Worum geht’s?
Alice ist Journalistin, 39 Jahre alt, clever, motiviert, kommunikativ. Dann verliert sie ihren Job. Ihren Freunden spielt sie weiterhin die erfolgreiche Freelancerin vor. Ein Bewerbungstraining, das das Arbeitsamt für eine gute Maßnahme hält, bricht sie schließlich ab – prompt werden die Bezüge gekürzt. Zu stolz, um ihre immer drängender werdende Geldnot zuzugeben, verstrickt sie sich in ein Lügenkonstrukt. Und sie kämpft weiter, um nicht den Anschluss zu verlieren.
Was zeigt uns das?
Dass es ganz schön stressig ist, keinen Job zu haben. Jeden Morgen um sieben Uhr steht Alice auf – ohne recht zu wissen, was sie tagsüber tun soll. Außer natürlich Bewerbungen schreiben. Absagen kassieren. Weitere Bewerbungen schreiben, ausrechnen, wie die Miete diesen Monat zusammenkommt, noch mehr Absagen kassieren.
Wie wird’s erzählt?
Das Spiel „Reise nach Jerusalem“ wird in Lucia Chiarlas Film zur Metapher der Arbeitssuche in einer Gesellschaft, die sich immer stärker über den Beruf definiert. Wer keine Arbeit hat, glaubt irgendwann, dass mit ihm etwas nicht stimmt. Davor hat auch Alice Angst. Mit ihrem Porträt einer Frau, die durchs Raster fällt, gibt die Regisseurin dem Menschen hinter der Statistik ein Gesicht. Und sie offenbart, dass Arbeitslose nicht nur ihre Arbeitslosigkeit überwinden müssen, sondern auch in ihrem Umfeld dem Druck ausgesetzt sind, den Schein zu wahren und der Abwärtsspirale zu entkommen, die in unserer Gesellschaft eine beeindruckende Dynamik entwickeln kann. Alice hat nicht einfach nur Pech – sie kämpft gegen Windmühlen.
Good Job!
Hauptdarstellerin Eva Löbau spielt die Alice so gut, dass man ihr die Kekspackung, die sie sich nicht mehr leisten kann, am liebsten schenken würde. Und sie schafft es, ihrer Figur auch dann noch Würde zu verleihen, wenn sie mit abgebrochenem Eckzahn im Bewerbungsgespräch sitzt und am liebsten im Erdboden versinken möchte.
Klappt nicht so
Der Film tänzelt keineswegs um Klischees herum, sondern rennt mit allen existierenden Klischees durch Berlin (die Airbnb-Gäste aus Frankreich inklusive, die von Alice’ heruntergekommener Einzimmerwohnung begeistert sind: „Typiquement Berlin – arm aber sexy!“). Dabei bleiben die Überraschungsmomente auf der Strecke. Dass Alice schließlich ihren Nachbarn, einen Callboy, mit Tankgutscheinen, die sie bei dubiosen Jobs von Marktforschungsinstituten bekommt, für Sex bezahlt, ist dann doch etwas dick aufgetragen.
FYI
Der Film wurde ohne Produktionsförderung oder Beteiligung eines Senders mit einem geringen Budget gedreht. Das Bundesamt für Kultur und Medien (BKM) unterstützte das Projekt mit einer Verleihförderung.
Ideal für …
Leute, die sich auch mal einen Film ansehen, der nicht nur oberflächlich dahinplätschert. Man fühlt sich schlecht bei diesem Film – aber genau darum geht es. Und das schafft der Film in jedem Fall, während wir Alice auf ihrer „Reise nach Jerusalem“ ein Stück begleiten.
Titelbild: Filmperlen