Thema – Gender

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Achtung statt Begutachtung

Warum trans- und intergeschlechtliche Menschen ein neues Gesetz fordern

Transgender, Selbstbestimmungsgesetz

Unser Staat hat viele Aufgaben. Eine ist, die geschlechtliche Identität zu schützen – egal welchem Geschlecht man sich zuordnet und ob man sich überhaupt einem zuordnet. Ein neues Gesetz soll deshalb jetzt mehr Selbstbestimmung für trans- und intergeschlechtliche Personen bringen. Der Entwurf zum sogenannten Selbstbestimmungsgesetz wird heute auf Antrag der Grünen das erste Mal im Bundestag diskutiert. Es soll das Transsexuellengesetz von 1981 ablösen, das vom Bundesverfassungsgericht schon mehrfach für verfassungswidrig erklärt wurde.

Die wichtigsten Änderungsvorschläge: Menschen könnten künftig ohne großen Aufwand ihren Vornamen und das im Personenstand eingetragene Geschlecht ändern. (Sowie Nachnamen, aus denen man das Geschlecht schließen kann.) Außerdem hätten trans* und inter* Personen künftig leichteren Zugang zu medizinischen Angleichungsmaßnahmen wie operativen oder medikamentösen Behandlungen.

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Was macht einen Mann zum Mann? Eine Frau zur Frau? Gibt es Menschen, die weder Mann noch Frau sind? Oder vielleicht sogar beides?

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In „Gender as a Spectrum“ porträtiert der Fotograf Joseph Wolfgang Ohlert Menschen, die Geschlechternormen hinterfragen.

Dass Transgeschlechtlichkeit keine Krankheit ist, hat die Weltgesundheitsorganisation 2018 offiziell bestätigt. Alle Schritte der Transition, vor allem die Geschlechtsanpassung, müssen derzeit in Deutschland aber noch einzeln vor Gericht erkämpft werden. „Durch das geltende Transsexuellengesetz müssen trans* Personen aktuell zwei Gutachten über sich ergehen lassen, die teuer, langwierig und entwürdigend sind“, sagt Kalle Hümpfner, Fachreferent*in beim Bundesverband Trans* in Berlin. Änderungen an Namen und Personenstand würden so häufig länger als ein Jahr dauern, die medizinische Geschlechtsangleichung noch länger.

Die große Frage: Wie kann man beweisen, dass jemand mit dem falschen Geschlecht geboren ist?

Dabei brauchen viele Betroffene schnell eine Transition, sagt Hümpfner. „Das Leben in einem Körper, der nicht zur eigenen Geschlechtsidentität passt, kann sehr belasten.“ Trans* Personen seien unterschiedlichen Diskriminierungen ausgesetzt: Beleidigungen bei Behörden, intimen Befragungen durch Ärzt*innen, Fremdoutings, öffentlichen Drohungen oder Gewalt. „Gerade während des Lockdowns, als die Straßen leerer waren, wurden trans* Personen im öffentlichen Raum öfter angegriffen“, sagt Hümpfner. „Trans* Frauen, Persons of Color und schwarze trans* Menschen sind davon noch mal härter betroffen.“

Von 1995 bis 2017 wollten laut Bundesregierung knapp 23.000 Menschen ihr Geschlecht im Pass ändern. Die Deutsche Gesellschaft für Transidentität und Intersexualität schätzt aber, dass bis zu 0,6 Prozent der Bevölkerung trans* sind – also rund 500.000 Menschen.

Wer in Deutschland eine geschlechtsangleichende Maßnahme will, muss derzeit noch ein ärztliches Gutachten nachweisen. Vor der Bewilligung einer Hormontherapie muss beispielsweise eine psychische Störung festgestellt werden. Trans* Personen berichten, dass bei diesen psychiatrischen Begutachtungen nicht selten sexuelle Neigungen, Aussehen, Kleidung und Körpersprache geprüft werden.

Auch die Kosten für eine geschlechtsangleichende Operation tragen Krankenkassen nur, wenn eine Therapie die psychischen Spannungen nicht lindern kann. Das heißt auch, dass, wer finanzielle Hilfe für eine Operation braucht, eine Therapie nachweisen muss. Manche Betroffene nehmen die als Hilfsangebot an und wahr – anderen erscheint es wie eine „Zwangstherapie“, die sie stigmatisiert und pathologisiert, sagt Hümpfner.

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Begonnen hat Ohlert das Projekt in seinem persönlichen Umfeld, hauptsächlich in Berlin. Schnell fand er auch Menschen in anderen Städte wie Paris oder New York.

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„Gender as a Spectrum“ soll kein Lehrbuch sein, das Geschlechter definiert, sondern eine persönliche Auswahl: Jede*r Porträtierte hat sich frei entschieden, wer oder was er*sie sein will.

Diese Regelungen sollen jetzt mit dem Entwurf der Grünen zum „Selbstbestimmungsgesetz” gelockert werden. FDP und Die Linke hatten in der Vergangenheit ähnliche Vorstöße unternommen, CDU und CSU positionierten sich bisher dagegen. Auch von der AfD wird Ablehnung erwartet. Die Hauptargumente der Kritiker*innen: Durch die vereinfachte Änderung des Namens für trans* Personen werden andere Personen benachteiligt, die weiterhin den Weg über ein Verwaltungsverfahren gehen müssten. Außerdem seien die psychiatrischen Gutachten zur Änderung des Personenstandes notwendig, weil Expert*innen die Geschlechtsidentität und die psychische Gesundheit der Antragstellenden am besten beurteilen könnten.

Als Kompromiss könnten CDU und CSU eine Beratung statt eines Gutachtens vorschlagen

Als Kompromiss könnten CDU und CSU eine Beratungs- statt einer Gutachtenpflicht vorschlagen. So sind in Deutschland beispielsweise auch „Schwangerschafts­konflikte“ geregelt: Frauen, die abtreiben wollen, müssen eine Beratung vorweisen, kein Gutachten. Für einen ähnlichen Vorschlag wurde die SPD aber vergangenes Jahr kritisiert: Katarina Barley, damals noch Bundesjustizministerin, hatte sich gegen eine Begutachtungspflicht, aber für eine „qualifizierte Beratung“ ausgesprochen. Trans* Aktivist*innen argumentierten hingegen, dass diese Regelung nicht im Sinne der Betroffenen sei, sondern deren Diskriminierung lediglich durch ein neues Gesetz fortführe.

Unter anderem solche Regelungen werden in den kommenden Wochen erneut debattiert: Heute wird der Entwurf zum Selbstbestimmungsgesetz in erster Lesung im Bundestag eingebracht und diskutiert, danach berät der Ausschuss für Inneres und Heimat. Die Grünen haben angekündigt, währenddessen die Anhörung von trans* und inter* Verbänden zu beantragen, damit sie die Dringlichkeit des Gesetzes vor den Ausschüssen erläutern können. In zweiter Lesung wird anschließend über den Entwurf abgestimmt und das Gesetz abgelehnt oder verabschiedet.

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