Nach dem Ende der NS-Diktatur setzte die Mehrzahl der Alt- und Neonazis auf legale Organisationsformen. Der zunehmende Erfolg der NPD ab 1965 schien ihnen recht zu geben. Doch spätestens mit ihrem Scheitern bei der Bundestagswahl 1969 galt der parlamentarische Weg vielen radikalen Neonazis als aussichtslos. Manche griffen stattdessen zu den Waffen. Ihr Ziel war die „Nationale Revolution“. Immer häufiger entdeckte die Polizei jetzt bei Razzien Panzerfäuste, Schusswaffen und Sprengstoff. Verfahren wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung gab es trotzdem lange keine.
Das German Institute on Radicalization and Deradicalization Studies listet seit 1963 mehr als 100 rechtsterroristische Personen und Gruppen auf. Ab 1971 finden sich in der Datenbank 156 erfolgreiche und versuchte Sprengstoffanschläge, 348 rechtsextrem motivierte Morde und Mordversuche sowie 238 Raubüberfälle.
Einzeltäter? Die terroristische „Wehrsportgruppe Hoffmann“ hatte über 400 Mitglieder
Die größte und gefährlichste Terrorgruppe gründete sich 1973. Der damals 35-jährige Neonazi Karl-Heinz Hoffmann scharte rund 400 junge Mitglieder um sich und führte jahrelang mit scharfen Waffen, Stahlhelmen und NS-Uniformen paramilitärische Übungen in den bayerischen Wäldern durch. Erst 1980 wurde die Wehrsportgruppe Hoffmann (WSG) verboten und 18 Lastwagenladungen mit Waffen, Propagandamaterial und Sprengstoff beschlagnahmt. Acht Monate später verübte WSG-Anhänger Gundolf Köhler den bis heute blutigsten terroristischen Anschlag der Bundesrepublik. Auf dem Münchener Oktoberfest zündete Köhler eine Rohrbombe. 13 Menschen starben, mehr als 200 wurden verletzt. Wenige Wochen später wurden in Erlangen der jüdische Verleger Shlomo Lewin und seine Lebensgefährtin Frida Poeschke erschossen. Der Täter, Uwe Behrendt, war ein wichtiger Mann in Hoffmanns Terrorgruppe. Hoffmann selbst wurde nach seiner Flucht ins Ausland 1984 wegen Verstößen gegen das Waffen- und Sprengstoffgesetz, Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu neuneinhalb Jahren Haft verurteilt.
„Für Polizei, Geheimdienste und Bundesregierungen stand der Feind links“
In den 1970er-Jahren hatten sich noch viele weitere rechtsextreme Gruppen für den Weg in den Terrorismus entschieden. 1979 fand in Bückeburg der erste große Prozess gegen drei dieser Gruppen statt. Angeklagt waren Mitglieder der Wehrsportgruppe Rohwer, Wehrsportgruppe Werwolf und der Aktionsfront Nationaler Sozialisten um den Neonazi Michael Kühnen. 1977 hatten sie eine Kaserne bei Hamburg überfallen und ein Maschinengewehr erbeutet. Später raubte die Gruppe einen Bauunternehmer in Köln und eine Sparkasse in Hamburg aus. Ein Jahr danach folgte ein Überfall auf einen NATO-Truppenübungsplatz, bei dem vier Maschinenpistolen entwendet wurden. Als Nächstes hatten die Rechtsterroristen die Befreiung von Hitler-Stellvertreter Rudolf Heß geplant, der eine lebenslange Haftstrafe absaß, sowie einen Anschlag auf die KZ-Gedenkstätte Bergen-Belsen – sie flogen jedoch vorher auf.
Urteile gegen Rechtsterroristen waren zu der Zeit ungewöhnlich mild. So wurde Kühnen zwar für seine Taten, jedoch nicht wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung verurteilt. Das befeuerte andere Rechtsextreme, jetzt erst recht weiterzumachen. „Für Polizei, Geheimdienste und Bundesregierungen stand der Feind links“, sagt der Berliner Rechtsterrorismus-Experte Sebastian Wehrhahn. Zu sehr war man zu diesem Zeitpunkt mit der RAF und anderen linksextremen und linken Gruppen beschäftigt. Der rechte Terror ging derweil weiter.
Die milden Strafen ermunterten andere Rechtsextreme, weiterzumachen
1980 versuchte ein Mitglied der neonazistischen Volkssozialistischen Bewegung Deutschlands, Waffen über die Schweizer Grenze zu schmuggeln. Bei seiner Entdeckung schoss er sofort, zwei Schweizer Polizisten starben. Gegründet worden war der Vorläufer der Gruppe 1971 von Friedhelm Busse, einem glühenden Nazi, der sich als 15-Jähriger noch kurz vor Kriegsende freiwillig für die Waffen-SS gemeldet hatte. Sein Kommando Omega lieferte sich 1981 in München bei einem versuchten Banküberfall einen Schusswechsel mit der Polizei. Zwei Neonazis wurden erschossen. Zwar wurde Busse anschließend unter anderem wegen „Begünstigung von Bankräubern“ verurteilt, der Vorwurf der Gründung einer terroristischen Vereinigung wurde jedoch fallen gelassen. Die überraschende Begründung der Staatsanwaltschaft lautete, dass Busse schließlich aus „einer wirtschaftlichen Notlage“ heraus gehandelt hätte. Zu seiner Beerdigung 2008 in Passau kam auch der damalige NPD-Chef Udo Voigt.
Auch der Rechtsterrorist Peter Naumann war eng mit der NPD verbunden. Bereits mit 18 Jahren trat er der NPD-Jugendorganisation bei. Mit seinem Komplizen Heinz Lembke verübte er 1978 einen Sprengstoffanschlag auf ein Denkmal in den Ardeatinischen Höhlen bei Rom, das an ein Massaker der Waffen-SS im Zweiten Weltkrieg erinnert. Ein Jahr später war Naumann an der Sprengung von zwei TV-Sendeanlagen beteiligt, um die Ausstrahlung einer US-Fernsehserie über den Holocaust zu verhindern. Naumann wurde wegen drei Sprengstoffanschlägen, Verabredung zum Mord und Verstoßes gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz zu viereinhalb Jahren Haft verurteilt. Die NPD schloss ihn aus der Partei aus. Trotzdem konnte Naumann von 2007 bis 2008 als „Parlamentarischer Berater“ für die NPD-Fraktion im sächsischen Landtag arbeiten.
„Rechter Terror wurde nie als gesellschaftliche Bedrohung verstanden, weil die Opfer meist Angehörige von Minderheiten sind“
Ebenfalls in den 1980er-Jahren aktiv waren die Deutschen Aktionsgruppen des Altnazis Manfred Roeder. Auch sie verübten Bomben- und Brandanschläge. In Hamburg starben dabei 1980 zwei junge vietnamesische Flüchtlinge. Roeder wurde wegen Gründung einer terroristischen Vereinigung zu 13 Jahren Haft verurteilt, kam wegen guter Führung aber bereits nach acht Jahren frei.
Die rechtsextreme Hepp-Kexel-Gruppe raubte 1982 fünf Banken aus. Es folgten drei Autobombenanschläge auf US-amerikanische Militärangehörige in Frankfurt, Butzbach und Darmstadt. 1985 wurden die Täter zu Strafen zwischen fünf Jahren Jugendstrafe und 14 Jahren Haft verurteilt.
Schaut man sich den rechten Terror von 1945 bis Anfang der 1990er-Jahre an, wird deutlich, dass der NSU nur die Fortführung dessen war, was die Szene schon seit Jahrzehnten unbeachtet tat.
Ganz öffentlich fanden nach der Wende rechtsextreme Krawalle statt. So attackierten Neonazis 1991 in Hoyerswerda Migranten und Flüchtlinge, 1992 machten Rechtsradikale in Rostock Lichtenhagen Jagd auf vietnamesische Vertragsarbeiter – teilweise unter dem Beifall von Anwohnern. „Rechter Terror“, so Experte Wehrhahn, „wurde nie als gesellschaftliche Bedrohung verstanden, weil die Opfer eben meist Angehörige von Minderheiten und nicht Vertreter der Mehrheitsgesellschaft sind.“
Das Titelbild (WEREK/imago) zeigt das Münchner Oktoberfest nach dem Anschlag von 1980.