Den "traurigen Stürmer" nennt man Emmanuel Olisadebe in seinem Heimatland, weil er nach Toren nur sehr dezent jubelt – für nigerianische Verhältnisse zumindest. Grund zur Freude gibt es für den 27-Jährigen zurzeit überhaupt wenig. Beim englischen Erstligisten FC Portsmouth, zu dem er im Winter von Panathinaikos Athen wechselte, sitzt er wegen anhaltender Knieprobleme zumeist auf der Tribüne. Sein großer Traum, mit Polen zur WM nach Deutschland zu fahren, ist in weite Ferne gerückt. Obwohl Nationaltrainer Pawel Janas nicht gerade ein Überangebot an Torjägern hat, muss Olisadebe das Turnier wohl vom Sofa aus verfolgen.
Vor sechs Jahren sah alles ganz anders aus. Olisadebe, der aus der Stadt Warri in Südnigeria stammt, hatte Polonia Warschau mit seinen Treffern zur Meisterschaft geführt und war mit Abstand der beste Spieler in der "Ekstraklasa". Der damalige Nationaltrainer Jerzy Engel hatte eine nahe liegende Idee: Olisadebe solle für Polen spielen. "Ich dachte, er macht einen Witz", sagte der Angreifer, als er von Engels Gesuch erfuhr. "Aber letztendlich war die Entscheidung einfach. In Nigeria hatte man mich übersehen. Ich wollte Nationalspieler sein. Polen gab mir die Gelegenheit und ich nutzte sie." Staatspräsident Aleksander Kwasniewski nahm sich der Sache höchstpersönlich an. Nur einen Tag nachdem er den Antrag auf Einbürgerung eingereicht hatte, hielt Olisadebe den polnischen Pass in den Händen. In Polens Nationalelf war er der erste schwarze Spieler.
In Nigeria hieß man ihn einen Verräter, in Polen wurde er zum Nationalhelden. Mit sieben Toren in der WM-Qualifikation schoss er die Mannschaft quasi im Alleingang zur Weltmeisterschaft in Japan und Südkorea. Seit 1986 hatte Polen an keiner WM mehr teilgenommen.
"Olisadebe wurde zur Lichtgestalt des polnischen Fußballs", sagt der Fußballjour-
nalist Martin Harasimowicz, "er versprach eine Rückkehr zu den glorreichen Zeiten der siebziger und achtziger Jahre, als Polen eine europäische Spitzenmannschaft war." Eine öffentliche Debatte über seine Einbürgerung fand praktisch nicht statt. Das Land brauchte ihn dringend, er wollte Länderspiele machen; man sah das ganz pragmatisch. "Ich träume nicht mehr von Nigeria. Ich spiele für Polen", sagte "Oli". Damit war alles gesagt.
Selbst die in der polnischen Liga sehr umtriebigen Rassisten brachte er mit seinen Toren zum Schweigen. Bei Polonia hatte man ihn oft angespuckt und mit Bananen beschmissen; sein nigerianischer Kollege Adeniyi Agbejule wurde nach einen Foul von einem Schiedsrichter gefragt, ob er aufstehen wolle oder lieber vorher eine Banane haben wollte. Als er das Nationaltrikot anzog, hörten die Schmähungen auf. Die Polen waren stolz, dass er für die Nationalmannschaft und Panathinaikos in der Champions League einen Treffer nach dem anderen erzielte.
Leider konnte Polen bei der WM 2002 die Hoffnungen der Qualifikation nicht einlösen. Olisadebe machte ein Tor, das reichte nicht, um das Aus nach der Vorrunde zu verhindern. Danach verletzte er sich immer wieder an den Knien und kam nur noch sporadisch zum Einsatz. Der Wechsel nach England sollte das Glück noch einmal erzwingen, doch der Körper macht nicht mehr mit. Nigeria tritt nicht in Deutschland an. Olisadebe, der Pole aus Nigeria, auch nicht. Traurig.
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