Mehrere Frauen demonstrieren gut gelaunt in Island am 24. Oktober 1975

Frauen, los!

Der Dokumentarfilm „Ein Tag ohne Frauen“ erzählt vom historischen Streik 1975 in Island. Damals legten 90 Prozent der Frauen die Arbeit nieder und brachten ihr Land zum Stillstand

Christopher Ferner
Thema: Kultur
13. März 2025

Worum geht’s? 

Am 24. Oktober 1975 legten in Island 90 Prozent der Frauen ihre Arbeit nieder. Sie verließen Büros, Fabriken und Geschäfte, kümmerten sich weder um den Haushalt noch um die Kinder. Sie wollten damit der Gesellschaft vor Augen führen, wie unersetzlich ihre Arbeit ist – und zugleich gegen die Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern protestieren. Denn damals verdienten Frauen in Island im Durchschnitt weniger als 60 Prozent des Einkommens von Männern und waren, anders als heute, in der Politik kaum vertreten. 

Die Auswirkungen des Streiks waren unmittelbar: In Island ging plötzlich nichts mehr. Schulen blieben geschlossen, die Produktion in Fabriken stand still, viele Geschäfte konnten nicht öffnen. Männer mussten sich auf einmal um Kinder und Haushalt kümmern – und merkten, wie wichtig die Arbeit der Frauen für den Alltag und das Funktionieren des Landes war. Die Dokumentation „Ein Tag ohne Frauen“ von Pamela Hogan und Hrafnhildur Gunnarsdóttir zeichnet nicht nur die Ereignisse dieses historischen Tages nach, sondern auch die Vorbereitungen, die dem Streik vorausgingen.

Animation einer Frau, die von einem Stiefel niedergetreten wird

Weil es wenig Videomaterial vom isländischen Frauenstreik gibt, sind in „Ein Tag ohne Frauen“ auch Animationen zu sehen 

Worum geht’s eigentlich?

Um die Macht von Protest. Dabei macht der Film deutlich, was Menschen erreichen können, wenn sie gemeinsam für eine Sache kämpfen. „Es war wahrscheinlich das bedeutendste Ereignis in meinem Leben“, sagt eine der Zeitzeuginnen. Wie bedeutend dieses Ereignis für das gesamte Land war, wird durch den Film erlebbar. 

Wie ging es dann weiter? 

Der Streik kam in der Bevölkerung gut an: Viele Menschen in Island unterstützten ihn, und die Presse berichtete größtenteils positiv über diesen Tag. Ein Jahr später beschloss das Parlament das erste Gesetz für mehr Gleichberechtigung; 1980 wurde Vigdís Finnbogadóttir als erste Frau zur Präsidentin des Landes gewählt.

Langfristig lassen sich die Folgen der Kämpfe, die die isländischen Frauen am 24. Oktober 1975 und in den Jahrzehnten danach ausgefochten haben, klar erkennen: Seit 15 Jahren führt Island das Ranking des Weltwirtschaftsforums zur Gleichstellung der Geschlechter an. Das hat unterschiedliche Gründe: So sind Frauen beispielsweise in der isländischen Politik stark vertreten. Mit Kristrún Frostadóttir als Premierministerin und Halla Tómasdóttir als Präsidentin sind derzeit zwei der höchsten Staatsämter weiblich besetzt. Zudem gilt in Unternehmen eine verbindliche Frauenquote von mindestens 40 Prozent. 

Guðrún Jónsdóttir steht auf einer Straße in der Dokumentation "Ein Tag ohne Frauen"

Wie war das damals? In „Ein Tag ohne Frauen“ kommen viele Zeitzeuginnen zu Wort. Hier zu sehen: Guðrún Jónsdóttir

Wie wird’s erzählt?

„Ein Tag ohne Frauen“ verzichtet auf eine Erzählstimme und lässt die Zeitzeuginnen selbst zu Wort kommen – darunter die schon erwähnte Vigdís Finnbogadóttir, die als Kind Kapitänin werden wollte. Doch dieser Traum wurde ihr immer wieder ausgeredet, denn Schiffe zu steuern, das sei Männersache. Kapitänin wurde sie nicht. Dafür lenkte sie später als erste Präsidentin 16 Jahre lang die Geschicke Islands und wurde so zum weltweit ersten demokratisch gewählten weiblichen Staatsoberhaupt.

Der Film nutzt spielerische Animationen, um vergangene Ereignisse lebendig werden zu lassen – besonders den Streiktag, von dem nur wenige Originalaufnahmen existieren. Männer treten in der Dokumentation zwar auf, bleiben jedoch im Hintergrund. Im Zentrum stehen jene, die Island an diesem historischen Tag verändert haben.

Das beste Zitat …

… kommt von Ágústa Þorkelsdottir, einer Bäuerin, die erzählt, wie sie früher in Island als Frau nicht als Mitglied des Bauernverbands akzeptiert wurde: „Ich wollte nicht nur Frau Pálsson sein. Ich wollte ich selbst sein. Ich war mit meinem Mann verheiratet, aber ich war kein Teil von ihm.“

Lohnt sich das?

Absolut. „Ein Tag ohne Frauen“ zeigt eindrucksvoll, wie gesellschaftlicher Wandel erkämpft wird. Die Protagonistinnen berichten mit so viel Entschlossenheit und trockenem Humor von ihrem Streik, dass man als Zuschauer:in nicht nur mit einem Lächeln, sondern auch mit dem Gefühl zurückbleibt, selbst für die Dinge, die einem wichtig sind, einstehen zu wollen. 

„Ein Tag ohne Frauen“ läuft ab dem 13. März im Kino. 

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Fotos: Rise and Shine Cinema