Was passiert?
Fünf Menschen aus Manila auf den Philippinen erzählen, wie sie sich für soziale Netzwerke wie Facebook, Twitter und YouTube täglich durch 25.000 Bilder und Videos wühlen und mit einem Klick zwischen „ignorieren“ und „löschen“ entscheiden, welche der gemeldeten Inhalte sichtbar bleiben. Die Kamera schaut ihnen über die Schulter, während Kunst, Kommerz, Porno, Gewalt und Extremismus an ihnen vorbeihuschen. Die Bilder, die sie sehen, gehen ihnen nahe. Die Menschen stumpfen ab und verändern sich, während der Arbeitgeber keine Fehler toleriert und sie zur Verschwiegenheit verpflichtet. Ihre in wenigen Sekunden entschiedenen Klicks bestimmen, was in den Netzwerken für Menschen weltweit sichtbar bleiben wird. Während sich die Welt den Konsequenzen ihrer unsichtbaren Arbeit ausgesetzt sieht, werden die Betreiber der sozialen Netzwerke in der jüngeren Vergangenheit immer nachdrücklicher zur Verantwortung gezogen. Archivaufnahmen von Gerichtsverhandlungen und Interviews mit ehemaligen Teammitgliedern machen klar: Mark Zuckerberg und Co. betreiben keine NGOs, sondern hochkompetitive Unternehmen.
Und was soll uns das sagen?
Die Multimedia-Künstler Hans Block und Moritz Riesewieck, beide Absolventen der Theaterhochschule Ernst Busch, interessieren sich für verborgene Wahrheiten und politische Inszenierungen der Gegenwart. In ihrem ersten Dokumentarfilm zeigen sie die Welt der sozialen Netzwerke als Bühne einer Aufmerksamkeitsindustrie, die für ihr Wachstum Empörung und Extreme in Kauf nimmt – seien es rassistische Äußerungen von US-Präsident Donald Trump, die autoritäre Gewaltpolitik des philippinischen Präsidenten Rodrigo Duterte oder die Völkermorde in Myanmar. „The Cleaners“ untersucht, wie diese Aufmerksamkeitsindustrie die soziale und politische Realität, letztlich das kritische Denken unterwandert.
Wie wird’s erzählt?
„The Cleaners“ fühlt sich mitunter wie ein Thriller an, weniger wie eine Dokumentation. Block und Riesewieck kennen die Aufmerksamkeitsökonomie, von der sie erzählen. Sie kennen auch Laura Poitras’ „Citizenfour“, den oscarprämierten Dokumentarfilm zu Edward Snowdens Enthüllungen. Wie in Poitras’ Film vergeht kaum ein Moment ohne spannungstreibende Musik. Immer wieder verwenden sie das Bild des dunklen Büroraums, das intransparente Machenschaften symbolisieren soll. Und ständig wird gesprochen: Meinung trifft auf Meinung, Archivaufnahme auf Gegenwartskommentar, offizielle Informationspolitik auf aufklärerische Gegenthese.
Stärkster Satz
Manchmal wird es todtraurig, wenn die Content-Moderatoren reden dürfen. Eine junge Frau sagt: „Ich wollte sofort hinschmeißen. Ich hatte Angst, als Müllsammlerin zu enden. Deshalb hab ich mich in der Schule sehr angestrengt.“
Geht gar nicht
Die Konzerne kommen schlecht weg, taugen bei „The Cleaners“ aber auch als dankbares moralisches Feindbild. Ebenso wie nach politischem Sprengstoff sucht der Film nach den reißerischen Bildern, die die sozialen Netzwerke nicht erreichen oder gelöscht werden. So filmen Block und Riesewieck noch schnell einen Obdachlosen im Vorbeigehe und halten besonders lange auf die Wasserleiche eines Kindes oder den enthaupteten Körper eines IS-Gefangenen. Dabei braucht man diese Schockmomente gar nicht, um die Geschichte zu verstehen.
Ideal für …
… Leute, die sich weder von Verschwörungstheorien noch von filmischen Weltformeln einlullen lassen wollen. Und für Streitwillige, denn über den Film, seine Gewichtungen und seinen Stil lässt sich ganz prima diskutieren.
„The Cleaners“, Deutschland/Brasilien 2018; Regie: Hans Block und Moritz Riesewieck; 88 Minuten. Der Film läuft ab heute in den Kinos.