Aus den Lautsprechern tönt Marschmusik, Dutzende Fahnen mit dem Symbol der sogenannten White-Power-Bewegung wehen im Wind. 75 Jahre nach Kriegsende glorifiziert die rechtsextreme Szene mitten in Budapest unbehelligt den Nationalsozialismus. Wie jedes Jahr im Februar sind auch 2020 Hunderte Neonazis aus ganz Europa angereist, um den „Tag der Ehre“ zu feiern. Die „Helden“, an die man hier erinnert, sind rund 30.000 Wehrmachtssoldaten, Angehörige der Waffen-SS und deren Verbündete, ungarische Kollaborateure, die im Frühjahr 1945 versuchten, aus der belagerten Stadt auszubrechen.
Die rund 500 Teilnehmer sind fast alle schwarz gekleidet. Hitler-Porträts, SS-Runen, Hakenkreuz-Anstecker und zahlreiche Aufnäher der gerade erst in Deutschland verbotenen Terrorgruppe Combat 18 sind zu sehen. Auch etliche Rechtsextreme aus Deutschland sind angereist. Ein bekannter Dortmunder Neonazi gratuliert am Mikrofon seinen ungarischen „Kameraden“ zur gelungenen Veranstaltung. Er war jahrelang Mitglied des 2012 verbotenen Nationalen Widerstands Dortmund und ist jetzt in der rechtsextremen Splitterpartei „Die Rechte“ aktiv. Wie schon im Jahr zuvor beendet er seine Rede mit einem Zitat von Adolf Hitler. Die Menge ist von der Rede begeistert.
Nicht überall ist der Hitlergruß verboten
Die militante Neonaziszene ist weltweit vernetzt. Besonders deutsche Rechtsextreme sind viel unterwegs, um an internationalen Veranstaltungen teilzunehmen, und scheinen ihre Auftritte im Ausland zu genießen. Hitlergruß und NS-Symbolik sind hier – anders als in Deutschland – meist straffrei. Gegenproteste gibt es selten, und auch die Polizei lässt die Rechtsextremen in der Regel gewähren. Noch wichtiger als die öffentlichen Aufmärsche sind jedoch die Rechtsrockkonzerte hinter verschlossenen Türen. Von Geheimkonzerten mit 100 Gästen bis zu Großveranstaltungen mit Tausenden Zuschauern ist alles dabei. „Vor allem die großen Festivals in Italien, Frankreich, Ungarn und der Ukraine sind die Treffpunkte für die internationale Naziszene“, sagt Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs von der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Er beobachtet seit Jahren, wie hier internationale Führungsköpfe der Szene Absprachen treffen, Geld sammeln und Geschäfte machen.
Die Texte der Rechtsrockbands klingen wie Blaupausen für rechten Terror. „Bald bist du endlich dran. Wir warten ungeduldig, bereit für diesen Kampf, du wirst grausam sterben“, singt die Schweizer Band Erschießungskommando über die Thüringer Landtagsabgeordnete Katharina König-Preuss (Die Linke). Die bekannteste deutsche Neonazi-Band Landser bezeichnete sich selbst stolz als „Terroristen mit E-Gitarren“. 2003 wurde sie als kriminelle Vereinigung verboten.
Rechtsextreme Propagandakanäle laufen gut
Die schnellste und stärkste Vernetzung der Szene findet im Internet statt. Hier verschwimmen die Grenzen zwischen organisierten Rechtsextremen, Verschwörungstheoretikern und Menschenhassern. Ob auf Twitter, YouTube, Facebook oder Instagram, überall gibt es gut laufende rechtsextreme Propagandakanäle. Wer tiefer in die rechtsextreme Blase im Netz eintaucht, landet schnell in geschlossenen Foren und Telegram-Kanälen. Rechtsextreme aus der ganzen Welt tauschen sich hier aus. Von Todeslisten politischer Gegner über Anleitungen zum Bombenbau bis hin zu Plänen, wie man mit einem 3D-Drucker Schusswaffen herstellt, findet sich hier alles. Der antisemitische Attentäter von Halle hatte genau so einen Teil seiner Mordwaffen selbst hergestellt.
Illustration: Frank Höhne