Kunst im Haifischbecken
Der Kinofilm „Die Akademie“ zeigt die dunklen Seiten der Kunstwelt: Machtmissbrauch, Manipulation und toxische Strukturen. Eine junge Studentin kämpft um ihren Platz – und um ihre künstlerische Stimme

Worum geht’s?
Jojo (Maja Bons) wird an einer renommierten Kunstakademie angenommen. Besonders aufregend: Sie darf in der Malereiklasse des berühmten Professors Robert Copley (Jean-Marc Barr) studieren. Doch bereits am ersten Tag bekommt sie zu spüren, dass die Akademie wenig mit der schillernden Kunstwelt zu tun hat, die sie sich ausgemalt hatte: Als sie das Klassenzimmer von Professor Copley betreten möchte, wird sie von dessen Assistenten abgewiesen. Der sagt ihr, sie stehe nicht auf der Liste und Copley habe es sich womöglich anders überlegt. Jojo muss gegen die Tür hämmern und ihren Professor erstmal davon überzeugen, dass sie es auch wirklich verdient, an der Akademie zu studieren, bevor sie in die Klasse aufgenommen wird. Von da an muss sie sich immer wieder beweisen und sucht verzweifelt nach ihrer künstlerischen Sprache. Dafür legt sie Nachtschichten ein, in denen sie an ihren Gemälden arbeitet – nur damit sie am nächsten Morgen von Copley zerrissen werden. Jojo gibt trotzdem nicht auf und findet allmählich Verbündete, die ihr die faszinierende Seite des Kunstschaffens zeigen. Allerdings ist da noch der seltsame Mann, der nachts düstere Bilder von gequälten Figuren an die Wände der Akademie malt. Später stellt sich heraus: Sein Schicksal ist eng mit Jojos künstlerischen Karriere verbunden.

Jojo (Maja Bons) wird von ihrem Professor immer wieder schikaniert
Worum geht’s wirklich?
Um das toxische System der Kunstakademie: Jojo und ihre Mitstudierenden erfahren durch die Lehrenden psychische und teils auch sexuelle Gewalt. Das Machtgefälle zwischen den Studierenden und den berühmten Professoren scheint jegliche Übergriffe zu rechtfertigen. Auch untereinander kommt es zu Neid und Manipulation. Die Akademie ist ein Haifischbecken, in dem zwischen Missgunst und Machtspielchen jede und jeder selbst um sein Überleben kämpfen muss.
Wie nah ist das an der Realität?
Vermutlich ziemlich nah dran. Viele Kunstakademien unterscheiden sich in der Dynamik zwischen Studierenden und Lehrenden stark von anderen Universitäten oder Hochschulen. Die Professor:innen sind oft angesehene Künstler:innen und genießen VIP-Status. Festgelegte Abläufe in der Lehre gibt es daher in der Regel nicht. Die unhinterfragten Methoden angesehener Lehrender und die Abhängigkeit der Studierenden können zu einem ungleichen Machtverhältnis führen, das mit großem Leistungsdruck verbunden ist. Gleichzeitig sind Kunstakademien wertvolle Orte für junge Kunstschaffende. Dort können sie Gleichgesinnte finden und bekommen viel Raum, sich künstlerisch zu entfalten. Diese Ambivalenz spiegelt der Film wider.

Schnell merken die neuen Studis: Talent ist an der Akademie nicht genug
Wer erzählt hier – und wie?
Die Regisseurin Camilla Guttner hat selbst an der Akademie der Bildenden Künste in München studiert. Die Szenen zwischen Profs und Studis wirken vielleicht auch deshalb so authentisch, weil Guttner in der Vergangenheit ähnliche Erfahrungen gemacht hat wie Jojo. Die Akademie und die Figuren sind im Film zwar fiktiv, doch die Protagonist:innen entsprechen bestimmten Typen, die es wahrscheinlich an jeder Kunstakademie gibt: die talentierte Anfängerin, die sich den Respekt erst verdienen muss, der 40-jährige Dauerstudent, der immer noch nicht von seiner Kunst leben kann, oder der dem Alkohol zugeneigte Professor, der aus Ehrfurcht vor seinem Schaffen Unantastbarkeit genießt. Die Ästhetik des Films entspricht dem Bild, das viele vom Kunststudium haben: bekritzelte Wände, Farbflecken auf den Klamotten, und ab und zu läuft ein Typ mit einem riesigen Ei, das aussieht wie eine Diskokugel, durchs Bild. Die Kunstwelt eben.

Unsere Autorin findet: Echte Einblicke in die Kunstwelt waren überfällig
Lohnt es sich?
Ja. Endlich wagt ein Spielfilm einen Blick in die abgeschottete Welt der Kunstakademien und zeigt die toxischen Verhältnisse auf, die dort nach wie vor existieren. Einziger Kritikpunkt: Die Dialoge sind manchmal etwas sperrig und wirken dadurch weniger authentisch.
Fun Fact:
Die Kunstwerke, an denen Jojo im Film arbeitet, wurden von der Regisseurin Camilla Guttner selbst gemalt.
„Die Akademie“ läuft ab dem 20. März 2025 im Kino.
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Fotos: Luca Bigazzi