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„Wir Jüngeren wollen oft mit dem Kopf durch die Wand“

Der Basta-Boss hat ausgedient. Meinen zumindest diese Auszubildende und ihr Chef

Fight Club

fluter: In Handwerksbetrieben geht es oft rustikal zu. Da fliegen Späne und die Fetzen. Wie ist das bei euch?

Wiebke (19): Ich bin nicht besonders konfliktfreudig und fühl mich wohler, wenn es auf der Arbeit freundlich zugeht.

Gangolf (65): Geht mir ähnlich. Ich bin Sternzeichen Fische: sehr harmoniebedürftig. Konflikte brauchen wir bei uns im Sägewerk nicht. Wir wollen gemeinsam was schaffen. Da ist Streit eher kontraproduktiv.

Was ist für euch ein Streit?

Gangolf: Große Frage. Der eine sagt, es ist ein Konflikt, wenn man diskutiert, was es zum Abendessen geben soll. Das ist aus meiner Sicht eine Meinungsverschiedenheit. Ein Konflikt ist, wenn man gar nicht mehr auf einen Nenner kommt. Und ein Streit...

Wiebke: ...das ist etwas Persönliches.

Gangolf: Ja, das würde ich auch sagen. Ein Streit ist für mich, wenn man verbal oder sogar körperlich aufeinander losgeht.

„Eine Meinungsverschiedenheit ist es, wenn man diskutiert, was es zum Essen gibt. Ein Konflikt, wenn man gar nicht mehr auf einen Nenner kommt. Und Streiten, wenn man verbal oder gar körperlich aufeinander losgeht“

Welche Streits kommen in eurem Betrieb auf?

Wiebke: Im Arbeitsalltag erlebe ich selten Streit. Hier reden alle offen über das, was sie stört.

Gangolf: Wir sind ein Familienunternehmen, wir duzen uns und arbeiten auf Augenhöhe miteinander. In meinem Büro steht die Tür immer offen. Ich denke, das unterscheidet uns von Konzernen.

Wiebke: Wir kommen alle aus der Gegend und treffen uns am Wochenende öfter privat. Wir haben eine stärkere Bindung zueinander. In anderen Firmen sieht man sich vielleicht nur auf der Arbeit, da nimmt man die Probleme bestimmt eher mit nach Hause.

Gangolf, wer kam zuletzt durch deine Bürotür, um ein Problem zu besprechen?

Gangolf: Zwei Angestellte, die nicht mehr miteinander auskamen. Im Gespräch habe ich bemerkt, dass der Ältere der beiden zunehmend mit der neuen Technik überfordert war. Seine Unsicherheit hatte sich schon auf die Beziehung zu seinem engsten Kollegen ausgewirkt, da konnte ich kaum sagen: „Wartet mal ab, in ein paar Wochen sieht die Welt wieder anders aus.“

Wie hast du das Problem gelöst?

Gangolf: Wir haben gemeinsam entschieden, dass er innerhalb des Betriebs einen anderen Arbeitsplatz besetzt. Der Prozess ging über ein Dreivierteljahr. Aber es hat sich gelohnt. Die Lösung hat funktioniert und alle zufriedengestellt.

Wiebke, was würdest du dir von deinem Chef wünschen, wenn du einen Konflikt mit einem Kollegen hast?

Wiebke: Dass er als neutraler Berater auftritt: Er sollte beide Perspektiven anhören und versuchen, die Mitte zu finden.

Gangolf: Da sehe ich mich auch: nicht von oben herab – basta, so wird es gemacht –, sondern moderierend.

Nicht ganz leicht, wenn man mit Vorgesetzten streitet ...

Wiebke: Ich nehme es hier gar nicht so wahr, dass andere am längeren Hebel sitzen. Wenn ich mich zum Beispiel bei der Urlaubsvergabe vom Meister ungerecht behandelt fühle, würde ich ihn direkt darauf ansprechen. Und erst zum Chef gehen, wenn sich herausstellt, dass es keinen triftigen Grund für die Entscheidung gibt.

Dieser Text ist im fluter Nr. 91 „Streiten“ erschienen

Gangolf: So etwas klären wir zu dritt: Gibt es objektive Gründe für die Entscheidung? Da hake ich nach. Von Leuten mit Personalverantwortung erwarte ich, dass sie unvoreingenommen sind.

Wann sind Konflikte im Unternehmen konstruktiv?

Gangolf: Wenn es um sachliche Fragen geht, bringt dich das weiter. Neulich musste an einer Maschine etwas verändert werden. Ein Mitarbeiter hat gesagt: So, wie ihr das geplant habt, ist das technisch falsch. Es fiel mir nicht leicht, aber ich habe mich überzeugen lassen. Mir ist wichtig, dass bei uns jeder zu Wort kommt und Vorschläge macht. Ich habe die Weisheit ja auch nicht mit Löffeln gefressen.

Erlebt ihr, dass Jüngere und Ältere im Betrieb unterschiedlich mit Konflikten umgehen?

Wiebke: Wir Jüngeren wollen manchmal mit dem Kopf durch die Wand und das Problem direkt lösen. Ältere denken um alle Ecken, wägen mehr ab.

Gangolf: Das sehe ich nicht so, es gibt einfach unterschiedliche Typen. Manche haben die Ruhe weg, andere eine kurze Zündschnur. Aber die Sprache unterscheidet sich: Die Jungen duzen schneller. Die sind lockerer, auch in Meinungsverschiedenheiten.

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.