Die „Schuldfrage“ ist noch nicht abschließend geklärt, der Verdächtigen gibt es viele, doch ganz besonders haben es die Ermittler derzeit auf „Fake News“ abgesehen. Was ihnen zur Last gelegt wird? Beihilfe zum Wahlsieg von Donald Trump. Wegen Komplizenschaft im Visier der Anklage: Facebook.
Das „Verfahren“ – um die Gerichtsmetapher ein letztes Mal zu bemühen – fußt nicht zuletzt auf einem Text, der in der Filterblase vieler Medienmenschen am Tag nach der Wahl die Runde machte, geschrieben von Joshua Benton, seines Zeichens Direktor des Harvard-Thinktanks Nieman Lab, der sich der Suche nach dem Qualitätsjournalismus der Zukunft verschrieben hat. Er schreibt: „Unsere Demokratie hat viele Probleme, aber es gibt wenig, was daran so viel zum Positiven verändern könnte wie Facebook, wenn es anfangen würde, sich um die Wahrhaftigkeit der Nachrichten zu kümmern – wirklich zu kümmern –, die seine Nutzer teilen und ansehen.“ Facebooks Algorithmus sei daran schuld, dass sich Falschmeldungen und andere fingierte Inhalte, die Populisten wie Donald Trump in die Karten spielen, wie ein Lauffeuer verbreiten.
Ist Facebooks Algorithmus ein Grund für den Wahlsieg von Donald Trump?
Im US-Präsidentschaftswahlkampf waren das Beiträge wie: „Papst Franziskus spricht sich für Trump als Präsident aus“. Oder: „Obama gibt zu, dass er in Kenia geboren wurde“. Das ist natürlich Quatsch, aber es bringt Interaktionen – möglicherweise sogar mehr als seriöse Nachrichten – und damit jede Menge Geld.
Dass nicht alle Fake- und Hetzseiten eine politische Agenda verfolgen, zeigt auch der Fall der mazedonischen Kleinstadt Veles. Nachdem Journalisten aus Mazedonien aufgedeckt hatten, dass in dem 45.000-Einwohner-Ort erstaunlicherweise gleich mehrere Pro-Trump-Websites registriert waren, fanden der „Guardian“ und BuzzFeed nach eigenen Angaben mehr als 100 Seiten mit Namen wie WorldPoliticus.com, TrumpVision365.com und USADailyPolitics.com. Die Jugendlichen, die dahinterstecken, interessieren sich offenbar nicht für Trump, sondern für die Werbeerlöse, die ihnen ihre Seiten einbringen. Und die sind mit oft unwahren Propaganda-Inhalten wohl am höchsten. Hauptsache, die (übrigens auch viel günstiger als wahre Nachrichten zu produzierenden) Inhalte werden möglichst häufig geteilt.
Mit der Wahl Trumps wurden die Fake News zum Politikum, sie sollen das Wahlergebnis beeinflusst haben. Und Kritiker wie Joshua Benton überlegen, ob Facebook nicht etwas gegen die Falschmeldungen tun sollte. Nur was? Die Redakteure für die Trending-Section zurückholen? Journalisten anheuern, die virale Fake-Inhalte aussortieren oder kennzeichnen? Benton ist sich da selbst nur in einem Punkt sicher: Mark Zuckerberg sollte sich Gedanken machen. Der wehrte sich bislang jedoch gegen die Vorwürfe, sie seien „crazy“, und wies die Verantwortung von sich: „99 Prozent der Facebook-Inhalte sind echt.“
Studenten programmieren ein Browser-Add-on, das Fake News enttarnt
Andere handelten: Einige Angestellte des „sozialen Netzwerks“ bildeten Berichten zufolge eine inoffizielle Task Force gegen die Fakes auf ihrer Plattform. Studenten der Princeton University nahmen sich der Aufgabe an, Unwahrheiten aus den Newsfeeds herauszufiltern, und schrieben einen Algorithmus, der Beiträge als „verified“ oder „not verified“ markiert. Das Ganze ist als Add-on für den Google-Browser Chrome erhältlich. Eine andere Browser-Erweiterung funktioniert nach einem deutlich einfacheren Prinzip: Sie gleicht Webseiten bei deren Besuch mit einer schwarzen Liste unglaubwürdiger Seiten ab und macht gegebenenfalls darauf aufmerksam, dass die Beiträge auf dieser Seite gefälscht, unwahr oder irreführend sein könnten.
Eine Redakteurin des Tech-Magazins „t3n“ machte derweil auf einen ganz anderen Punkt aufmerksam: mangelnde Medienkompetenz – und zwar nicht nur aufseiten der Trump-Wähler. Wir müssten unser Tun in den „sozialen Netzwerken“ kritisch hinterfragen, schrieb sie, schließlich likten, teilten und kommentierten wir alle dort ständig Inhalte, die wir nicht auf ihren Wahrheitsgehalt überprüft hätten.
Mittlerweile hat nicht nur Oxford Dictionaries reagiert und den Begriff „post-truth“ (dt.: postfaktisch) zum „Wort des Jahres“ gewählt, auch Google und wenig später Facebook haben sich bewegt: Sie schließen Fake-Seiten durch neue Richtlinien jetzt von ihren Werbemöglichkeiten aus.