Wenn Srinivasa Prasad über seine Erfahrungen bei der Wohnungssuche spricht, wirkt er traurig und wütend zugleich. „Die meisten Vermieter wollten mich nicht sehen, nachdem sie bemerkten, dass ich kein Deutscher bin“, sagt der indischstämmige studierte Automobilelektroniker, der vor wenigen Monaten gemeinsam mit seiner Familie von Hongkong nach Stuttgart gezogen ist. Obwohl Prasad bei einem bekannten deutschen Unternehmen in einer führenden Position tätig ist, wurde die Suche nach einer 2-Zimmerwohnung zu einem großen Problem. Prasad hat schwarze Haare, einen dunklen Teint und spricht fließend Englisch. Für die meisten Vermieter waren diese Umstände eine Provokation. Sie machten keinen Hehl daraus, dass sie Prasad aufgrund seiner Herkunft keine Wohnung vermieten würden.
„Wir vermieten leider an keine Menschen, die unsere Sprache nicht sprechen“
„Niemals vermiete ich meine Wohnung an jemanden wie dich. NIEMALS!!!!!“, schrieb ein Vermieter. „Wir vermieten leider an keine Menschen, die unsere Sprache nicht sprechen“, ein anderer. „Damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Ich verstehe das einfach nicht“, sagt Prasad, der nach vielen rassistischen Absagen mittlerweile ein etwas überteuertes Appartement gefunden hat. Sein jetziger Vermieter hat ebenfalls ausländische Wurzeln. Nachdem er einen kurzen Blick auf Prasads Einkommensnachweis geworfen hatte, war die Sache für ihn erledigt.
Seitens der Antidiskriminierungsstelle des Bundes heißt es, dass Rassismus und die Diskriminierung von Minderheiten bei der Wohnungssuche in Deutschland zum Alltag gehören. Die deutliche Erkennbarkeit der religiösen Zugehörigkeit, etwa durch das Tragen eines Kopftuchs, führe ganz klar zu Nachteilen. Eine Anfang des Jahres veröffentlichte Umfrage der Bundesbehörde bestätigt das: Rund 35 Prozent der befragten Menschen mit Migrationshintergrund gaben an, in den vergangenen zehn Jahren bereits Rassismus bei der Wohnungssuche erfahren zu haben.
„Sie gaben ganz offen zu, dass sie Kopftuch tragenden Frauen keine Wohnung vermieten würden“
Emine Yilmaz* suchte eine Wohnung für sich und ihre Mutter. Yilmaz ist Juristin, in Deutschland geboren und aufgewachsen. Im Laufe der Wohnungssuche wurde sie regelmäßig auf ihre türkische Herkunft angesprochen. „Als ich mich am Telefon mit den Vermietern unterhielt, schien alles in Ordnung. Dies änderte sich allerdings schlagartig, als ich vor ihnen stand“, sagt sie. Während der Wohnungsbesichtigungen wurde sie immer wieder zum Islam oder ihrer Meinung zum türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdoğan gefragt. „Ich war schockiert über die Tatsache, dass die Menschen ihren Rassismus ganz offen preisgeben. Sie fragten nach meiner Mutter und ob sie ein Kopftuch tragen würde. Sie gaben ganz offen zu, dass sie Kopftuch tragenden Frauen keine Wohnung vermieten würden“, so Yilmaz. Ähnlich wie der Juristin und ihrer Mutter geht es vielen Menschen in Deutschland. Andere werden hingegen gar nicht erst zu einem Besichtigungstermin eingeladen.
Dabei ist diese Form von Diskriminierung sogar strafbar – wenn man sie eindeutig nachweisen kann, etwa in Form von rassistischen SMS, E-Mails oder Zeitungsannoncen. Als etwa Hamado Dipama, der aus Burkina Faso stammt, im Laufe der Wohnungssuche eine rassistische Annonce auffiel, zog er vor Gericht. Der 81-jährige Vermieter, der seine Wohnung „nur an Deutsche“ vergeben wollte, musste laut Urteil des Augsburger Amtsgerichts, das im vergangenen Dezember verkündet wurde, 1.000 Euro Entschädigung an Dipama zahlen. Während der Verhandlung beschimpfte der Mann Dipama, nannte ihn unter anderem „Herr Obama“ und meinte, schlechte Erfahrungen „mit Türken“ gehabt zu haben.
„Wir wurden beschimpft und angeschrien. Warum? Weil wir Araber sind. Weil wir Muslime sind. Es gab keinen anderen Grund“
Den Rassismus auf dem Wohnungsmarkt kennen auch Omar*, Yassir* und Ali* gut. Die drei Studenten aus Syrien, Ägypten und Palästina hatten die Wohnungssuche bereits aufgegeben, übernachteten bei Freunden und waren frustriert. Dann trafen sie Ayub Akbari*, der seine Ersparnisse in ein älteres dreistöckiges Haus investiert hatte. Akbari suchte Mieter. Irgendwann meldeten sich die arabischen Studenten bei ihm. Er stellte ihnen sofort ein Stockwerk für eine WG zur Verfügung. Auch mit der Miete kam er ihnen entgegen. Im Gegenzug sollten ihm die Nachwuchsingenieure hier und da bei kleinen Bauarbeiten helfen. „Wir sind sehr dankbar und machen das gerne. Ayub hat uns Kopf und Kragen gerettet“, sagt Omar. Über ihre Erlebnisse auf dem Stuttgarter Wohnungsmarkt können sie heute lachen. „Wir wurden beschimpft und angeschrien. Warum? Weil wir Araber sind. Weil wir Muslime sind. Es gab keinen anderen Grund“, glaubt Ali.
Ayub Akbari kann den Unmut seiner Mieter nachvollziehen. Vor zwei Jahrzehnten kam er als Geflüchteter aus Afghanistan nach Deutschland. Damals fand er selbst nur schwer eine Wohnung. Den Alltagsrassismus spürt er auch heute weiterhin, nun kommt er allerdings von den potenziellen Mietern. „Manche wundern sich, dass ich überhaupt ein Haus besitze. Sie fragen, wie ich mir das leisten könne und ob ich illegale Geschäfte betreibe“, sagt Akbari. Mittlerweile leben in allen Stockwerken seines Hauses Menschen mit Migrationshintergrund. Akbari will nicht nur Geld verdienen, wie er betont, sondern in seiner Position als Vermieter auch den Menschen entgegenkommen und helfen. „Ich weiß, wie schwer sie es haben. Egal ob Ingenieur, Student oder arbeitsloser Geflüchteter. Der Rassismus trifft sie alle.“
* Namen geändert
Illustration: Frank Höhne