Thema – Reichtum

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Welcher Rolls­-Royce?

Was und wie viel Superreiche besitzen – darüber gab es bislang wenige Informationen. Seit Neuestem weiß man ein bisschen mehr

Rolls­ Royce

Der IT-Unternehmer

Mit einer eigenen Rakete ins All fliegen wie Tesla-Chef Elon Musk oder Amazon-­Gründer Jeff Bezos? Findet Tobias Lütke aus Koblenz eher nicht so spannend. „Die Erde ist der beste Planet, den wir jemals gefunden haben“, sagt der 40­-Jäh­rige in einem Interview mit der Computernerd­-Zeitschrift „c’t“. „Ich bin vielmehr am Klima interessiert.“

Am fehlenden Geld für ein eigenes kleines Raumfahrtprojekt würde es nicht scheitern, Tobias Lütke gehört laut „manager magazin“ zu den 20 reichsten Deutschen. Sein Vermögen soll sich auf zwölf Milliarden Euro belaufen, womit er sich in die typisch deutsche Milliardärsmischung aus Autodynastien, Supermarktkönigen und Maschinenbau Erben einreiht.

Schon als Kind bekam Tobias Lütke von seinen Eltern einen Heimcomputer geschenkt, für den es allerdings kaum Spiele gab. Die musste er selbst programmieren. Nach der Mittleren Reife begann er dann eine Ausbildung zum Fachinformatiker, wenig später ging er wegen seiner Freundin nach Kanada und gründete dort einen Onlinehandel für Snowboards. Weil das technisch recht kompliziert war, erfand er eine simple Software für E-Commerce. Das war der Anfang von Shopify – ein Softwareunternehmen, das im vergangenen November mit 160 Milliarden Euro an der Börse bewertet wurde. Bei allem Wachstum sei ihm besonders wichtig, dass seine Firma möglichst ökologisch agiere, so Tobias Lütke. Und sein Lifestyle? Wirkt eher brav. Er hat eine Schwäche für Schiebermützen aus Tweed. Auf seinem Instagram-Account postet er mal das Bild eines Porsche 911, auf einem anderem düst er mit einem sogenannten Fliteboard über die Wellen. Verglichen mit den Superjachten anderer Milliardäre ein sehr bescheidenes Hobby.

Der Immobilienbesitzer

Neulich war Stephan K.* wieder in Amsterdam, um ein Haus zu kaufen. Es steht an einer Gracht mitten in der Stadt – also dort, wo die Immobilienpreise am höchsten sind. 2,4 Millionen Euro sollte es kosten, letztlich zahlte er 2,1 Millionen.

„Die Holländer lieben es, zu handeln“, sagt K., „ganz anders als die Deutschen.“ Wenn K. von seinem Immobilienbesitz spricht, ist seine Leidenschaft zu spüren. Es geht dann um alte Bausubstanz, um Holzfenster, denkmalgeschützte Bauten und deren Erhalt. Selten geht es um Geld. Denn das ist einfach da. Vor zwei Jahren verstarb K.s Vater, der Gastronom war und seit den 1960er-Jahren in Immobilien investierte. Insgesamt vererbte er seinen drei Kindern Immobilien im Wert von fast 100 Millionen Euro. Während sich seine Geschwister monatlich einen Teil der Mieteinnahmen auszahlen lassen, kümmert sich Stephan K. um die Geschäfte. Er hat eine Stiftung gegründet und die Zahl der Häuser in den letzten beiden Jahren vermehrt.

Was K. mit all dem Geld anfangen will? Das von seinem Vater gegründete Vermögen soll auch den nächsten Generationen ein gutes Leben ermöglichen, sagt er. Er überlege sogar, per Stiftungsstatut zu verhindern, dass jemals eine der Immobilien verkauft wird – nur um schnell mal ein paar Millionen flüssig zu haben. Er selbst wohnt übrigens in einem 100 Quadratmeter großen Haus am recht unglamourösen Rand einer deutschen Großstadt.

Die Erbin

Spätestens seit Mai dieses Jahres steht ihr Name für Klassen­verrat. So konnte es Marlene Engelhorn vor einigen Monaten in einer Tageszeitung lesen. Worin ihr Verrat besteht? Die 29-jährige Studentin will mindestens 90 Prozent ihres Erbes freiwillig an den Staat abgeben. Immerhin dürfte es sich bei Engelhorns Erbe um einen zweistelligen Millionenbetrag handeln, ihre Vorfahren erwirtschafteten das Vermögen in der Pharmaindustrie.

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Das Haus seiner Eltern war das Zuhause, das unser Autor jedem wünscht. Warum er es trotzdem nicht erben möchte, lest ihr hier

Engelhorn ist Mitbegründerin der Initiative „Tax Me Now“, bei der sich mehr als 50 Millionärinnen und Millionäre für eine Vermögenssteuer und höhere Erbschaftssteuern einsetzen. „Demokratiegefährdender Machtkonzentration in Form von Kapital und Einfluss von wenigen steht wachsende materielle Unsicherheit von vielen gegenüber“, steht auf der Homepage der Kampagne.

Marlene Engelhorn studiert noch, Germanistik an der Uni Wien, und arbeitet bei der Guerrilla Foundation, die Aktionen für mehr soziale Gerechtigkeit und gegen Diskriminierung unterstützt. Mit dem Teil des Vermögens, den sie behält, will die Millionenerbin dafür sorgen, dass weniger privilegierte Menschen ähnliche Lebenschancen wie sie selbst haben.

Tobias Lütke, Stephan K., Marlene Engelhorn: Drei sehr Reiche, die mit ihren Vermögen nicht protzen, sondern eine Verantwortung spüren – sei es für die eigene Familie, für ihr Unternehmen oder für die Gesellschaft. Natürlich gibt es auch die anderen, die man in den Klatschspalten der Presse sieht. Die sich auf Partys mit viel Bling-Bling in Szene setzen, stolz ihre großen Autos zeigen oder in Luxusrestaurants vergoldete Steaks essen. Meist sind das Stars aus dem Showbiz, Spitzensportler oder Influencer. Aber wer sind all die anderen?

Die Reichen in Deutschland neigen seit jeher zur Verschwiegenheit. Erst in letzter Zeit machten sich Forscher und Forscherinnen die Mühe, die Reichen und Superreichen in Deutschland näher zu betrachten. Die jetzt vorliegenden Daten zeigen zunächst, dass immer weniger Menschen immer mehr Vermögen haben. So besitzt das reichste Prozent der deutschen Bevölkerung rund 35 Prozent des individuellen Nettovermögens. Auf die oberen zehn Prozent entfallen 67 Prozent. Kein Wunder, dass der sogenannte Gini-Koeffizient, ein statistisches Maß zur Messung von sozialer Ungleichheit, in Deutschland auf 0,83 stieg. Bei null wären alle Vermögen genau gleich verteilt, bei eins würde alles einer einzigen Person gehören. Verglichen mit anderen Industriestaaten ein hoher Wert. Die Vermögensungleichheit verstärkt sich zudem durch Erbschaften. Laut einer Studie erben oft Menschen, die bereits privilegiert sind. Fast 25 Prozent der Erbschaften gehen an Personen, die eh schon zu den obersten zehn Prozent gehören.

Der Weg zum Reichtum ist kürzer geworden

Was die Studien auch zeigen: Wer risikofreudiger ist und gern Neues ausprobiert, bringt es eher zu großem Wohlstand als Menschen, die eine sichere Festanstellung bevorzugen. Dieser Unternehmergeist hat durch die Digitalisierung einen Schub erfahren. Kurz gesagt: Der Weg zum Reichtum ist kürzer geworden. Während alte Industrien über Jahre wuchsen, sammeln Start-ups heute in wenigen Monaten Milliarden ein – manchmal für nicht viel mehr als eine Idee. „Früher machte vor allem die Vergangenheit reich, jetzt die Zukunft“, sagt der Vermögensforscher Thomas Druyen. Dabei hätten die Statussymbole der alten Oberschicht bei der digitalen Elite an Wert verloren. „Bei jungen Erfolgreichen wird deutlich, dass der sinnvolle Einsatz von Vermögen wichtiger ist als egomane Besitzansprüche.“

Etwas anders sieht es der Autor Björn Vedder, dessen Buch „Reicher Pöbel – Über die Monster des Kapitalismus“ heißt. Er wohnt in der Nähe von München am Ammersee, wo einige der reichsten Gemeinden Deutschlands liegen. Dort, so Vedder, beobachte er Menschen, die so reich sind, dass sie glauben, auf Staat und Gesellschaft nicht mehr angewiesen zu sein. „Ansprüche von dieser Seite erscheinen schnell als Zumutung. Man glaubt, sich alles selbst zu verdanken.“

Es scheint sie also alle gleichzeitig zu geben: die arro­ganten SUV­-Fahrer wie die reichen Erben, die über das Spenden nachdenken. Die nerdigen Internetunternehmer und die Mega-Influencer mit dem goldenen Lamborghini. Es ist eben mit den Vermögenden wie mit den anderen Klassen auch: Die Oberschicht ist längst kein homogenes Milieu mehr, sondern reich an Facetten.

* Name geändert

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