Am Tag, an dem Leah DuBuc für den Staat zur gefährlichen Pädophilen wurde, war sie selber erst zehn Jahre alt. In ihrer Darstellung hatte sie auch gar nichts verbrochen, sondern mit ihren jüngeren Brüdern nachgespielt, was sie ihm Fernsehen gesehen hatte: Sie zogen sich aus und taten so, als hätten sie Sex. Einer von beiden erzählte es später wahrscheinlich einem Therapeuten, und der alarmierte die Polizei.
In Deutschland wäre das kein Fall für die Gerichte, doch in manchen Bundesstaaten der USA wird das anders gesehen. Hier gelten selbst Kinder schnell als Sexualstraftäter, vor denen der Staat die Bevölkerung mit allen Mitteln schützen muss. Seit 1994 muss jeder Bundesstaat eine einschlägige Datenbank führen, seit 1996 ist sie öffentlich einsehbar. Die beiden Gesetze, die das ermöglichen, entstanden nach zwei besonders brutalen Morden an Kindern, die Eltern in den USA beunruhigten.
Leah gestand schließlich auf Anraten ihres Pflichtverteidigers echten Sex, weil sie hoffte, ihren schwierigen Lebensverhältnissen zu entkommen, und wurde daraufhin für zwei Jahre in einer therapeutischen Anstalt untergebracht. Wäre sie älter gewesen, sagte der Richter, hätte er sie lebenslang ins Gefängnis gesperrt.
Das eigentliche Martyrium begann jedoch erst nach der Therapie. Leah wurde in eine öffentliche Datenbank für Sexualstraftäter aufgenommen. Mehr als 750.000 Menschen sind laut der Organisation „Women Against Registry“ zurzeit mit Namen, Bild und Adresse gespeichert. Kommerzielle Webseiten wie „Family Watchdog“ erstellen Karten und informieren besorgte Nachbarn, dass neben ihnen ein angeblicher Sexverbrecher lebt. Es gibt zahlreiche Beispiele von Jugendlichen, deren Leben so nachhaltig zerstört wurde. Auch Leah hatte keine Chance, ihrer Vergangenheit zu entkommen. „Ich habe unzählige Zusagen für Praktika verloren, nachdem die Arbeitgeber rausfanden, dass ich in der Datenbank bin. Ich musste das College verlassen, verlor mein Stipendium und lebte in einer Obdachlosenunterkunft. Die Chefs von Subway, Burger King und McDonald’s sagten mir: ‚Wir stellen keine Sexverbrecher ein.‘“
Je nach Bundesstaat dürfen ehemalige Sexualstraftäter auch nicht mehr in der Nähe von Schulen, Spielplätzen oder Kindergärten wohnen. Mittlerweile muss man noch nicht mal einen anderen Menschen berühren, um in der Datenbank zu landen. Es reicht, wenn sich Jugendliche Nacktbilder voneinander schicken und das jemand herausbekommt. Wie schrecklich die Konsequenzen des Onlineprangers sein können, zeigt der Fall von William Elliott. Er hatte mit 19 einvernehmlichen Sex mit seiner 15 Jahre alten Freundin und wurde deswegen angezeigt. Weil er in der Datenbank landete und seine Adresse frei verfügbar war, ermordete ihn später ein Killer, der es Pädophilen heimzahlen wollte. Trotz solcher Vorfälle wurde das US-amerikanische Beispiel sogar in Europa kopiert. 2018 hat Polen ein Register für Sexualstraftäter online geschaltet, in dem auch Teenager zu finden sind.