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Ein Klick und das war’s?

Onlineshopping ist für Konsumenten und Konsumentinnen ziemlich bequem. Doch wie geht es denen, die die Pakete packen und ausliefern? Wir werfen einen Blick auf Amazon, Zalando und Otto

Rund 3,5 Milliarden Pakete wurden 2020 in Deutschland verschickt. Allein beim Dienstleister DHL waren es bisweilen elf Millionen am Tag. Das Corona-Jahr hat den Paketversand in kurzer Zeit enorm wachsen lassen. Verantwortlich dafür ist vor allem der Online-Versandhandel. Hier ist der Umsatz im Vergleich zum Jahr 2015 um rund 78 Prozent gestiegen. Allzu viel scheint davon allerdings nicht bei den Mitarbeiter:innen anzukommen: Seit Jahren kritisieren Gewerkschaften und Angestellte die Arbeitsbedingungen in Produktlagern und beim Paketversand. Wie ist die Lage bei Amazon, Otto und Zalando? Wir haben uns die Top Drei der Online-Versandhändler in Deutschland genauer angeschaut.

Gibt es Tarifverträge und Betriebsräte?

Tarifverträge werden von Gewerkschaften gemeinsam mit Arbeitgebern verhandelt, sind rechtlich abgesichert und einklagbar. Sie sollen Angestellten transparente und faire Löhne mit regelmäßigen Gehaltssteigerungen zusichern, in vielen Verträgen sind auch Urlaubstage und Arbeitszeiten geregelt. Ein Betriebsrat ist die Arbeitnehmervertretung in Betrieben, seine Rechte und Pflichten sind im Betriebsverfassungsgesetz geregelt. Betriebsräte ermöglichen den Mitarbeiter:innen ein Mitspracherecht. Gibt es einen Betriebsrat, muss der bei unternehmerischen Entscheidungen zustimmen, wenn die sich auf die Beschäftigten in irgendeiner Form auswirken, und kann Mitarbeiter:innen bei Beschwerden gegenüber der Geschäftsleitung unterstützen. Tarifverträge und Betriebsräte sind also wichtige Instrumente im Kampf um gute Arbeitsbedingungen.

Bei Amazon gibt es seit 2014 in allen Versandzentren in Deutschland Betriebsräte, gegen einen Tarifvertrag sträubt sich das Unternehmen allerdings. Auf Anfrage von fluter.de heißt es: „Wir als Unternehmen sind der Meinung, dass Gewerkschaften nicht die beste Lösung für unsere Mitarbeiter:innen sind und nur für eine Minderheit stehen“. Man setze stattdessen auf die Betriebsräte, um die Interessen der Mitarbeiter:innen zu vertreten. Auch Zalando lehnt einen Tarifvertrag ab, hat aber ebenfalls Betriebsräte. In den Tochtergesellschaften, etwa dem Callcenter und mehreren Logistikzentren, gibt es sie schon länger. Bei der Mutter Zalando SE gab es erst im Jahr 2020, also zwölf Jahre nach Gründung, die erste Betriebsratswahl. Bei Otto ist es etwas komplizierter. Für die Abwicklung des Versandhandels ist nämlich gar nicht die Otto Group selbst zuständig, sondern die Hermes Fulfilment GmbH. Die gehört zur international tätigen Hermes-Gruppe und diese wiederum zur Otto Group. Die Hermes Fulfilment wickelt für Otto Lager-, Retouren- und Logistikarbeiten ab und hat sowohl einen Betriebsrat als auch einen mit der Gewerkschaft ver.di ausgehandelten Tarifvertrag.

Wie hoch ist der Stundenlohn?

Weil die Stundenlöhne je nach Qualifikation sehr unterschiedlich ausfallen können, werfen wir hier einen Blick auf den Mindesteinstiegslohn der Online-Versandhändler, wie ihn Lagermitarbeiter in der Regel erhalten. Zur besseren Einschätzung: Der gesetzliche Mindestlohn in Deutschland steigt zum 1. Januar 2022 auf 9,82 Euro.

Amazon zahlt je nach Standort zwischen 12 Euro und 13,84 Euro brutto die Stunde. Ab Herbst 2022 soll das Minimum 12,50 Euro betragen. Zalando will die Frage von fluter.de zum Einstiegsgehalt nicht konkret beantworten. Man orientiere sich beim Gehalt an branchenüblichen Vergütungen, heißt es lediglich. Jobportale gehen auf Basis von Nutzerangaben aber von einem durchschnittlichen Lageristengehalt von etwas weniger als rund 1.900 Euro im Monat aus. Bei einer 40-Stunden-Woche entspricht das einem Bruttostundenlohn von etwa 12 Euro.

Im Vergleich schneidet Hermes Fulfilment im Dienst für Otto besser ab. In Haldensleben, Sachsen-Anhalt, steht eines der größten Hermes-Fulfilment-Versandzentren Europas. Dort liegt der tarifliche Bruttoeinstiegslohn bei 12,77 Euro die Stunde, der Durchschnittslohn bei 14 Euro. Die Löhne an anderen Standorten schwanken, da die ausgehandelten Tarife länderspezifisch sind. Am wenigsten bekommen die Beschäftigten im Logistikzentrum Ohrdruf in Thüringen. Dort liegt der tarifliche Einstiegslohn bei 11,58 Euro pro Stunde.

Wie steht es um den gesundheitlichen Schutz der Beschäftigten?

Bei dieser Frage hagelt es immer wieder Kritik von Arbeitsrechtler:innen. Ein Anlass: Sowohl Amazon als auch Zalando setzen in den Logistikzentren Trackingsoftware ein. Die erfasst zum Beispiel, wie schnell Ware aus den Regalen geholt oder Pakete versandfertig gemacht werden. Gewerkschaften und Arbeitsrechtler:innen sehen darin eine unzulässige Überwachung der Beschäftigten. Immer wieder berichten Medien über Mitarbeiter:innen, die beklagen, nicht mal in Ruhe zur Toilette gehen zu können und enormem Leistungsdruck ausgesetzt zu sein. Amazon und Zalando widersprechen den Vorwürfen. Amazon schreibt, die Software diene der operativen Planbarkeit und der Erfassung der Belegschaftsleistung, es komme nicht zur Überwachung durch Vorgesetzte. Zalando argumentiert ebenfalls mit der Personal- und Auftragsverteilung. Bei Hermes Fulfilment, im Auftrag von Otto, gebe es so eine Software nicht, heißt es auf Nachfrage. Eine Leistungserfassung finde ausschließlich im Rahmen eines Prämienprogramms statt.

Wer liefert die Pakete aus?

Die Pakete der Versandhändler werden nicht von den Unternehmen selbst ausgeliefert, sondern von Paketdienstleistern. Wenig überraschend setzt Otto, beziehungsweise die Hermes Fulfilment, auf die Schwestergesellschaft Hermes Germany bei der Paketzustellung. Zalando kooperiert hingegen mit vielen Versandpartnern, darunter DHL, Hermes, DPD und GLS. Amazon versendet mit DHL, Hermes, DPD, PIN und UPS. Zusätzlich verfügt Amazon seit 2018 über einen eigenen Versanddienst: Amazon Logistics. Der verteilt die Zustellaufträge entweder an Subunternehmer oder an Soloselbstständige, die sich per App Aufträge sichern können.

Wie es um die Arbeitsbedingungen der Amazon-Paketzusteller:innen steht, hat sich die Rosa-Luxemburg-Stiftung, die der Partei Die Linke nahesteht, im Verteilzentrum Erfurt-Stotternheim angeschaut, gemeinsam mit dem Bildungswerk des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) Thüringen. Laut der Studie gibt es Hinweise auf zahlreiche Gesetzesverstöße – zum Beispiel mit Blick auf den Mindestlohn, Sozialversicherungen und das Arbeitszeitgesetz. Unter den Soloselbstständigen soll es außerdem viele Scheinselbstständige geben. Amazon widerspricht den Vorwürfen. Man verpflichte die Vertragspartner:innen dazu, alle geltenden Gesetzen einzuhalten und führe regelmäßig Gespräche und Untersuchungen durch, um dies zu prüfen.

Probleme mit Subunternehmern gibt es aber nicht nur bei Amazon. Auch DHL, Hermes, DPD, GLS und Co. vergeben Aufträge an kleinere Unternehmen. Zusteller:innen, die im Auftrag der Versanddienstleister unterwegs sind, prangern auch immer wieder zu geringe Löhne und zu lange Arbeitszeiten an. Allgemein gilt: Wer direkt angestellt ist, verdient mehr als Mitarbeiter:innen von Subunternehmen. Das liegt auch daran, dass Unternehmen wie Hermes und DHL nach Tarif zahlen, die Subunternehmer das aber nicht tun müssen.

Fotos: The New York Times / Redux / laif

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