Thema – Populismus

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Fear gewinnt

Ob in Deutschland, Spanien, der Türkei oder Brasilien: Überall mischen Populisten mit. Aber was ist Populismus? Wie und warum funktioniert er? Die wichtigsten Antworten im FAQ

Was ist Populismus?

Populismus war, frei nach Terry Eagleton, lange vergleichbar mit Mundgeruch: Haben immer die anderen, nie man selbst. Heute ist Populismus nicht nur Etikett für eine politische Strategie oder Rhetorik, sondern wird auch selbst politisch gebraucht: als Kampfbegriff zur Bewertung von Meinungen oder als Selbstbezeichnung – um anzuzeigen, dass man die Interessen „des Volks“ vertritt. Per Definition eint Populisten, dass sie einen grundlegenden Gegensatz beschwören zwischen der „korrupten herrschenden Elite“ und dem „wahren Volk“, als dessen Repräsentant sie sich inszenieren. Daher auch der Begriff, der sich vom lateinischen „populus“ (zu Deutsch: Volk) ableitet. Diese wissenschaftlich weitgehend akzeptierte Minimaldefinition trifft sicher ein zentrales Moment des Populismus, ist aber immer noch umstritten.

Warum ist es so kompliziert, Populismus zu definieren? 

Von Land zu Land sind die Populismen viel zu unterschiedlich und zu dynamisch, um sie in einen Topf zu werfen: Podemos in Spanien, die Labour-Partei unter Corbyn, Trump in den USA, Orbán in Ungarn, die AfD, Erdoğan in der Türkei, Duterte auf den Philippinen oder Maduro in Venezuela – eine allgemein gefasste Definition droht die Eigenheiten und Radikalisierungsdynamiken dieser Bewegungen zu ignorieren. Deshalb plädiert in Deutschland zum Beispiel der Sozialwissenschaftler Wilhelm Heitmeyer dafür, die AfD nicht mehr dem Rechtspopulismus zuzurechnen, sondern dem „Autoritären Nationalradikalismus“. Kurz: Populismus ist und bleibt schwer zu fassen, ein gründlicher Blick auf die einzelnen Länder lohnt.

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Wie argumentieren Populisten?

Populisten haben den Anspruch, einfache Lösungen für komplexe Probleme anzubieten. Diese Vereinfachungen sind für eine erfolgreiche politische Kommunikation zwar sinnvoll, ein Stück weit unvermeidlich und seit jeher verbreitet. Letztlich aber eben: unterkomplex. Außerdem inszenieren sich Populisten nicht als Personen mit einer Meinung unter vielen, die man diskutieren kann. Sondern als Vertreter des „einzig wahren“ Volkswillens, den sie rhetorisch scharf gegen die Positionen der vermeintlichen Elite abgrenzen. 

Was soll problematisch daran sein, dass Populisten fürs Volk sprechen?

Erst mal nichts, die Volkssouveränität ist ein zentrales Prinzip der Demokratie. Allerdings wollen Populisten oft auch über die Zugehörigkeit zum „wahren Volk“ entscheiden. Kritische Journalisten („Lügenpresse“) oder Parlamentarier konkurrierender Parteien („Altparteien“ oder „Kartellparteien“) werden wegen unliebsamer Meinungen ausgeschlossen und zu Gegnern erklärt. Das macht den Populismus im Kern antipluralistisch und tendenziell antidemokratisch. Heißt: Für Populisten ist ein dynamischer – und damit auch immer unvorhersehbarer – politischer Prozess gar nicht nötig: Es reicht aus, den vermeintlich „wahren Volkswillen“ zu kennen, der nur darauf wartet, umgesetzt zu werden. Ein Wahlslogan des FPÖ-Politikers Heinz-Christian Strache lautet entsprechend: „ER will, was WIR wollen“.

Wen bezeichnen die Populisten als Volk?

Darauf haben Populisten verschiedene Antworten. Manche tendieren zu einem ethnischen, andere zu einem an der Staatsbürgerschaft orientierten Volksbegriff. Deshalb unterscheiden Politikwissenschaftler zwischen exkludierenden und inkludierenden Formen des Populismus.

Der Populismus ist keine eigenständige Ideologie. Er lädt sich bei gastgebenden Ideologien wie dem Konservatismus oder dem Liberalismus ein

Die erste will vor allem bestimmte Menschen ausschließen, beispielsweise als „Sozialstaatsschmarotzer“ verunglimpfte Immigranten und Asylbewerber oder ethnische Minderheiten. Der inkludierende Populismus will wiederum unterprivilegierte Bevölkerungsschichten einschließen, lateinamerikanische Populisten zum Beispiel die Indigenen. Gleichzeitig erklären auch inkludierende Populisten manchmal Minderheiten zu Feindbildern. Zum Beispiel zeigen sich Teile der britischen Labour-Partei unter Jeremy Corbyn antisemitisch.

Dieser Flexibilität wegen bezeichnen Forscher den Populismus als „dünne Ideologie“: Er geht Verbindungen mit anderen „gastgebenden Ideologien“ ein, die vom Konservatismus über libertäre bis hin zu sozialistischen Vorstellungen reichen können.

Gibt es Kriterien für populistische Wahlerfolge?

Die Frage, in welchen Ländern die „Nation“ als Bezugspunkt herhält und in welchen die „Klasse“, wo also eher Rechts- und wo eher Linkspopulisten Erfolg haben, ist nicht einfach zu beantworten. Sagt zumindest Philip Manow, Politikwissenschaftler an der Universität Bremen: Nationale Arbeitsmärkte, Wohlfahrtsstaaten oder wirtschaftliche Wachstumsmodelle bedingen ganz unterschiedliche Probleme, auf die die Populisten in ihrer „Volk gegen Elite“-Rhetorik reagieren können. Manows Analyse zeigt aber auch, dass Populisten dort Erfolg haben, wo wirtschaftliche Verteilungskämpfe stattfinden. Problematisch an dieser Argumentation: Sie schließt von politökonomischen Strukturen unvermittelt auf das Wahlverhalten – und übersieht, dass gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit über Jahrzehnte stark verbreitet sein kann und sich erst spät in einem passenden parteipolitischen Angebot äußert. 

Foto: Hans Christian Plambeck/laif

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