket ab, und eine Minute später fährst du wieder los und parkst sofort wieder ein. Die Leute meckern immer darüber, dass unsere Autos überall stehen, vergessen aber, dass sie selbst drei Pakete am Tag bestellen.

Morgens kommt man in eine riesige Lagerhalle mit einem Fließband in der Mitte – dort laufen dann die Pakete entlang und rutschen links und rechts zu den Fahrern herunter, die sie scannen und in den Wagen räumen. Wir Zusatzkräfte können erst los, wenn die Fahrer, die schon länger dabei sind, alle weg sind und klar ist, welche Straßen sie nicht mehr schaffen. Wir müssen dann die restlichen Pakete zusammensuchen und können erst um zwölf Uhr beginnen.

Sobald ich im Auto sitze, bin ich nur noch damit beschäftigt, so schnell wie möglich meine Pakete loszuwerden. Man hat nämlich erst Feierabend, wenn alles ausgeliefert ist, was ziemlich nerven kann: Oft arbeite ich über elf Stunden. Die Viertelstunde Pause, zu der man verpflichtet ist, mache ich dann auf dem Weg zur nächsten Straße, um keine Zeit zu verlieren.

Man realisiert schnell, dass man überhaupt nicht auf alle Rücksicht nehmen kann – sonst wird man die Pakete nicht vor Mitternacht los

Als Zusatzkraft liefere ich im Schnitt 120 Pakete aus. Das sind ungefähr 80 verschiedene Adressen, die ich abklappern muss. Man ist die ganze Zeit im Stress, muss aber trotzdem sicher fahren. Natürlich parkt man sein Auto nicht jedes Mal ordentlich, das geht ja gar nicht. Vom Arbeitgeber wird das in Kauf genommen; nur wir müssen dafür den Kopf hinhalten.

Ich muss mit anderen Autofahrern diskutieren, die hinter mir hupen, mit Kunden, die unzufrieden sind, und häufig auch mit dem Ordnungsamt. Man realisiert schnell, dass man überhaupt nicht auf alle Rücksicht nehmen kann – sonst wird man die Pakete nicht vor Mitternacht los.

Mit 14 Euro die Stunde ist der Lohn okay. Aber wenn man überlegt, dass man eine gewisse Verantwortung für dieses riesige Auto trägt, ist es schon dünn bezahlt. Wegen des Jobs werde ich ständig geblitzt, muss Strafzettel bezahlen und hab schon zwei Punkte in Flensburg. Unfallschäden bezahlt zum Glück die Versicherung.

Was mir gefällt, ist das Klima unter den Fahrern. Man bringt sich Kaffee und teilt Kippen vorm Lagerhaus und lässt sich generell wenig von den Vorarbeitern gefallen, lässt sich zum Beispiel keine Extrapakete aufdrücken, wenn das den Feierabend noch weiter verzögert. Morgendliche Besprechungen fühlen sich immer ein bisschen an, als wäre man in einer Fußballmannschaft. Dazu muss man auch sagen: Diesen Job machen eigentlich nur Männer.

Für die älteren etablierten Fahrer ist der Arbeitsalltag viel geregelter. Die fahren meist um acht los und sind um 16 Uhr fertig. Jeder hat seinen Stammbezirk, in dem sie alle mit Vor- und Nachnamen kennen. Aber auch sie stört es, dass der Job wenig Anerkennung bekommt und man nicht immer ernst genommen wird. Früher war das ja mal ein Ausbildungsberuf, als Postbote warst du sogar Beamter. Heute lassen Firmen wie Amazon von Freelancern ohne Arbeitsvertrag liefern, die für Versicherung und andere Ausgaben selbst aufkommen müssen.“

* Name geändert

Illustration: Gregory Gilbert-Lodge

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.