Thema – Mode

Suchen Newsletter ABO Mediathek

Wer hat hier die Strumpfhosen an?

Rock, Schleifchen, Absatzschuhe: der Look der mächtigsten Männer der Welt – zumindest vor 300 Jahren. Seitdem hat sich einiges verändert

  • Einmal Schleifchen binden
Louis XIV., Macron

Ludwig XIV. galt als einer der mächtigsten Männer der Welt. Doch würde uns der französische König heute begegnen, seine Garderobe würde ihn wohl jede Ehrfurcht kosten. Auf Gemälden wie dem von Hyacinthe Rigaud wirkt sie fast wie eine Karikatur, überladen und kitschig. Zu einem riesigen blauen Mantel trägt er enge weiße Strümpfe, die fast bis zum Po reichen, dazu mit Schleifchen geschmückte Schuhe.

Doch gefiel Ludwig, der Frankreich 72 Jahre lang regierte, gerade dieses Bild. So sehr sogar, dass er mehrere Kopien anfertigen ließ. Für zeitgenössische Augen zeigte es ihn in herrschaftlicher Pose, kostbarer Kleidung und mit allen Zeichen der Macht: der Krone, dem Schwert und einem Zepter, das er wie einen Spazierstock in der Hand führte. Nichts auf diesem Bild wurde dem Zufall überlassen.

Die Mode der Mächtigen: Ludwig XIV. vs. Emmanuel Macron

Noch heute inszenieren sich Staatschefs – auch ein Nachfolger Ludwigs, der französische Staatspräsident Emmanuel Macron. Auf seinem offiziellen Foto begegnet uns Macron an seinem Schreibtisch und auf Augenhöhe. Wenn auch der klassische dunkle Anzug des Präsidenten gewöhnlicher erscheint als die pompösen Kleider Ludwigs.

Aber auch wenn sich die Kleidung im Laufe der Zeit völlig verändert hat: Sie spricht immer die Sprache der Macht. Zeit also für einen Vergleich der Mode der beiden Staatschefs, von Kopf bis Fuß.

Haare

Ludwig XIV.

Auf Rigauds Gemälde trägt Ludwig XIV. eine schwarze, gelockte und hochgesteckte Perücke, die zu dieser Zeit vor allem Männer trugen. Die hatte gleich zwei Vorteile: Zum einen machte sie ihn größer. (Der König war mit 1,60 Meter vergleichsweise klein.) Zum anderen versteckte sie Ludwigs Glatze, die er schon seit einer Erkrankung in seiner Jugend hatte. Nach Ludwigs Regierungsantritt waren Perücken in der adeligen Gesellschaft generell en vogue. Sie dienten als Statussymbol: Echthaarperücken waren teuer. Bis heute ist aber umstritten, ob Ludwig den Trend ausgelöst hat oder ihm nur folgte.

Macron

Heute wie damals legen viele Menschen Wert auf ihre Frisur. Manche färben ihre Haare oder legen sie so, dass Haarausfall verdeckt wird. Von britischen Gerichten abgesehen, an denen Richter und Anwälte in Strafprozessen immer noch gelockte weiße Perücken tragen, ist Haarersatz kein modisches Statement mehr. Macron trägt eine staatstragende Kurzhaarfrisur – wie sie bei Männern seit rund 150 Jahren Standard ist.

Mantel

Ludwig XIV.

Ludwig XIV. ist nicht zu beneiden: Die Stoffmengen seines Krönungsmantels müssen so schwer gewesen sein, dass er sich darin kaum noch bewegen konnte. Für den Alltag kann der Mantel kaum geeignet gewesen sein. Zumal das Futter mit kostbarem Hermelin besetzt und der Mantel selbst aus blauem Samt gefertigt war, bestickt mit goldenen Lilien. Die waren das Zeichen der Bourbonen – der Familie, aus der auch Ludwig XIV. stammte.

Macron

Weniger repräsentativ, aber ungleich praktikabler ist da der Anzug Macrons. Seit der Französischen Revolution 1789 ist die Männermode in Europa immer sachlicher geworden. Wie die Frisur steht der Anzug für Vertreter des Bürgertums. Die müssen morgens zur Arbeit und bevorzugen deshalb Kleidung, die leicht und zweckmäßig ist – und mit den Textilfabriken des 19. Jahrhunderts immer preiswerter wurde. Modische Standards setzte dabei das Großbürgertum. In dessen Vorstellung konzentrierte der Mann sich ganz auf den beruflichen Erfolg, während die Ehefrau unbezahlt Haushalt und Kinder versorgte. Kleider waren ab sofort nicht mehr Männer-, sondern Frauensache.

Hemd

Ludwig XIV.

Nicht nur der Mantel scheint Ludwig XIV. fast zu schlucken, auch das Hemd versteckt seinen Körper nahezu völlig. Am Kragen (als sogenannte Rüschenkrawatte) und an den Ärmeln (Manschetten) sind große Mengen teurer Spitze vernäht. Die Luxusprodukte für Hemd und Mantel wurden ursprünglich nach Frankreich importiert: Spitze aus Italien und Seide aus dem Orient. Doch Ludwig ließ beides bald auch in Frankreich selbst produzieren, Bedarf war durch den Adel schließlich immer vorhanden.

Macron

Bei Macron regiert im Vergleich wieder das Prinzip Unauffälligkeit: einfaches weißes Hemd und Krawatte, die Werkseinstellung für Männer in Verantwortung. Wer da Fliege statt Krawatte trägt, T-Shirt unter dem Jackett oder eine Farbe jenseits des uniformen Grau-Blau-Schwarz, gilt schnell als Exzentriker. Das kann unter anderem Barack Obama bezeugen. Der frühere US-Präsident wagte sich mal in einem beigefarbenen Anzug auf eine Pressekonferenz – und hört sich bis heute an, er kleide sich wie sein Großvater an einem Sommersonntag. Seit Ende des 18. Jahrhunderts tragen „westliche“ Männer normalerweise nur noch wenige strenge Farben. Da lässt die heutige Frauenmode schon mehr zu. An die farbigen Blazer von Bundeskanzlerin Angela Merkel werden sich manche erinnern – gerade weil die auf Fotos bei Gipfeltreffen unter vielen dunklen Herrensakkos besonders auffallen.

Hose

Ludwig XIV.

Lange Hosen, wie wir sie heute kennen, wurden erst nach der Französischen Revolution 1789 populär. Zur Zeit Ludwigs XIV. begnügte sich das „einfache“ Volk mit eng geschnittenen Hosen aus Filz oder Wollstoff; teure Stoffe wie Seide, Brokat und Samt standen ausschließlich Adeligen zu. Aus exklusivem Material ist auch die kurze Hose, genannt Culotte, die unter Ludwigs Mantel hervorblitzt. Unter der trägt der König weiße Seidenstrümpfe, ebenfalls ein Vorrecht des Adels. Gehalten werden die Strümpfe von Strumpfbändern knapp unter den Knien.

Macron

Mit der Französischen Revolution, also ein knappes Jahrhundert nachdem Rigaud das Bild Ludwigs gemalt hatte, übernahm statt der adeligen langsam die bürgerliche Kleidung in Europa die Stilherrschaft. Damit verschwanden auch die Culottes. Um sich vom Adel abzugrenzen nannten sich die Revolutionäre sogar „Sansculottes“ („Ohne Hosen“), was ursprünglich ein Schmähwort war für das „einfache“ Volk, das keine feinen Kniehosen trug. Sie bevorzugten Pantalons – lange Arbeitshosen, wie wir und Emmanuel Macron sie bis heute tragen.

Schuhe

Ludwig XIV.

Schuhe mit großer Schleife waren zur Zeit Ludwigs XIV. das Ding. Adelige setzten sich durch rote Absätze und silberne Schnallen vom Bürgertum ab, das diese nicht tragen durfte. Ludwig dürfte diese Schuhe aber aus einem weiteren Grund geliebt haben: Die hohen Absätze machten ihn größer.

Macron

Das Porträt Macrons reicht nur bis zur Hüfte, seine Schuhe sind nicht zu sehen. Von offiziellen Auftritten weiß man aber: Macron bevorzugt statt offenen Schuhen und Schleifchen lederne Halbschuhe. Sneaker sorgen an Politikerinnen und Politikern bis heute für Diskussionen und werden oft als Botschaft gelesen. Kein Wunder: Turnschuhe sind seit jeher Ausdruck verschiedener Jugend- und Subkulturen – womit besiegelt war, dass sie an den Füßen von Menschen mit Verantwortung auch politische Strahlkraft haben würden. Unvergessen sind Joschka Fischers weiße Nike-High Tops, die ihn 1985 zur Vereidigung als erster grüner Minister in der Landesregierung Hessens trugen. Sie waren nicht nur ein Statement gegen die Modeetikette des Politikbetriebs, sondern auch ein Ausdruck der Grünen als Lifestyle-Partei. Die neue Vizepräsidentin der USA, Kamala Harris, macht das noch subversiver. Harris trägt oft klassische Chucks. Die waren ursprünglich die Schuhe des traditionell schwarzen Basketballsports und haben einen kerndemokratischen Gedanken: Von Hippies, Punks und Hardrockern über Grunge bis hin zum Normalo gibt es kaum eine (Gegen-)Kultur, die nicht irgendwann Chucks getragen hat.

Collagen: Bureau Chateau / Jannis Pätzold

Dieser Text wurde veröffentlicht unter der Lizenz CC-BY-NC-ND-4.0-DE. Die Fotos dürfen nicht verwendet werden.