Thema – Tiere

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Geht auf keine Kobrahaut

Nach Drogen und Menschenhandel das größte illegale Geschäft Kolumbiens? Der Verkauf von exotischen Tieren. Der Fotograf Iván Valencia dokumentiert die Rettung geschmuggelter Tiere

  • 5 Min.
Äffchen

fluter.de: Wie kamen Sie darauf, geschmuggelte Tiere zu fotografieren?

 

Iván Valencia: Vor sechs Jahren bekam ich einen Auftrag in einem Rehabilitationszentrum für wilde Tiere. Dort sah ich einen Papagei, dessen Schnabel von Wilderern abgetrennt worden war. Er versuchte zu essen, es gelang ihm aber nicht. Das war ein ziemlich ergreifendes Bild. Es hat mich so bewegt, dass ich beschloss, diesen Tieren eine Stimme zu geben und der Welt zu zeigen, was hier passiert. Dafür versuche ich jede Station der geschmuggelten Tiere zu dokumentieren.

 

Wie kommen Sie zu den Tieren?

 

Für das Projekt kooperiere ich mit der Polizei und den Rehabilitationszentren. Zuerst bekommt die Polizei von Informanten Bescheid, wenn Wilderer oder Händler versuchen, Tiere zu verkaufen. Ich bin dann mit der Kamera dabei, wenn sie intervenieren. Die nächste Station sind die Rehabilitationszentren, dort entstehen die meisten Bilder. Ich fotografiere die Tiere mit derselben Herangehensweise wie bei menschlichen Porträts. So kann ich ihr Leid am besten einfangen. Ich „vermenschliche“ die Tiere in gewisser Weise. Das hilft, um auf das Problem aufmerksam zu machen.

Guacamaya

Konnte den Schnabel nicht behalten: Diesem Papagei wurde von Wilderern das wichtigste Werkzeug amputiert. Mit dem Schnabel lässt sich klettern, knabbern, knacken, schneiden und natürlich: nachplappern

 

Allein 2017 beschlagnahmten kolumbianische Behörden und NGOs über 23.000 Tiere. Was passiert nach der Rettung mit ihnen?

 

Wenn möglich, werden die Tiere wieder in der Natur ausgesetzt. Manche Tiere müssen aber ihr restliches Leben im Zentrum verbringen. Viele würden mit den Verletzungen, die ihnen zum Beispiel beim Einfangen oder Transport zugefügt wurden, in der Natur nicht mehr überleben.

 

Polizeieinsatz gegen Tierschmuggler

Unterwegs mit Kobra 11: Um jede Station des Tierschmuggels zu dokumentieren, kommt Iván Valencia auch auf Nachteinsätze mit

Wo werden die Tiere denn gefangen?

 

Die meisten Tiere werden im Amazonas-Regenwald gefangen, dort gibt es die größte Artenvielfalt weltweit. Besonders günstig für die Wilderer ist, dass dort drei Länder aneinandergrenzen: Peru, Brasilien und Kolumbien. Aufgrund unterschiedlicher Gesetzeslagen kann die Verfolgung der Jäger kompliziert werden. In Peru zum Beispiel ist die Jagd auf Wildtiere in manchen Fällen legal [Indigene aus dem Amazonas-Gebiet dürfen Wildtiere für den Eigenverbrauch jagen, Anm. der Redaktion], und so kann es dann schwierig sein nachzuweisen, dass das Tier nicht dort gefangen wurde.

Äffchen

Kapuzineräffchen landen besonders häufig auf den Behandlungstischen: Sie sind begehrtes Accessoire von Youtuber*Innen

Der Handel mit Wildtieren ist nach Drogen und Waffenhandel das drittgrößte illegale Geschäft in Kolumbien, das viertgrößte weltweit, Tendenz steigend. Was treibt das Geschäft an?

 

Da kann man nur mutmaßen. Ein Faktor könnte aber sein, dass immer mehr Menschen exotische Tiere als Haustier besitzen wollen. Gerade in Europa und den USA zahlen Käufer viel Geld dafür. Es ist eine Art modischer Trend: Auf YouTube gibt es massenhaft Videos von Streamern, die Kapuzineräffchen, Lemuren oder andere exotische Tiere halten. Aber auch das Fleisch, die Haut oder das Fell der Tiere ist begehrt. Aus manchen werden Stoffe gewonnen, die zum Beispiel als Aphrodisiaka gelten. Andere werden ausgestopft und als Deko verwendet.

 

Was kann man tun, um den Handel zu bekämpfen?

 

Die Lösung in einem Wort: Bildung. Viele Menschen verstehen einfach nicht, dass wilde Tiere nicht als Haustiere geeignet sind. Klar gibt es manche Tiere, die auf den ersten Blick problemlos in einem Haus gehalten werden können. Aber es kann äußerst gefährlich für ihre Psyche sein – sie wollen und sollten nur in der Wildnis leben. Der Schaden, den viele Wildtierpopulationen und Biotope durch den Handel erlitten haben, ist schwer zu reparieren. Wir können aber verhindern, dass der illegale Handel sich ausweitet. Ich persönlich plane, meine Bilder in Zukunft auszustellen, um noch mehr Menschen für dieses Problem zu sensibilisieren. Da das Problem keineswegs nur Kolumbien betrifft, möchte ich, wenn es gut läuft, mein Projekt auf andere Regionen Lateinamerikas ausweiten.

Greifvogel Sperber

Sperber sind ultrawendige Greifvögel, nach denen auch gern Jagdflugzeuge benannt werden (vgl. Curtiss F9C Sparrowhawk). Nicht aber nach diesem hier. Wilderer haben ihm in den Flügel geschossen

Nachtaffe

Der Schwanz eines Nachtaffen ist normalerweise länger als sein Körper. Bei diesem hier nicht mehr

Köhlerschildkröten

Wächst nicht nach: Durch unsachgemäßen Transport hat diese Köhlerschildkröte Teile ihres Panzers verloren

Schlange

Ein Fashionvictim weniger: Diese Phyton ist ihrem Schicksal gerade noch entkommen

Vogelköpfe

Für manche Tiere kommt jede Hilfe zu spät. Ihre potentiellen Käufer wollen mit ihnen nämlich nicht kuscheln, sondern Wände dekorieren …

Fell

… das Schlafzimmer pimpen …

Füsse

… oder an vermeintliche Wundermittelchen kommen

Tingua

Nestbau: Hier baut eine Tierärztin ein neues Zuhause für einen Tingua-Vogel

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OP

Brillenbär Billy wurde aus dem Haus eines Tierhändlers gerettet, allerdings ohne seine Klauen

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Kapuzineräffchen

Time-out: Bevor gerettete Kapuzineräffchen zurück in die Freiheit können, müssen sie erstmal in Quarantäne – auch, um den Stress des Transports in einer halbwegs geschützten Atmosphäre abzubauen

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.