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Wonach riecht der Klimawandel?

Der Physiker Dominik Stolzenburg erforscht, wie Aerosole aufs Klima und den Menschen wirken. Ein Gespräch über Ruß, Tankstellen und harzige Wälder

  • 7 Min.
Geruch, Klimawandel

fluter.de: Herr Stolzenburg, Sie erforschen Aerosole. Was versteht man darunter?

Dominik Stolzenburg: Ein Aerosol ist im Prinzip ein Gemisch aus Luft oder einem anderen Gas und festen oder flüssigen Partikeln. Beispiele dafür sind Staubpartikel oder Pollen. Zwar sind Aerosole sehr klein, hinsichtlich der Größe gibt es bei ihnen aber ungefähr so große Unterschiede wie zwischen einem Stecknadelkopf und dem Eiffelturm. Aerosole sind außerdem ein entscheidender Bestandteil unseres Klimasystems.

Welche Rolle spielen Aerosole für das Klima?

Sind sie groß genug, absorbieren sie das Sonnenlicht oder streuen es. Ruß absorbiert zum Beispiel sehr viel Licht und sieht deshalb schwarz aus. Außerdem erwärmt er die Luftschichten um sich herum. Ohne Aerosole gäbe es auch keine Wolken. Wenn zum Beispiel über dem Meer Wasserdampf aufsteigt und sich abkühlt, entstehen Wassertropfen. Aerosole dienen dann als Keime, an die sich Tropfen anlagern. Je mehr solcher Keime es gibt, desto mehr Wolkentröpfchen bilden sich in einer Wolke. Wolken mit diesen kleinen Tröpfchen bleiben länger bestehen und streuen das Licht besser ins All zurück als solche, in denen es weniger Aerosole gibt und die deshalb größere und schwerere Tröpfchen haben. Dadurch haben sie einen großen Einfluss auf das Klima.

„Wenn wir Aerosole einatmen, können diese tief in unsere Lunge gelangen und das Material, aus dem sie bestehen, abgeben. Unter Umständen kann das krank machen“

Mit welchen Methoden erforschen Sie die Aerosole?

Wir messen zum Beispiel, wie viele Aerosole es in der Luft gibt. Dazu saugen wir sie ein, schauen uns an, wie das Licht in der Luft gestreut wird, und ermitteln so ihre ungefähre Anzahl. Mithilfe der Lichtstreuung und anderer Messtechniken versuchen wir auch herauszufinden, wie groß die Aerosole sind, weil das eben Aufschluss über ihre Eigenschaften gibt. Darüber hinaus ist die Masse der Aerosole ein Indikator für gute oder schlechte Luft und wird deshalb an gezielt ausgewählten und sehr unterschiedlichen Messstationen in Stadt und Land ermittelt.

Das klingt, als ob Aerosole auch die Gesundheit beeinträchtigen können?

Wenn wir Aerosole einatmen, können diese tief in unsere Lunge gelangen und dort das chemische Material, aus dem sie bestehen, abgeben. Unter Umständen – je nach Expositionsdauer, Dosis, Vorerkrankungen etc. – kann das krank machen. Akute Symptome, die mit Luftverschmutzung einhergehen, sind zum Beispiel Asthma, Herzattacken und die Verstärkung von Atemwegsinfektionen. Aber auch chronische Beschwerden bis hin zu Krebs werden mit ihr in Verbindung gebracht.

Wie hängt das mit Gerüchen zusammen, zu denen Sie ebenfalls forschen?

Gerüche sind oft nur einzelne Moleküle, also Gase. Das frische und harzige Aroma eines Waldes stammt zum Beispiel von dem Molekül Alpha-Pinen, das von Bäumen gebildet wird. In der Atmosphäre wandeln diese Gase sich dann unter dem Einfluss anderer Moleküle und des Sonnenlichts um. Die dabei entstehenden Produkte bilden dann mit anderen Molekülen Aerosole. Dieser Prozess spielt auch in Städten eine entscheidende Rolle, denn auch dort gibt es viele typische Geruchsquellen, wie etwa Tankstellen, an denen sich Aerosole bilden.

Oft denkt man beim Thema „verschmutze Luft“ ja an Städte in China und Indien. Ist die Luftqualität dort wirklich viel schlechter als in Europa?

Man muss nicht um die Welt reisen, um große Unterschiede zu bemerken. Auch innerhalb Deutschlands unterscheidet sich die Luftqualität in Städten zum Teil erheblich. Abhängig ist das unter anderem von den Wetterbedingungen, die vor Ort herrschen. Stuttgart etwa liegt in einem Talkessel und ist von Randhöhen umgeben. Das ist aus meteorologischer Sicht ungünstig, weil dadurch wenig Winde durch die Stadt wehen und die Aerosole sich ungestörter bilden können – anders als zum Beispiel in Hamburg, wo es häufig windig ist. Aber natürlich unterscheidet sich die Luftqualität auch weltweit. In Ländern wie China und Indien leben zum Teil sehr viele Menschen auf engem Raum zusammen. Es gibt viel mehr unkontrollierte Emissionen, was schlussendlich zur Aerosolbildung beiträgt. In Europa haben wir zwar viel für die Verbesserung der Luft getan, allerdings stagniert der Fortschritt hier seit einiger Zeit.

„Maßnahmen wie die Abgasnormen für Autos haben die Luftqualität erhöht. Aber es gibt noch andere Quellen für Aerosole, etwa den Reifenabrieb“

Wie wurde die Luftqualität in Europa denn besser?

Hauptsächlich liegt es daran, dass der Ausstoß von Schwefeldioxid massiv zurückgefahren wurde. Schwefeldioxid wird in der Atmosphäre zu Schwefelsäure, was zu vielen Aerosolen geführt hat. Auch Maßnahmen wie der Einbau von Filteranlagen und Abgasnormen für Autos haben die Luftqualität erhöht. Allerdings hat man sich bislang stark darauf konzentriert, die Masse der Aerosole zu verringern – und nicht zielgerichtet die wirklich gesundheitsschädigenden Substanzen. So können zum Beispiel die ganz kleinen Aerosole, die quasi nichts wiegen, tief in die Lunge eindringen. Reguliert wird das bislang nicht. Deshalb gibt es auch in europäischen Städten immer noch Potenzial, die Luftqualität weiter zu verbessern. Eine Rolle dabei könnten künftig E-Autos spielen, die den Tankstellengeruch reduzieren, durch den Reifenabrieb aber auch selbst Aerosole bilden. Daneben gibt es noch weitere Quellen für die Bildung von Aerosolen wie etwa Asphalt. Darum müssen wir uns auch kümmern, wenn wir in Zukunft noch sauberere Luft haben möchten.

Woran könnte das scheitern?

Wenn wir zum Beispiel statt Asphalt ein neues Material für den Straßenbau verwenden wollen, müssen wir im Vorfeld einiges prüfen: ob das neue Material überhaupt verwendbar ist und welche Folgen die Nutzung für die Umwelt hat. Und dann muss natürlich auch der politische Wille da sein, das mögliche Potenzial solcher neuen Stoffe auszuloten.

Eine kontrovers diskutierte Möglichkeit, den Klimawandel zu bremsen, ist Geo-Engineering. Ein Ansatz dabei ist, durch das Einbringen von Schwefeldioxid die Wolkendichte künstlich zu erhöhen, wodurch das Sonnenlicht in den Weltraum reflektiert werden und die Erde abkühlen soll. Warum sehen Sie und einige Ihrer Kolleginnen und Kollegen das kritisch?

In einer typischen urbanen Luft gibt es Zehn- bis Hunderttausende organische Moleküle. Bei dieser Vielfalt könnte es ein bisschen zu kurz gedacht sein, nur auf dieses eine Molekül zu setzen. Wissenschaftlich betrachtet würde ich sagen, dass wir beim Geo-Engineering an zu vielen Stellschrauben drehen würden, ohne genau zu wissen, was dadurch passiert. Hinzu kommt, dass der Klimawandel die Zusammensetzung der Atmosphäre weiter verändern wird. Durch die Erwärmung gehen Stoffe leichter in die Atmosphäre, und es wird viel mehr Brände auf der Erde geben, wodurch mehr Ruß in die Atmosphäre gelangt. Daneben gibt es noch weitere relevante Folgen des Klimawandels wie sich verändernde Niederschlagsmuster und die Ausbreitung von Wüsten. Zusammenfassend kann man sagen, dass der Klimawandel die heute schon bestehenden Luftprobleme noch verschlimmern wird.

Dominik Stolzenburg forscht an der Technischen Universität Wien. Neben Tankstellen und Asphalt interessiert er sich auch für andere Gerüche und ihren Einfluss aufs Klima – zum Beispiel von Lacken und Putzmitteln. 

Portrait: Jürgen Christandl/KURIER

Illustration: Alexander Glandien

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.