Noch wirken sie etwas dümmlich, aber glaubt man der Sexindustrie, dann sollen Sexroboter das nächste große Ding sein. Das glaubt auch Matt McMullen, der Erfinder von „Harmony“. Harmony ist einer der bislang fortschrittlichsten Sexroboter auf dem Markt. Die „Haut“ besteht aus silikonähnlichem Material. Kunden können sich ein Gesicht, einen Körper und die Hautfarbe aussuchen. Nippelgröße und Nippelfarbe, Brustgröße sowieso und sogar Charaktereigenschaften sollen sich für Harmony programmieren lassen, verspricht der Hersteller. Denn unter der Perücke ist ein Computer mit künstlicher Intelligenz (englisch: artificial intelligence, kurz: AI) verbaut. Harmony soll lebendig wirken. Auf jeden Fall bewegt sie sich und redet mit den Kunden:
„Was machst du so in deiner Freizeit?“
„Ich treffe gerne neue Leute, und ich würde gerne mit dir Liebe machen.“
Wenn Harmony redet, wird sie schnell vulgär, ihre Bewegungen wirken unecht und der Blick ein bisschen glasig. Aber das hier ist erst der Anfang. Realbotix, das amerikanische Unternehmen, das Harmony zusammenschraubt, ist nur eines von vielen, die sich gerade einen Wettstreit darum liefern, wer den authentischsten Sexroboter auf den Markt bringt. Als eines der wenigen Unternehmen hat Realbotix nun auch angefangen, männliche Sexroboter herzustellen, die mit einem „bionischen Penis“ daherkommen. Dieser soll auf jede Käuferin oder jeden Käufer zugeschnitten sein. Der Verkauf von männlichen Sexrobotern mache derzeit 10 bis 15 Prozent des Umsatzes aus – Tendenz steigend.
Ab wann spricht man bei einem Computerprogramm eigentlich von „künstlicher Intelligenz“? Hier nochmal von vorne
Auch in Europa entwickelt sich allmählich eine Debatte über „intelligente“ Sexroboter. In Barcelona und Turin hat je ein Bordell eröffnet, in dem nur Sexroboter arbeiten – falls man bei Robotern von Arbeit sprechen kann. In Deutschland würde jeder Fünfte gerne mal mit einem Sexroboter schlafen, hat das Fraunhofer-Institut herausgefunden. Sechs Prozent können sich sogar vorstellen, sich in einen Roboter zu verlieben. Schon vor Jahren hat der KI-Wissenschaftler David Levy prognostiziert, dass es ab 2050 ganz normal sein wird, Roboter zu heiraten – hier geht es also um mehr als nur um die Befriedigung von sexueller Begierde. Kann die Liebe zwischen einer künstlichen Intelligenz und einem Menschen auf ganz menschliche Weise herzzerreißend sein, so wie in dem Science-Fiction-Drama „Her“?
Es gibt Menschen, denen macht diese Vorstellung Angst, und zu diesen Menschen gehört Kathleen Richardson. Die Engländerin trägt einen markanten schwarzen Pony und kann sich ganz schön in Rage reden, wenn es um Sexroboter geht. Sie hat die „Campaign Against Sex Robots“ 2015 mitgegründet und setzt sich dafür ein, das Geschäft mit Sexrobotern zu regulieren. „Manche Leute vergleichen Sexroboter ja mit Vibratoren oder Taschenmuschis, aber das stimmt nicht“, sagt Richardson,
„Unternehmen verkaufen ganze Frauen, die sich bewegen und sprechen, damit sie als Sexsklaven oder Ehefrauen benutzt werden können.“
„Sexroboter sind eine wesentlich politischere Sache, denn die Unternehmen verkaufen ganze Frauen, die sich bewegen und sprechen, damit sie als Sexsklaven oder Ehefrauen benutzt werden können.“ Um auf so eine Idee überhaupt zu kommen, müsse man schon in einer sehr misogynen Welt leben, findet sie. In einer Gesellschaft, wie David Levy sie sich schon für das Jahr 2050 vorstellt, wird der Mensch zu einem Objekt gemacht, glaubt sie. „Dehumanisation“ nennt Richardson das: eine entmenschlichte Gesellschaft, in der Frauen zu Sexobjekten und Männer zu Sexsüchtigen degradiert werden. „Das klingt für mich wie eine Dystopie“, sagt Richardson. Harmony-Erfinder McMullen verspricht Erlösung für einsame Seelen, Richardson kommentiert das nur mit einem „Diese Firmen interessieren sich einen Scheiß für uns“.
Vor sieben Jahren verkaufte nicht ein einziges Unternehmen Sexroboter, heute sind es fünf. Das Konzept dahinter mag nach Science-Fiction klingen. Aber vor 25 Jahren dachte man dasselbe auch von Smartphones und sozialen Netzwerken.
Sex mit Robotern – ist das ethisch vertretbar? Auf Nachfrage erklärten die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und der SPD, dass man dazu noch keine Position gefunden habe. „Wir glauben aber, dass das Thema extrem relevant ist“, räumt der familienpolitische Sprecher der Union, Marcus Weinberg, ein. Anders sieht das der Deutsche Ethikrat: „Im Juni beraten wir im Ethikrat zwar über Pflegeroboter, aber über Sexroboter haben wir uns noch keine Gedanken gemacht.“
„Denken Sie etwa an alte Menschen oder Menschen mit Behinderung, die Schwierigkeiten haben, Sexualpartner zu finden, und sich deshalb Sex mit Robotern wünschen.“
Andere Länder sind da schon wesentlich weiter. In den USA etwa verbietet der „Creeper Act“ seit letztem Jahr den Import und Vertrieb von Sexrobotern, die wie Kinder aussehen. Kanada denkt über ein ähnliches Gesetz nach. „Ich glaube, dass es unbedingt nötig ist, sich politisch mit dem Thema auseinanderzusetzen“, sagt Aimee van Wynsberghe von der TU Delft. Dort forscht sie an dem Thema „Responsible Robotics“ – verantwortungsvolle Robotik.
Die Einstellung von Kathleen Richardson und ihrer „Campaign Against Sex Robots“ teilt Wynsberghe nicht. „Ich glaube, wenn wir richtig mit Sexrobotern umgehen, dann können wir als Gesellschaft da wahnsinnig von profitieren“, sagt sie. „Denken Sie etwa an alte Menschen oder Menschen mit Behinderung, die Schwierigkeiten haben, Sexualpartner zu finden, und sich deshalb Sex mit Robotern wünschen.“ Für diese Menschen würden Sexroboter zunehmend interessanter, denn mit künstlicher Intelligenz ausgestattet könnten Sexroboter wesentlich mehr als nur sexuelle Bedürfnisse befriedigen. Sie könnten Intimität herstellen, kuscheln, ja vielleicht sogar eine Liebesbeziehung mit einem Menschen führen. Aber wo muss Schluss sein? Dürften Roboter auch für das Ausleben von Gewaltfantasien beim Sex genutzt werden?
„Technisch gesehen können Sie einen Sexroboter genauso wenig vergewaltigen wie einen Toaster.“
„Spätestens bei Vergewaltigungen wird es wirklich kompliziert“, sagt Wynsberghe. „Technisch gesehen können Sie einen Sexroboter genauso wenig vergewaltigen wie einen Toaster.“ Es handelt sich schließlich nicht um ein Lebewesen. Aber Menschen könnten sich durchaus sehr problematische sexuelle Vorlieben antrainieren. Die einzig klare Grenze für Wynsberghe sind Roboter, die das Aussehen von Kindern haben. Einige Psychologen dagegen sinnieren darüber, ob man kindlich aussehende Sexroboter einsetzen könnte, um Pädophilen zu ermöglichen, ihre Fantasien auszuleben – damit sie es nicht in der Realität tun.
Sexroboter, die mit einer künstlichen Intelligenz ausgestattet sind, stellen uns vor ethische Fragen, bei denen unsere moralische Intuition nicht immer weiterhelfen kann. Die Sexroboter sind keine abstrakte Erfindung der Zukunft, Leute haben schon heute Sex mit ihnen. Die gesellschaftliche Debatte darüber, was möglich sein soll und was nicht, hat gerade erst begonnen; der deutschen Politik steht sie noch bevor. Allzu viel Zeit sollten wir uns besser nicht lassen. Denn es liegt in der Logik des Marktes, dass Unternehmen alles herstellen werden, was sie verkaufen können – ohne auf die moralischen Dilemmata Einzelner zu achten.
Titelbild: Joan Alvado/NarPhotos/laif